Tostedt. Fernweh ist nach dem Schulabschluss groß. Lea Visse und Leander Löwe haben sich für ein ungewöhnliches Ziel entschieden.

Das Abitur in der Tasche und dann raus. Einen günstigeren Zeitpunkt als nach der Schule gibt es kaum. Es ist eine Zeit ohne Pflichten und voller Freiheit. Die meisten Schüler zieht es ins europäische Ausland. Auch Fernziele wie Australien und Neuseeland sind beliebt. Exotische Länder, fernab jeder Gefahr, vom weißen Hai einmal abgesehen. Lea Visse und Leander Löwe – beide 18 Jahre alt und aus Tostedt – reisen in ein Land, das oft mit Terroranschlägen Schlagzeilen macht: Israel. Ab September arbeiten sie ein Jahr lang in Jerusalem.

Wer in Jerusalem lebt, ist automatisch im Nahostkonflikt

Dabei machen sie sich nichts vor. Wer in Jerusalem lebt, ist automatisch im Nahostkonflikt. Das Auswärtige Amt spricht von einer „angespannten Sicherheitslage“ und rät dazu, Menschenansammlungen zu meiden. In den vergangenen Monaten gab es mehrere Angriffe auf Fußgänger in Jerusalem. Angst? „Natürlich flammt der Nahostkonflikt immer wieder auf“, sagt Leander Löwe. „Aber wir reisen ja in die heilige Stadt aller Weltreligionen. Da ist die Gefahr in manch anderen Städtern größer“, sagt er. „Es kann überall etwas passieren“, meint auch Lea Visse.

Beide wollten raus in die Welt, etwas erleben, ein fremdes Land entdecken, eine neue Sprache lernen, bevor sie ihr Studium antreten. Beide arbeiten zwar in der selben Stadt, aber Aufgabenfeld und Wohnort könnten unterschiedlicher nicht sein.

Israel oder Italien? Vor dieser Wahl stand der Abiturient

Leander Löwe landete bei seiner Internetrecherche beim Ökumenischen Friedensdienst. Er arbeitet im Osten Jerusalems, für die evangelische Erlöserkirche, mitten in der Altstand und ganz in der Nähe der Klagemauer. Israel oder Italien? Vor dieser Wahl stand der Abiturient. Jerusalem gewann. Die Stadt gilt eben als vielfältiger, multikultureller und lebendiger als die Insel Sizilien. Natürlich kennt Leander Löwe, der am Gymnasium Kattenberge als Seminarfach Israel belegt hatte, die stereotypische Vorstellungen von gläubigen Juden mit Bart, Hut und Schläfenlocken und von muslimischen Frauen mit Kopftüchern. „Aber dort merkt man erst, wie vielschichtig die Religionen sind“, sagt er.

Zu seinen Aufgaben zählt, Reisegruppen, die die evangelische Kirche besuchen, zu betreuen, Konzerte in der Kirche zu organisieren, Fragen zu beantworten – kurz: er sei „Mädchen für alles“, sagt er.

Lea Visse, die über den Internationalen Jugendfreiwilligendienst nach Jerusalem reist, kümmert sich um Menschen mit körperlichen Behinderungen. Dazu gehört, sie zum Einkaufen zu begleiten, zu füttern und zu waschen. Ihre Einsatzstelle Ma’on San Simon, in der 17 Menschen betreut werden, liegt in West-Jerusalem. Mit einem Praktikum bei der Lebenshilfe Tostedt bereitet sie sich vor.

Sie freut sich auf jüdische Feste und die palästinensische Küche

Das Faszinierende an der Stadt ist für sie, dass so viele Kulturen und Religionen aufeinander treffen. Allein die Altstadt Jerusalems ist in das jüdische, christliche, armenische und muslimische Viertel gegliedert. Sie freut sich darauf, auf ein jüdisches Fest gehen und palästinensisch kochen zu können. Beide teilen sich eine Wohngemeinschaft mit anderen Freiwilligen, darunter auch weitere junge Menschen aus Deutschland. Unterkunft und Verpflegung sind kostenlos. Damit aber der Aufenthalt, der mehr als 10.000 Euro kostet, finanziert werden kann, müssen Lea und Leander einen Unterstützerkreis aus Sponsoren aufbauen.

Auch wenn Lea Visse im israelischen Teil Jerusalems arbeitet und Leander Löwe im palästinensischen erhoffen sich beide von dem Jahr ganz neue Sichtweisen auf die Konfliktlage im Nahen Osten und wie die Menschen damit umgehen. Mutter Susanne Löwe unterstützt das Vorhaben ihres Sohnes. Gewissermaßen lebt er ihren Traum. Die Religionslehrerin stand vor Jahren zweimal kurz vor einer Reise nach Israel. Doch beide Male wandelte sich das Reiseziel in ein Krisenherd.

Wer spenden möchte, um den Aufenthalt zu ermöglichen, kann sich an Lea Visse (Telefon 04192/292209) und Leander Löwe (Mobil 0157/73021982) wenden