Harburg. Adolphsens Einsichten. Der Valentinstag ist viel mehr als ein Freudentag für Deutschlands Floristen, meint der Pastor (a.D.)
Lange habe ich den Valentinstag nur für einen genialen Marketingeinfall der Floristen gehalten. Natürlich wusste ich, dass jede dritte Frau enttäuscht ist, wenn ihr Liebster ihr an diesem Tag kein Geschenk macht. Die Studie von damals gibt allerdings nicht her, ob die Männer auch eines von ihrer Frau erwarten. Aber wir leben halt, wie man so hört, im Zeitalter der Frau.
Den Marketingeinfall hätte ich auch den Juwelieren und Pralinenherstellern zugetraut. Inzwischen ist das Angebot für diesen Tag der Verliebten riesig. Die Männer können Karten mit netten Sprüchen kaufen. Heizkissen mit Herz (unter der Rubrik „Geschenke, die das Herz zum Schmelzen bringen“ – 39,95 Euro). Gut gehen auch Gutscheine für Kochkurse, Wellness-Tage zu zweit. Jemand Cleveres hat sich ein Anti-Zicken-Spray ausgedacht, nur 4,95 Euro, damit die Liebe störungsfreier wird. Ob das gut ankommt? Das bezweifel ich.
Eine genauere Recherche über den Valentinstag fördert Interessantes zutage. Nicht die Floristen, sondern die Engländer haben das Urheberrecht. Denn da wird dieser Tag schon seit dem Mittelalter begangen. Seine Popularität geht zurück auf ein Gedicht des Schriftstellers Geoffrey Chaucer „Parlament der Vögel“. Zuerst 1384 bei Hofe vorgetragen. Der Inhalt ist sehr hübsch: Die Vögel sammeln sich an diesem lieblichen Feiertag um die „Göttin Natur“, damit jeder einen Partner findet.
Liebesgedichte sind nicht nur schön, sondern auch grenzüberschreitend wirksam. Die Engländer, die nach Amerika auswanderten, brachten das Gedicht und die Valentinsbräuche über den großen Teich. Von dort kamen sie 1950 durch die amerikanischen DJ‘s zu uns. Nachweislich fand der erste Valentinsball in jenem Jahr in Nürnberg statt.
Der Name dieses Tages geht auf einen christlichen Märtyrer zurück. Ob es Valentin von Terni war, jener Bischof von Rom, der enthauptet wurde? Oder Valentin von Viterbo? Es ist unklar. Den Gedenktag für den Heiligen hat Papst Gelasius im 5. Jahrhundert für die ganze Kirche eingeführt. So wurde Valentin zum Schutzpatron der Liebenden.
Schade für alle Katholiken, dass man ihren Beschützer 1659 aus dem römischen Generalkalender gestrichen hat. Aber im Licht ihrer Liebe besehen nicht so arg schlimm. Hauptsache, dass die, die sich lieben, ihre Liebe gegenseitig schützen. Im Übrigen weiß kaum jemand noch, der seine Angebetete beschenkt, dass er dafür einen Schutzpatron braucht. So ändern sich die Zeiten!
Das wissen auch die Menschen im Team für den Valentinstag am Michel. Seit 14 Jahren laden sie stadtweit ein zu einer besonderen Valentinsvesper (Beginn 18 Uhr). Es kommen die frisch Verliebten ebenso wie die in die Jahre gekommenen Ehepaare. Auch ältere Frauen und Männer, die allein leben und sich einen Partner/Partnerin wünschen. Die Brautpaare des letzten Jahres, die im Michel getraut wurden, werden persönlich eingeladen.
Jeweils kommen bis zu 300 Menschen. Im Zentrum des Abends steht das wunderbare Hohelied der Liebe aus dem 1. Korintherbrief, ergänzt durch persönliche Kommentare von Mitgliedern des Vorbereitungsteams. Natürlich – wie kann es in einer Kirche anders sein – dreht sich nicht alles ums Verliebtsein und um die erotische Liebe. Die kommt in Gedichten und Liebesliedern ausgiebig zu Gehör.
Es geht auch um die Liebe Gottes, die die Quelle aller Liebe zwischen Menschen ist. Darum wird auch das Abendmahl als Liebesmahl gefeiert. Und alle, die es wünschen, werden persönlich gesegnet. Im Anschluss daran dann ein Sektempfang in der Krypta. Wie nach einer Trauung.
Vor einigen Jahren hat die katholische Nachbarin, die Gemeinde vom „Kleinen Michel“, die Idee einer Valentinsnacht übernommen. Auch dort ist die Segnung der Verliebten oder derer, die sich Liebe wünschen, der Höhepunkt (Beginn 19 Uhr).
Der frühere Leiter der Michel-Trinitiy-Band von Konfirmierten, Jan Kessler, ist inzwischen in der Cornelius-Gemeinde Fischbek als Musiker erfolgreich tätig. Er hat das Konzept der Valentinsnacht vom Michel mitgebracht. Die Premiere steigt am Sonntag um 19.30 Uhr in der Kirche an der Dritten Meile. Eingeladen sind alle, die schöne Texte und Lieder hören und genießen möchten.
Jan Kessler wird auf der Gitarre eine junge Sängerin, Joy Bogat, begleiten. Kessler schwärmt nicht nur von ihrer Stimme: „Die Lieder hört man am schönsten mit geschlossenen Augen!“
Als Mann des Wortes sage ich dazu: gute und schöne Texte ebenso.
Im Übrigen können sich alle Eingeladenen und Verliebten glücklich schätzen, dass sie nicht in Saudi-Arabien leben. Da steht der Valentinstag nämlich auf der Verbotsliste. Der Kauf von Rosen ist schon einige Tage vorher verboten. Hoffentlich dauert es nicht allzu lange, bis auch dort das Zeitalter der Frau anbricht. Wie heißt es doch im Hohelied der Liebe: „Die Liebe lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu…“ Diese Liebe wäre ein Segen nicht nur für alle Liebenden, sondern für alle Menschen auf der Welt.
Helge Adolphsen ist emeritierter Hauptpastor des Hamburger Michels und schreibt vierzehntäglich seine Sicht der Dinge im Abendblatt auf