Neuenfelde/Cranz. Mit Belegschaftszahlen in den Tausendern ist bei Pella-Sietas nicht mehr zu rechnen. Demnächst soll aber wieder ein eigener Neubau aufgelegt werden.
Die Pella- Sietas-Werft ist noch nicht da, wo Wirtschaftschef Fridtjof Rohde sie zu diesem Zeitpunkt haben wollte, aber sie ist noch da. Das ist schon mal etwas. Und das Ziel, die Werft auszulasten hat Rohde nicht aus den Augen verloren. Es geht voran, und ab jetzt, so hofft Rohde, auch in dem Tempo, dass er sich schon vor einem Jahr vorgestellt hat. Die Zeichen dafür stehen gut: Demnächst soll endlich ein eigener Neubau aufgelegt werden.
Wer das Werftgelände betritt, hört den Wind von der Elbe pfeifen und die Möwen kreischen. Nur leise mischen sich die typischen Werftgeräusche – Flexkreischen, Brennerzischen, Kranmotorsummen, das Klingeln von Schlosserhämmern auf zentimeterdickem Stahl – in die akustische Landschaft, aber immerhin sind sie da. Sie sind auch deshalb etwas leiser, weil die Hallentore jetzt im Winter geschlossen sind. Man will sich ja nicht den Tod holen, bei der Arbeit.
200 Leute arbeiten derzeit auf der Werft in der Este-Mündung. Vor einem Jahr hatte Fridtjof Rohde noch geplant, dass es jetzt 400 sein sollten. Die Auftragslage hatte ihm Recht gegeben. Für den Mutterkonzern Pella sollte Sietas zwei Schiffe zunächst am Reißbrett konstruieren und dann auch bauen.
Pella ist spezialisiert auf eisgängige Arbeitsschiffe und hat ein Problem: Die Pella-Docks am Stammsitz in St. Petersburg sind zu klein, um Schiffe über 60 Meter zu bauen. Das sollte die neu erworbene Tochter Sietas nunmehr erledigen.
Mit dem Konzernsitz St. Petersburg hat Pella-Sietas aber auch ein zweites Problem: Seit wegen des Ukraine-Konflikts Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt wurden, muss jedes Geschäft einer deutschen Firma mit einer russischen Firma durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) darauf geprüft werden, ob es nicht gegen diese Sanktionen verstößt. Das gilt auch für deutsche Tochtergesellschaften russischer Mutterkonzerne. Und es gilt nicht nur für fertige Produkte, sondern auch für Konstruktionspläne.
„Das BAFA prüft sehr gründlich und das braucht seine Zeit“, sagt Fridtjof Rohde. „Das bewirkte im Fall der ersten Konstruktion allerdings, dass der Endkunde abgesprungen ist. Wir haben aber auch eine zweite Konstruktion zur Genehmigung vorgelegt und die ist vom BAFA sehr zügig positiv beschieden worden. Dieses Schiff können wir demnächst bauen.“
Wenn der Tonnenleger auf Kiel gelegt wird, wird sich die Belegschaft der Werft in kürzester Zeit verdoppeln. 400 Mitarbeiter erscheinen im Vergleich zu den 2000 in den fetten Jahren zwar wenig, aber wenn man bedenkt, dass es vor einiger Zeit noch so aussah, als sei Sietas ein sicherer Teilnehmer am großen Werftensterben, ist es eine große Leistung. Mit Belegschaftszahlen in den Tausendern ist auch nicht mehr zu rechnen.
Das liegt nur zum Teil an der Auftragslandschaft. Es liegt auch daran, dass Werften viele Gewerke nicht mehr im eigenen Betrieb haben, sondern von außen einkaufen. „Früher hatte zum Beispiel jede Werft eine Tischlerei für den Innenausbau von Schiffen“, sagt Rohde. „Heute machen das spezialisierte Subunternehmer, die für mehrere Werften gleichzeitig tätig sind.“
Sietas selbst hat zum Beispiel schon Jahre vor der Insolvenz die Abteilung, die Deckskräne konstruiert, ausgegründet, um andere Werften mit den Hebezeugen zu beliefern. Diese „Neuenfelder Maschinenfabrik“ war dann auch von der Werft-Insolvenz nicht betroffen.
Seine 200 Mitarbeiter hat Sietas trotz des geplatzten Groß-Auftrags halten können. Die Werft konnte mehrere Kleinaufträge an Land ziehen. Der gute Ruf, was sowohl die Qualität der abgelieferten Arbeit, als auch das innovative Denken der Ingenieure angeht, halfen dabei. Derzeit baut Sietas Abgasreinigungsanlagen – so genannte Scrubber – für Schiffsmotoren, überholt eine Passagierfähre, baut ein Fischereiaufsichtsfahrzeug zum Rettungsschiff für Flüchtlinge um und baut Rumpfsegmente für eine Großwerft, die derzeit voll ausgelastet ist.
Der Scrubber-Bau brachte den Sietas-Leuten auch neue Fertigkeiten: „In den Anlagen fallen hoch korrosive Flüssigkeiten an“, sagt Rohde. „Dem kann man mit Kunststoff oder mit Duplex-Stahl begegnen. Wir haben uns für Duplex-Stahl entschieden und uns die Arbeitstechniken angeeignet, die dafür nötig sind. Dieses Wissen können wir jetzt auch bei anderen Aufträgen nutzen.“
Der Spezial-Schiffbau scheint für Fridtjof Rohde die ideale Nische zu sein, in der seine Werft überleben kann. „Der Frachter-Neubau liegt in Deutschland brach“, sagt er. „Die Reeder sind finanziell eingeschränkt und bei den gegenwärtigen Brennstoffpreisen kann man ihnen auch keine innovativen Techniken schmackhaft machen. Kraftstoff sparen lohnt derzeit keine Investitionen.“
Nicht alle der 200 zusätzlich benötigten Arbeiter wird Sietas fest anstellen. „Da wird erst einmal viel über Befristungen, Werkverträge und Leiharbeit laufen müssen“, sagt Fridtjof Rohde. „Allerdings kann es gut sein, dass auf den Neubau zügig weitere Aufträge folgen. Dann muss man neu nachdenken.“
Sietas ist noch da. Und es geht voran.