Harburg . Kult-Wirtin Rosemarie „Rosi“ Krokos starb im Alter von 73 Jahren an Krebs. Seit den früher 80er-Jahren war sie Chefin im „Fährhaus“.
Wer ein echter Harburger sein will, der muss wenigstens einmal dort gewesen sein. Im Schutze des mächtigen Deichs am Südufer der Süderelbe steht seit Mitte des 19. Jahrhunderts das Harburger Fährhaus. Früher wurden dort Fahrkarten verkauft für die Schiffe, die den Fahrgast auf die andere Seite des Flusses brachten. Wer sich in jüngerer Vergangenheit auf den Weg ans Ende der (Harburger) Welt machte, der wollte zu Rosi. Auf ein gezapftes Bier und die längste Currywurst der Stadt. Das wird es am Dampfschiffweg 21 auch weiter geben. Nur Rosi werden die Gäste fortan vergebens suchen. Der Krebs hat sie besiegt.
Rosemarie Krokos, so ihr bürgerlicher Name, war so etwas wie die Galionsfigur des Binnenhafens. Dort kannte die blonde Wirtsfrau jeder. „Der Binnenhafen ist ohne Rosi irgendwie kaum vorstellbar“, sagt Angelika Leber, Chefin der Hair Lounge in der Harburger Schloßstraße: „Da sind sie alle eingekehrt, die Blaumann- wie die Schlipsträger.“ Und natürlich immer wieder Gunter Gabriel und sein Musikerkollege Werner Pfeifer.
Das bestätigen auch Jürgen Vogt und Rolf Erdelmann. Die beiden waren Jahrzehnte Kollegen bei der Firma Cargill, früher Hobum, gleich um die Ecke. Und etwa genauso lange treffen sie sich jeden Donnerstag „Bei Rosi“ im Fährhaus.
„Hier haben sich früher auch immer die Kegelbrüder und der Sparklub eingefunden, bis der Klub irgendwann auseinanderfiel“, sagt Vogt. Inzwischen gebe es ein bunt gemischtes Publikum, weil auch Spaziergänger, Radler und Rentner kämen. Auf bis zu 80 Leute schätzen die beiden die Stammkundschaft.
„Hier können Frauen auch mal unbemannt einkehren, ohne gleich angemacht zu werden“, sagt Erdelmann: „Ärger hat’s meines Wissens nie gegeben. Die Polizei kommt nur, wenn sie hungrig oder durstig oder beides ist.“ Für Ordnung und zivile Umgangsformen hätten Rosi und ihre Crew schon immer selbst gesorgt.
So ist Rosis Hafenkneipe auch immer wieder zum Anlaufpunkt für echte Prominenz geworden. Wer’s nicht glaubt, muss sich nur die Bilderwand hinterm Stammtisch ansehen. Dort sind sie alle verewigt: Die Schöneberger und die Poletto, die Schauspieler Heinz Reincke, Jan Fedder und Heinz Hönig, die Schlagerstars Michael Holm und Christian Anders.
Als Rosi Krokos Anfang der 80er-Jahre von der Schloßstraße kommend das Fährhaus übernahm, kehrten hier vor allem Hafenarbeiter und Binnenschiffer ein. Und wo sich so viel urbanes Klientel versammelt, waren auch die leichten Mädchen nicht weit. Bei Rosi war jeder willkommen. Die Fröhlichen ebenso, wie die mit großem Kummer. „Sie spürte, wenn es einem schlecht ging, sie teilte Freude und Leid, hatte für jeden ein gutes Wort parat“, sagt Erdelmann.
Das gefiel auch Rudolf „Rudi“ Zakrzewicz, 66, sofort, als er vor zwölf Jahren im Fährhaus strandete. Vier Jahre diente er bei der Marine, war 15 Jahre Fernfahrer, dann kaufmännischer Angestellter, arbeitete fünf Jahre auch in Shanghai. Doch dann zog es den weitgereisten Wellingsbütteler vor 20 Jahren zurück nach Hamburg.
Die Sehnsucht nach der großen weiten Welt zelebrierte er fortan nur noch musikalisch, als Sänger beim Shanty-Chor „De Trampentrekker“. Und fand bei Rosi jenen Hafen, in dem endgültig vor Anker zu gehen wirklich lohnte. „Sie war lebenslustig und altersweise. Ich liebte ihren Humor und ihre gute Küche. Und ihren Namen: Rosi und Rudi, dass passte irgendwie, das war wie ein gutes Omen“, sagt er.
„Ich habe gespürt, dass es zu Ende geht, dass sie nicht mehr will“
Vor zehn Jahren hat Rudi seine Rosi geheiratet und sogar ihren Familiennamen angenommen. So standen sie dann oft gemeinsam hinterm Tresen, mindestens drei Tage die Woche. „Doch dann wurde im Juni des Vorjahres bei Rosi Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert“, berichtet Rudi. Achtmal habe sie die kräftezehrende Chemo über sich ergehen lassen. Doch zuletzt seien ihre Kräfte zusehends geschwunden. Und mit ihnen ihr Lebenswille.
„Ich habe gespürt, dass es zu Ende geht, dass sie nicht mehr will“, sagt Rudi. Am 16. Januar, morgens um 8.45 Uhr, ist Rosi in seinen Armen gestorben.
„Der Binnenhafen hat künftig eine Anlaufstelle weniger, um in eine ganz besondere Atmosphäre einzutauchen. Als echtes Unikat wird Rosi mit ihrer herzlichen Art vielen Bewohnern und Angestellten hier fehlen“, sagt Arent Bolte, bei der Haspa zuständig für Firmen- und Unternehmenskunden in Hamburgs Süden.
Am kommenden Sonnabend wird es im Fährhaus die Trauerfeier geben. Fünf Jahre will Rudi die Kultkneipe „Bei Rosi“ noch weiterführen. „Das bin ich ihr und unseren treuen Stammgästen schuldig“, sagt er. Doch er weiß auch: „Es wird nie mehr so sein, wie es mal war.“