Bostelbek/Berlin. Austin Walters aus Southport, Indiana war ein Jahr lang zu Besuch in Harburg. Schüleraustauschorganisationen suchen ständig Gastfamilien für Jugendliche wie ihn.

Er heißt Austin, kommt aber nicht aus Texas und er heißt mit Nachnamen Walton, hat aber nur einen einzigen Vornamen. Dafür hat Austin Walton zwei Familien. Das letzte Jahr verbrachte der junge Amerikaner als Austauschschüler bei Familie Maaß-Hinrichs in Bostelbek. Er besuchte in dieser Zeit das Alexander-von Humboldt-Gymnasium. Am Wochenende geht es für den 17-Jährigen zurück nach Indianapolis, zu seiner „echten“ Familie im Vorort Southport.

In diesem Jahr hat Austin die Welt von einer anderen Seite kennen gelernt: „Einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr kannte ich aus Indianapolis gar nicht“, sagt er. „Dass eine Stadt tatsächlich sicherer ist, wenn niemand eine Waffe hat, hätte ich auch nicht geglaubt, wenn ich es nicht selbst erlebt hätte; und ich habe Fußball und Longboarden für mich entdeckt.“

Tight End bei den Junior Ravens und den Southport Cardinals

Anderes behielt er bei: Seine Liebe zum American Football hat Austin auch in Harburg gepflegt: Bei den Junior Ravens des HTB spielte er als Tight End, das ist eine Art Universalangreifer. Dieselbe Position hatte er auch zu Hause bei den Southport Cardinals inne.

Zu den Ravens brachte ihn ein Nachbar, auf das Longboard kam Austin durch seinen kleinen Austauschbruder Jonah. „Jonah und ich haben viel miteinander unternommen“, sagt Austin. „Er hat mir ganz Hamburg gezeigt – und meistens auf dem Longboard.“

Austin nimmt eine Hamburg-Fahne voller Unterschriften mit
Austin nimmt eine Hamburg-Fahne voller Unterschriften mit © HA | Lars Hansen

Auch mit seinem anderen Austauschbruder, dem 14-jährigen Hannes, hat Austin viel gemeinsam unternommen. Für Hannes war Austin auch etwas völlig Ungewohntes: Auf einmal hatte er einen großen Bruder, statt einer großen Schwester. Schwester Fenja leistet gerade Freiwilligendienst im Nationalpark Wattenmeer, deshalb war ihr Zimmer frei. Aber auch sie nahm Austin unter ihre Fittiche und holte ihn ab und zu an die Küste. Sie selbst war auch schon mal als Austauschschülerin in der Fremde, ebenso wie ihre Mutter Jennifer.

„Deshalb haben wir uns nun auch schon zum zweiten Mal bereit erklärt, einen Gastschüler aufzunehmen“, sagt Mutter Jennifer Hinrichs, „denn wir haben ja selber die Gastfreundschaft anderer genossen – und rückblickend muss ich sagen, dass auch das Jahr mit Austin ein Gewinn für uns war.“

Für die Stipendiaten ist der Austausch kostenlos

Austin kam über das Parlamentarische Partnerschaftsprogramm (PPP) von Bundestag und US-Kongress nach Deutschland. Jeder Abgeordnete in den jeweiligen Parlamenten kann Pate für einen Austauschschüler werden. Für die Stipendiaten ist der Austausch damit kostenlos.

Im Gastland übernimmt dann ein Parlamentarier der Gegenseite die Patenschaft – theoretisch: Weder von seinem Kongressabgeordneten, dem Demokraten André Carson, noch seiner Gastpatin, der CDU-Abgeordneten Herlind Gundelach, hat Austin je etwas gehört. Allerdings ließ wenigstens der Harburg-Wilhelmsburg-Bergedorfer Wahlkreisabgeordnete Metin Hakverdi (SPD) sich noch einmal kurz blicken, bevor Austin abreist – dabei ist Hakverdi nicht einmal mit einer Patenschaft an der Reihe.

„Aber mir liegt dies Austauschprogramm am Herzen“, sagt er, „denn ich durfte selber als Austauschschüler meinen Horizont erweitern.“

Aufgeschlossenheit und die Bereitschaft, sich und einer anderen Kultur zu öffnen

Hakverdi findet es deshalb gut und wichtig, dass es Familien wie die Maaß-Hinrichs gibt, die Gastschüler aufnehmen und rührt die Werbetrommel für weitere Gastgeberfamilien: „Wer sein Zuhause für einen Jugendlichen aus einem anderen Land öffnet, gewinnt nicht nur einen ganz persönlichen Einblick in andere Kulturen und Lebensweisen. Er setzt auch ein klares Zeichen für eine Willkommenskultur in unserem Land“, unterstützt Hakverdi die Idee.

Ein Gastkind aufnehmen können Familien ebenso wie Alleinerziehende, kinderlose Paare und Alleinstehende, die sich für ein gastfreundliches und weltoffenes Deutschland engagieren wollen. Wichtig sind den meisten Austauschorganisationen Aufgeschlossenheit und die Bereitschaft, sich einem jungen Menschen und seiner Kultur zu öffnen. Vorbereitet und begleitet werden sie in Kursen in der Nähe ihrer Wohnorte. Auch Willkommens- oder Übergangsfamilien für einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen werden gesucht.

Wenn Austin im Flieger nach Hause sitzt, hat er eine Hamburger Flagge mit Unterschriften aller seiner neuen Freunde im Gepäck. Und eine Familie im Herzen.