Harburg. Michael Boberg kann auf 50 Berufsjahre in Harburgs ältestem Reisebüro zurückblicken. Er kam als Gehilfe. Inzwischen ist er längst der Chef – und reist noch immer gerne

Heute ist Vietnam ein Trend-Reiseziel. 1959, als Michael Boberg seine Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann begann, nannte man Vietnam hier noch Indochina, wenn man sich überhaupt damit befasste, und Ho Chi Minh hatte erst wenige Jahre zuvor die Franzosen hinausgeworfen. Man fuhr dort nicht hin.

Seit 50 Jahren arbeitet Boberg im selben Reisebüro

Die Zeiten ändern sich. Michael Boberg ist mittlerweile 73 Jahre alt und seit 50 Jahren im selben Reisebüro tätig. Kein Wunder: Seit 1969 ist er dort Inhaber. „Nach meiner Ausbildung beim Hapag-Lloyd-Reisebüro und meiner Dienstzeit fing ich 1965 im Hermes-Reisebüro an“, erinnert er sich. „Reisebüros waren damals etwas ganz seltenes. Dieses war das einzige in ganz Harburg.“

Wirklich groß war es auch nicht. Das Haus in der Moorstraße hatte zwei Gerschäfte im Erdgeschoss. Den Juwelier links und das Reisebüro rechts von der Haustür. Inhaber Ernst Krüger war promovierter Akademiker und wurde von vielen Kunden auch mit „Herr Doktor“ angeredet. Krüger zog sich ab 1969 langsam aus dem Geschäft zurück, blieb aber bis zu seinem Tod 1989 stiller Teilhaber.

„Hauptgeschäft waren damals Bahnreisen“ , erinnert sich Michael Boberg. „Reiseplanung mit dem Kursbuch, Hotels aus gedruckten Verzeichnissen und eine Menge telefonieren.“

Als die Flugscheine noch mit der Hand ausgefüllt wurden

Das änderte sich auch nicht großartig, als Flugreisen immer populärer wurden. „Um einen komplizierten Flug zusammenzukriegen, haben wir uns bei den Fluggesellschaften die Finger wundtelefoniert. Die Flugscheine haben wir noch mit der Hand ausgefüllt, jeden einzeln. Bei einem Flug in die USA mit Hin- und Rückflug und je einmal Umsteigen in Europa und in Amerika kam da schnell ein dickes Heft zusammen – da war jede Flugnummer mit Kugelschreiber in Kästchen eingetragen. Und wenn sich unterwegs der Flugplan änderte, wurden neue Flugscheine mit Büroklammern eingeheftet und das Heft wurde noch dicker.“

© HA | Lars Hansen

Den ersten kleinen Boom mit Flugbuchungen gab es mit den Gastarbeitern, die ab den 60er-Jahren nach Harburg kamen. „Die kamen damals auch alle zu uns.“

Parallel begannen deutsche Touristen mit Pauschal-Flugreisen. „Mallorca und die Costa Brava waren die ersten Ziele dafür“, sagt Michael Boberg. „Vorher hatte die Bahn Pauschalreisen in die Berge und nach Italien angeboten und so das Terrain bereitet.“

Privat ist Boberg immer noch dreimal im Jahr auf Reisen, wie seit 50 Jahren

Mit Bahnreisen macht das Hermes-Reisebüro immer noch gute Geschäfte. „Vielen Leuten ist das Internet noch unheimlich, oder einzelne Züge können dort nicht gebucht werden“, sagt er. „Die Arbeit nehmen wir denen ab, übrigens, ohne dass es mehr kostet. Und bei uns sitzen die Kunden bequem im Polsterstuhl, satt am Schalter oder in der Schlange zu stehen und zu warten.“

Damit hat Michael Boberg zusammengefasst, was seinen Beruf damals ausmachte, und was ihn noch heute ausmacht: Leuten die Arbeit abzunehmen, die es macht, eine Reise zu planen. Und das nicht nur für Privatpersonen. „Wir arbeiten schon immer viel für Firmen, gerade Reedereien, die Personal irgendwo hinschicken müssen.“

Privat ist Boberg immer noch dreimal im Jahr auf Reisen, wie seit 50 Jahren. Auch da zieht er es vor, sich Arbeit abnehmen zu lassen. „Ich habe Kreuzfahrten für mich entdeckt“, sagt er. „Wer einmal mit Balkonkabine gereist ist, will nichts anderes mehr.“

Mit Sohn Jan steht bereits ein Nachfolger bereit. Boberg glaubt, dass auch Jan noch sein 50-jähriges Jubiläum feiern kann.