Harburg/Süderelbe. Autobahn von Heimfeld bis zum Elbtunnel soll ausgebaut werden. Harburgs Verkehrsausschuss hörte Details – und staunte hier und da.
Beton hat nicht viele erklärte Fans. Ulrich Riemer ist einer. Das merkt man am Augenleuchten, wenn der Ingenieur von der Autobahn zwischen Heimfeld und dem Elbtunnel spricht; den Unterschied zwischen schlaff bewehrtem und Spann-Beton erklärt oder den Harburger Bezirkspolitikern im Verkehrsausschuss erläutert, warum ein ernsthafter Schaden nichts ist, um das man sich lange Sorgen machen sollte.
Was selbst viele Einheimische nicht wahrnehmen, ist, dass dieser Autobahnabschnitt mit der ein durchgehendes Brückenbauwerk ist – lange Zeit mit 3,8 km Länge sogar Deutschlands längste Brücke überhaupt, seit eine Eisenbahnbrücke über das Saaletal ihr diesen Rang ablief, immerhin noch Deutschlands längste Straßenbrücke. Direkt daneben steht Deutschlands zweitlängste, die Köhlbrandbrücke.
Im Zuge des achtspurigen Ausbaus der A7 muss auch diese Brücke – Bauwerksnummer: K20 – um zwei Spuren erweitert werden. Theoretisch ist das kein Problem. Als die Brücke zwischen 1971 und 1974 errichtet wurde, ließ man schon etwas Ausbaureserve: Zwischen den beiden Richtungsfahrbahnen sind durchgängig zehn Meter Abstand. Käme auf jeder Seite innen noch eine Spur hinzu, wäre dazwischen immer noch ein zwei Meter breiter Streifen Luft.
Praktisch ist es so, dass die Brücke über 40 Jahre alt ist, und man dann schon mal ihren Zustand überprüfen sollte, bevor man einfach daran anbaut. Das hat die Wirtschaftsbehörde jetzt vornehmen lassen, berichtete Riemer dem Verkehrsausschuss.
„Die Autobahnbrücke K20 ist ein filigranes Konstrukt“ schwärmte Riemer von der bauklötzchenartigen vertikalen Abfolge von Stützpfeiler, Querträger, Längsträger, wieder Querträger und Fahrbahnplatte. Auch das ist etwas, was der Einheimische so nicht auf den ersten Blick wahrnimmt.
Beton kann hohe Druckkräfte aufnehmen. Setzt man ihn jedoch Zugkräften aus zerbröselt er. Deshalb wird der Baustoff Beton mit Stahl bewehrt. Der Stahl nimmt die Zugkräfte. Spannt man den Stahl gar, kann man sogar relativ dünne Betonbauteile hoch belasten. Spannbeton galt deshalb lange als das Nonplusultra der Brückenbaumaterialien. Allerdings habe man in den 70ern noch nicht mit den Verkehrslasten gerechnet, die heute auftreten, sagte Riemer. „Der Lastverkehr ist um das 10-fache angestiegen. Das konnte damals niemand voraussehen.“
Hier wurde der Ausschuss nervös: Hatte man doch erst vor wenigen Monaten gehört, dass die ebenfalls aus Spannbeton und ebenfalls in den 70er-Jahren konstruierte Brücke der Hannoverschen Straße unrettbar verschlissen sei. Im Fall der Autobahn konnte Riemer die Politiker allerdings beruhigen: „Man muss jedes Bauwerk einzeln untersuchen. Selbst, wenn die Konstruktion gleich ist, kann die Qualität der verwendeten Materialien den Unterschied ausmachen“, sagte er.
Im Fall der Autobahn Brücke habe die Untersuchung der Fahrbahnplatten und der Träger ergeben, dass diese noch mindestens 45 Jahre halten werden. Die Pfeiler sind sogar in einem noch besseren Zustand: „Bei schlaff bewehrten Elementen, wie den Pfeilern, untersucht man Risse im Beton darauf, wie groß sie sind und wie sie wachsen, um zu erkennen, wie lange man das Element noch hält. Wir haben aber an keinem der Pfeiler überhaupt nur einen Riss finden können. Den Pfeilern geben wir mindestens noch einmal 70 Jahre.“
Einen ernsthaften Schaden habe man nicht gefunden. Überhaupt klinge dieser Begriff dramatischer, als er ist: „Ein ernsthafter Schaden ist lediglich ein Schaden, um den man sich kümmern muss, wie zum Beispiel eine kaputte Dachpfanne. Den Schaden behebt man zügig und alles läuft wieder normal.“, erklärte Riemer.
Vor diesem Hintergrund habe die Wirtschaftsbehörde die Kosten für die Erweiterung der A7 in zwei Varianten geprüft: Erhalt der alten Substanz oder kompletter Neubau – und sich dann für den Erhalt entschieden. Diese Variante kommt um 140 Millionen – kapitalisiert 200 Millionen – Euro günstiger, als ein Neubau. Außerdem kann so der Verkehr auf zwei Spuren je Richtung weiterlaufen, während gebaut wird. Abriss und Neubau hätte bedeutet, nur drei Spuren insgesamt zur Verfügung zu haben. „Wir müssen bei Baumaßnahmen in diesem Bereich auch immer im Auge behalten, dass wir den Hafenbetrieb nicht beeinträchtigen dürfen“, sagte Riemer.
Wann gebaut werden soll, konnte Riemer nicht sagen: „Es hängt von einigen Faktoren ab“, sagte er. „Ursprünglich sollten wir bis zu den olympischen Spielen fertig sein. Dieser Druck ist raus. Es jetzt kommt darauf an, wie schnell die Ausbaumaßnahmen nördlich des Tunnels fertig werden, außerdem ist der Anschluss der A26 und der A26 Ost ein Thema.“
Bislang ist die Fahrbahnfläche von Deutschlands längster Straßenbrücke so groß, wie 24 Fußballfelder. Durch den Anbau kommen acht hinzu. Ein filigranes Bauwerk, fürwahr.