Wilhelmsburg. DasTurtur verwandelt sich von einer Pizzeria in einen Tanztempel zurück. Eine pfiffige Überlebensstrategie des Musikclubs

Das Partyvolk kommt in Wilhelmsburg wieder auf seine Kosten: Im Turtur am Veringkanal beginnt am Sonnabend, 17. Oktober, die Clubsaison. Dazu macht der einzige Musikclub der Elbinsel eine einzigartige Metamorphose durch. Innerhalb nur einer Woche verwandelt er sich aus einer Pizzeria wieder in einen Tanztempel. Das Konzept von Clubchefin Mona Michels, die für Musikclubs existenziell gefährliche Sommerzeit zu überbrücken, ist in Hamburg einmalig.

Was kann ein Clubbetreiber tun, wenn die Leute zwischen Mai und September lieber in lauen Nächten draußen feiern und Open-Air-Veranstalter den kleinen Clubs Konkurrenz machen? Mona Michels hat das Pizzabacken gelernt und einen Ofen angeschafft. Dabei nutzt sie die vorhandene Infrastruktur, denn das Gebäude war ursprünglich als Kantine konzipiert gewesen. Bevor es zum Musikclub wurde, war dort das Bistro „Tonne“ beheimatet.

Hat sich die Überlebensstrategie bewährt? Wirtschaftlich sei sie ohne Verlust, „plus minus null“, aus der Sommersaison herausgekommen. „Das Ziel war es, zu überleben, und das haben wir geschafft“, sagt Mona Michels. Dazu habe beigetragen, dass Hochzeitsgesellschaften das Turtur gemietet haben. Ohne die notwendigen Anschaffungen, den Kauf des Pizzaofens und die Renovierung des Tanzschuppens zu einem tagestauglichen Ambiente, hätte das Turtur sogar einen kleinen Gewinn erwirtschaftet. Deshalb wird Mona Michels an ihrer Strategie festhalten. Im Mai nächsten Jahres verwandelt sich der Musikclub wieder zu einer Pizzeria Blick auf den Veringkanal.

Eine Pizzeria zu führen, sei etwas völlig anderes als einen Musikclub zu leiten. „Wir haben Lehrgeld zahlen müssen“, räumt die Teilzeitgastronomin ein. Die Personalplanung sei schwieriger, ebenso die richtige Bevorratung von Lebensmitteln. Zu dem sei der Bürokratieaufwand größer. „Wir mussten lernen, wie viele Listen man in Deutschland führen muss“, sagt Mona Michels und meint damit die Hygienevorschriften. Stets musste sie exakt die vorgeschriebene Temperatur des Kühlschranks überwachen.

Nur eine Woche Zeit haben Mona Michels und ihre bis zu acht Mitarbeiter Zeit jetzt gehabt, das Bistro wieder in einen Club zu verwandeln. Am Sonntag, 11. Oktober, glühte noch der Ofen. Die großen Pizzen kamen je nach Belag um die Hälfte günstiger auf den Tisch. Der in den sozialen Netzwerken beworbene Saisonausverkauf ließ den Laden bersten. Alle Lebensmittelvorräte sollten raus – das hat das Turtur geschafft. „Nur eine Dose Tomatensauce und eine Dose Ananas sind übrig geblieben“, sagt Mona Michels..

Von der Pizzeria war am Freitagvormittag nichts mehr zu sehen. Ein Kunststück in einem Laden, der keinen Lagerraum hat. Die Lösung: Stühle, Tische, Gläser und das Geschirr sind unter dem Dach verstaut. Die Küche wird wieder Garderobe. Die Partygäste dürfen sich auf eine neue Lichtdekoration freuen: Ein beleuchtetes transparentes Flugzeugbauteil wird neben der Bar Licht mit einem schimmernden Effekt in den Club werfen. Der Künstler Garlef Schubert hat eine von ihm entworfene Lampe installiert. Das Turtur öffnet nur noch an drei Tagen, von Donnerstag bis Sonnabend. Der Kneipentag am Mittwoch und der Sonntag mit dem „Tatort“ gucken entfallen. Beide Tage waren nicht wirtschaftlich. Mit einer neuen Programmreihe „Never keep quiet“ bietet der Club demnächst auch Freunden des Indiepops und Punks eine Heimat – Premiere ist am Sonnabend 7. November.

Turtur Club Opening, mit Nepomuck, Twinpitchers u.a., Sonnabend, 17. Oktober, 20 Uhr, Turtur, Am Veringhof 13, in Wilhelmsburg