Harburg. Im zweiten Teil des Sommer-Specials zeigt der Harburger „Schauraum“ unkonventionelle Arbeiten des Harburger Künstlers Jan Ratschat.

Kaum hat der Hamburger Künstler Tobias Sandberger seine Objekte und Zeichnungen abgehängt, beginnt in der Harburger Galerie Schauraum an der Schwarzenbergstraße der zweite Teil der „Sommerspezial“-Serie. Heute Abend ist die Vernissage der Ausstellung von Jan Ratschat. Sie trägt den Titel „Neue Heimat und alte Lügen“. Zu sehen sind zum einen neue Bilder aus seiner Reihe „Nordische Landschaften“ entdecken. Mit kräftigem, dynamischen Pinselstrich hat Ratschat die Natur des Nordens, Eislandschaften und Gletscher auf die Leinwand gebracht. Die Farben sind kräftig, harte Linien grenzen sie voneinander ab. Hier gibt es keinen Schickschnack, alles ist auf das Nötigste reduziert.

Doch neben den für das Besucherauge gewohnten Landschaftsbildern an weißen Wänden sind weitere, mit einem immer wiederkehrenden Motiv zu sehen. Und auch die ausgestellten Objekte nehmen das zweite Thema Ratschats auf: Es sind Bunker aus Kriegszeiten, die der 49-Jährige bei seinen Reisen auf die dänische Insel Fanö entdeckt hat: „Am ehemaligen Atlantikwall von Frankreich bis nach Norwegen stehen sie immer noch. Viele verfallen, aber es gibt auch welche, die erhalten werden.“ Bei seinen Nachforschungen entdeckte er, dass alle Bunker im Krieg Namen trugen. Auf Fanö fand er beispielsweise einen Bunker mit Namen „Hermann“, andere hießen „Heinrich“ oder „Tristan“. Ratschat fotografierte sie, nahm Maß und bildete sie mit seinen Händen maßstabsgerecht mit allen Details nach. Zum einen in Öl auf Leinwand.

Statt aus hartem Beton ist dieser Bunker aus Sandkuchen. Er soll bei der Vernissage verzehrt werden
Statt aus hartem Beton ist dieser Bunker aus Sandkuchen. Er soll bei der Vernissage verzehrt werden © HA | Susanne Rahlf

Zum anderen aber in überraschender, weil ziemlich unkonventioneller Weise: er backte die Bunker als Kuchen nach. Mit Schokoüberzug und bunten Streuseln. Ein Stilbruch? „Keineswegs“, sagt der Künstler. Aber eine Überspitzung: „Ich sehe diese Objekte als satirische Form von Sarkasmus. 70 Jahre nach Kriegsende empfinde ich das Thema immer noch als ein bitterernstes.“ Dennoch geht er, dessen Kunst von Expressionismus, Pop-Art und Comic-Stilen geprägt ist, aus heutiger Sicht mit dem Thema Krieg um. In seinen Bildern überspitzt er: Seine Himmel über den Relikten aus Beton sind nicht ausgemalt, „sondern einfach nur Knallblau“, flächig rücken die grauen Wände der Bunker in den Vordergrund, Grasgrün und Sandgelb umrahmen Strand und die Vegetation die Szenerie.

Im dritten Teil der Triologie schließt sich der Kreis

Über die Jahre resite der Künstler immer wieder nach Dänemark und Schweden und beobachtete dabei, wie die Zerstörung der Natur voranschritt
Über die Jahre resite der Künstler immer wieder nach Dänemark und Schweden und beobachtete dabei, wie die Zerstörung der Natur voranschritt © HA | Susanne Rahlf

Die Ausstellung ist der dritte Teil einer Trilogie, die Jan Ratschat in der Harburger Galerie in den vergangenen beiden Sommern gezeigt hat. Bei der ersten, „Höhere Gewalt“ betitelt, gestaltete er den Ausstellungsraum zu einem Bunker um, mit nachgemaltem Notausgang „in Stahltüroptik“ und den typischen Hinweiszeichen an den Wänden. „Es ging mir dabei um einen fiktiven Menschen in Kriegszeiten und seine Hinterlassenschaften“, sagt der Künstler dazu. Er richtete im nachgebildeten Bunker ein Wohnzimmer ein mit Kacheltisch, Stehlampe und Fundstücken aus der Kriegszeit. Über dem Sofa ein Bild, das schon auf den zweiten Teil der Trilogie hinwies und aus der Reihe „Nordische Landschaften“ stammt. Auch hier nimmt Ratschat das Thema Zerstörung auf, diesmal ging es ihm um die Zerstörung der Natur, die sich vor allem im Norden Europas dramatisch manifestiert. Im dritten Teil der Trilogie schließt sich der Kreis: „Jetzt ist man nicht mehr im Bunker, sondern sieht ihn von außen“, sagt der Künstler dazu. Die Bunkerkuchen fallen im Gegensatz zu ihren der Zeit trotzenden Vorbildern, schon heute bei der Vernissage der Zerstörung anheim. Ab 19 Uhr werden sie angeschnitten.

Jan Ratschat, 31. Juli bis 9. August,“Schauraum“, Schwarzenbergstraße 42, Sa und So 15 bis 18 Uhr oder nach Absprache unter 0171/3707814