Hollenstedt. Im beschaulichen Hollenstedt residiert der „Ankerherz“-Verlag und verlegt Bücher abseits des Mainstream.

Knorrige Seebären, die auf See Kämpfe mit Wind und Wellen ausfechten, ein junger Biologe, der im Eismeer der Antarktis Schiffbruch erleidet, zwei Brüder, die in der Beringsee auf der Jagd nach dem Fang ihres Lebens sind – Geschichten von Abenteurern, reich bebildert und mit Herz und Verve erzählt, das ist es, was den Journalisten Stefan Krücken und seine Frau Julia fasziniert und mitreißt.

Und weil sie sich sicher waren, dass diese Geschichten auch andere faszinieren würde, gründete das Paar 2005 in Hamburgseinen eigenen Buchverlag. Heute, zehn Jahre später, sitzt „Ankerherz“ in Hollenstedt und entwickelt sich gerade zu einer Marke mit Wiedererkennungswert.

Immer noch stehen die Geschichten von den harten Männern, die Weltmeere bezwingen an oberster Stelle im Portfolio des Verlags, hinzugekommen sind Geschichten von den Helden des Alltags an Land.

Das Verlagsgebäude in Hollenstedt ist ein ehemaliger Tanzsaal
Das Verlagsgebäude in Hollenstedt ist ein ehemaliger Tanzsaal © HA | Ankerherz

„Das Leben ist spannend“ – besser kann man das Lebensmotto des Ehepaars Krücken nicht beschreiben. Spannend ist nicht nur ihr eigenes, das lange geprägt war von Reisen und Begegnungen mit Menschen, sondern auch das anderer Menschen. Und die sich in den Ankerherz-Büchern wiederfinden.

Es sind nicht immer die großen Namen, es sind oft kleine Geschichten, liebevoll erzählt, über Menschen, die Ungewöhnliches erlebt haben. „Wellenbrecher“, „Das verfluchte Schiff“ oder „Orkanfahrt“, lauten die Titel aus der Abteilung Abenteuer auf hoher See. „Knock Out“, „Zechenkinder“ und „Barmherzige Schwestern“ beschreiben Helden des Alltags in Boxring, unter Tage und im Kloster.

Im Firmensitz des Verlags in Hollenstedt direkt an der Hauptstraße, geht es ruhig und gemütlich zu. In dem ehemaligen Tanzsaal des Dorfes stehen große Sofas vor rot gestrichenen Wänden, daneben kleine Tischchen mit Leselampen, die ein gemütliches Licht verbreiten und zum Lesen einladen.

In hohen Regalen stehen die Bücher, von den Buchdeckeln blickt zum Beispiel Schauspieler Axel Prahl, der Kapitänsgeschichten zusammengestellt und auch ein Hörbuch dazu eingesprochen hat. Ihm hat Verlagschef Stefan Krücken zu verdanken, dass er die Herzen der zurückhaltenden Hollenstedter erobern konnte.

Vor fünf Jahren, als sich das Paar hier niederließ, kam der Kontakt zu den Dörflern nur schleppend zustande: „Die wussten nicht so richtig, was wir machen, zeitweise dachten die, hier wäre eine Kita eingezogen“, grinst Stefan Krücken.

Erst als er die Lesereihe „Hollywood in Hollenstedt“ ins Leben rief und Axel Prahl höchstpersönlich aus den Kapitänsgeschichten vortrug, kamen die Dörfler vorbei – und fanden „Ankerherz“ doch ganz gut. Inzwischen läuft die Reihe zweimal im Jahr, Prominente lesen aus den Verlagsbüchern, es wird Musik gemacht, gut gegessen und der Erlös des Abends an eine Einrichtung im Dorf gespendet. Das kommt an.

Wie Menschen ticken, das hat der 40-jährige Stefan Krücken in seinem Leben vor „Ankerherz“ überall auf der Welt hautnah miterlebt. Er war als Reporter für große deutsche Magazine unterwegs, berichtete von den Fußballspielern an der Copacabana, begleitete deutsche Soldaten nach Afghanistan und in den Irak, tauchte ins Budapester Nachtleben ein und berichtete aus einem illegalen Fight-Club in London.

Ein Leben auf der Überholspur: „Ich war mindestens 150 Tage im Jahr nur unterwegs“, erinnert er sich. Nicht besonders gut für die Familie, die er mit seiner Frau Julia, einer erfolgreichen Fotojournalistin, gegründet hatte. Irgendwann reifte ihn ihm der Entschluss, auszusteigen.

Die Entscheidung fiel auch deshalb leicht, weil er endlich sein Buch mit Kapitänsgeschichten schreiben wollte. Das Meer faszinierte den gebürtigen Dormagener schon als Kind: „Jede Ferien fuhr ich mit meinen Eltern an die Nordsee.“

Der Angang war schwierig, denn die Seebären sind wortkarg und misstrauisch. Über einen Seemannspastor fand er seine ersten Gesprächspartner, saß bei Kaffee und Kuchen auf gut eingesessenen Sofas und lauschte ihren Geschichten.

Als sich bei den Seefahrern herumgesprochen hatte, dass da ein Journalist über ihre Erlebnisse schreiben wollte, kam sie Sache in Schwung: „Einmal rief ein Kapitän an und sagte ‘Ich hab mal einen Flugzeugträger gerammt – ist das interessant?’. Klar war es das und die Geschichte kam ins Buch“, erzählt Stefan Krücken. „Orkanfahrt“ war sofort ein Erfolg und bestätigte die Entscheidung für die Selbstständigkeit.

Heute schreiben vor allem Journalisten für den Verlag, über die Helden des Alltags. Wichtig ist Stefan Krücken dabei, dass die Autoren sich selbst nicht in den Vordergrund stellen: „Sie leihen all diesen besonderen Menschen ihre Stimme.“

Und so ist das Buch „Die Frau, die Nein sagt“, ein Porträt über Francoise Gillot, die lange mit dem Maler Pablo Picasso zusammen lebte, ebenso ein voller Erfolg, wie die Erinnerungen der Steve-McQueen-Witwe Barbara. Für viel Aufmerksamkeit sorgte auch das Buch über die Lebenserinnerungen von 25 Nonnen des Ordens der Barmherzigen Schwestern, die mit einer Journalistin über Leben, Liebe und Leid sprachen.

Ob Seemannsgarn oder Schwesternorden, Bücher über die Fernsehhelden der 80er-Jahre oder Lebenserinnerungen von DDR-Flüchtlingen – „Ankerherz“ bringt nicht nur guten Inhalt, sondern diesen auch auf hochwertigem Papier, für die gute Optik ist Julia Krücken zuständig.

Gute Bücher, dazu schöne Becher, Jacken oder T-Shirts: inzwischen hat sich „Ankerherz“ zu einer Marke gemausert – nicht umsonst hat der Verlag bei Facebook eine halbe Million Follower, Tendenz steigend.

www.ankerherz.de