Wilhelmsburg. Der Stadtteilbeirat Wilhelmsburg will Gegenstrategien zu Islamisten auf den Elbinseln initiieren. Ein Runder Tisch soll her.
Sie verteilen auf der Straße bei der sogenannten „Street Dawah“ den Koran und suchen Moscheegemeinden auf, um Menschen von ihrer gefährlichen Auslegung des Islam zu überzeugen. Die jihadistische Strömung innerhalb der salafistischen Szene versucht auch auf der Elbinsel Wilhelmsburg Einfluss zu gewinnen. Das bestätigte Oliver Kreuzfeldt vom Landeskriminalamt am Mittwochabend im Beirat für Stadtteilentwicklung Wilhelmsburg. Er gehört der Abteilung Prävention gewaltzentrierte Ideologien an, die sich mit gewaltbereiten Salafisten beschäftigt.
Der Beirat schlägt vor, mit einem Runden Tisch ein Forum unter Leitung des Bezirksamtes zu schaffen, das unter Einbeziehung von Pädagogen und anderen Fachkräften, der Moscheegemeinden, Kirchen und engagierten Bürgern Gegenstrategien entwickelt.
Der Stadtteilbeirat hat erstmals öffentlich versucht, ein Bild davon zu zeichnen, wie und wo sich salafistische Ideologie in Wilhelmsburg zeigt. Es blieb zunächst bei einem Versuch. Einige Details blieben auf Bitten des Landeskriminalamtes bewusst unausgesprochen, wie der Beiratsvorsitzende Lutz Cassel am Donnerstag einräumte.
Dabei ging es vor allem um eine Moscheegemeinde in Wilhelmsburg, die „undurchsichtige Tendenzen zeige“, wie es Michael Kelber-Bretz vom Forum Bildung Wilhelmsburg ausdrückte. Es bestenden Verdachtsmomente, dass Salafisten der gefährlichen jihadistischen Strömung dort versuchen, Einfluss zu gewinnen. Mehr eben auch nicht.
Was im Beirat nicht ausgesprochen wurde: Es soll sich um insgesamt drei Moscheegemeinden in Wilhelmsburg handeln, in denen Salafisten offenbar versuchen, Fuß zu fassen. Wie weit ihr Einfluss reicht, ist unklar.
Als Salafisten werden Angehörige einer bestimmten sunnitisch-islamistischen Strömung bezeichnet, die sich der Rückkehr zu einem Islam der frommen Altvorderen bekennen, womit die ersten drei muslimischen Generationen gemeint sind.
Polizei und Verfassungsschutz befassen sich mit der politischen und jihadistischen Strömung innerhalb des Salafismus. Nicht immer sind sie auf Anhieb erkennbar: „Wir müssen uns fragen, ist es noch religiös bestimmte Frömmigkeit oder ist es schon besorgniserregend“, sagt Kreuzfeldt. Zurzeit rechnet der Verfassungsschutz 460 Menschen in Hamburg den Salafisten zu.
Bundesweit bekannt wurde vergangenen Jahr der Fall des 19 Jahre alten Nabil aus Wilhelmsburg, der sich auf den Weg nach Syrien machte und schließlich als Gotteskrieger in den „Heiligen Krieg“ zog. Nabil war zuvor auch in der Harburger Fußgängerzone gesehen worden, als er den Koran verteilte. Nach einem Bericht des Nachrichtensenders n-tv seien bis heute 60 Menschen aus Hamburg und Umgebung zu den Kriegen in Syrien und im Irak aufgebrochen.
Wie Salafisten in Wilhelmsburg versuchen, Einfluss zu gewinnen, berichteten Michael Kelber-Bretz und Uli Gomolzig, der Leiter des Hauses der Jugend Wilhelmsburg, im Beirat. Ein Prediger habe Schüler der Stadtteilschule Wilhelmsburg angesprochen, um mit ihnen zusammen zu kommen. Salafisten würden kostenlose Hausaufgabenhilfe anbieten, sagt Gomolzig.
Nach dem Attentat auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ habe es in den Jugendhäusern auf der Elbinsel keine einhellige Ablehnung von Terror gegeben. „Das hat mich bedrückt“, sagt Uli Gomolzig. Er plädiert dafür, keinen Jugendlichen aufzugeben und im Gespräch zu bleiben.
Wenn junge Leute sich in den Fanatismus zurückziehen, scheint ein Gespräch aber kaum mehr möglich. Das Projekt „Al-Wasat“ (Die Mitte) am Islamischen Wissenschafts- und Bildungszentrum in Harburg entwickelt Schulungen, in denen Erwachsene lernen, mit Salafismus und Islamismus umzugehen. Lena Çoban von Al-Wasat, ein Projekt im Förderprogramm „Demokratie leben“, hat den Wilhelmsburgern Unterstützung angeboten.
Am 9. November werden sich Sozialpädagogen, Lehrer und Erzieher von der Elbinsel bei einer Fortbildung damit beschäftigen, wie sie gefährdeten Jugendlichen begegnen können.
Lutz Cassel fordert zusätzliches pädagogisches Personal an Jugendhäusern und Schulen: „Der Beirat kann das nur einfordern, damit die Politik endlich aufwacht.“