Dierstorf . Tiertrainer Marco Heyse bereitet Hunde, Raben und Co auf Filmeinsätze vor. Derzeit schult er Steinschaf „Gustl“ für den Auftritt in einem Road-Movie

Wenn „Gustl“ seinen Stall verlassen darf, wird das Tiroler Steinschaf plötzlich munter. Der Bock dreht blökend ein paar Runden über den sattgrünen Rasen vor Marco Heyses Haus im Wenzendorfer Wald, um dann seinem Trainer den ein oder anderen Knuff in die Seite zu verpassen. Der Dierstorfer nimmt’s gelassen: Er arbeitet seit einigen Monaten mit dem Charakter-Schaf zusammen und weiß, wie er mit seinem überschwänglichen Temperament umzugehen hat. Marco Heyse bereitet den stattlichen Bock auf seinen bevorstehenden Job als Filmstar vor. „Gustl“ wird in dem Road-Movie „Kleine Ziege, sturer Bock“ als Double eingesetzt - sollte seinem Pendant „Emmy“ am Ende doch das Lampenfieber ereilen.

Allerdings gibt es da noch ein klitzekleines Problem: „Gustl“ hat dunkle Wolle auf dem Pelz, „Emmy“ hingegen ist fast schneeweiß. „Wir hoffen, dass sich das bis zum Dreh noch ein wenig angleicht. Sonst wird mit Farbe nachgeholfen“, unkt Lehrmeister Marco Heyse.

Die beiden Schafe sind eine Leihgabe. Wie viele andere Tiere, die sich auf dem Hof des gebürtigen Gifhorners tummeln. Einige der 50 schnatternden, bellenden, fauchenden und grunzenden Gesellen laufen frei durch die Gegend, andere haben in großangelegten Gehegen ein vorübergehendes Zuhause gefunden. Wieder andere sind nach ihrem Einsatz geblieben und gehören jetzt zum festen „Inventar“: Wie beispielsweise die Wildgänse, die im internationalen Zweiteiler „Nils Holgerssons wunderbare Reise“ nach der Vorlage des Kinderbuch-Klassikers von Selma Lagerlöf mitgespielt haben.

Die Gänseeier wurden in Heyses Filmtierschule ausgebrütet. Nach der Prägung der Küken wählte der Tiertrainer die Hauptdarsteller - Hausgans Martin, seine Angebetete Daunenfein und Leitgans Akka - aus. Für die Rolle des Fuchses „Smirre“ haben Heyse und sein Team drei Fuchsbabys groß gezogen. Und auch die Raben, die die Rolle des „Bataki“ im Film übernahmen, stammen aus Heyses Zucht. Sie mussten für ihren Job lernen, Ziele anzufliegen und geduldig eine Position zu halten.

Eine nicht ganz unproblematische Angelegenheit: „Tiere sind nie ganz berechenbar. Wer mit ihnen arbeitet, darf nicht vergessen, dass es sich im Grunde nach um wildlebende Geschöpfe handelt“, sagt Heyse. Ein Gespür für sie zu entwickeln, Stimmungen erzeugen zu können, die dann am Set auf den Punkt genau abgerufen werden – das alles sei Schwerstarbeit. Doch Heyse ist gut in seinem Job. Er wird immer wieder für Aufträge gebucht, hat jüngst erst den Hund „Timmy“ auf seinen Einsatz im Kinofilm „Fünf Freunde 4“ vorbereitet und mit ihm zahlreiche Stunden am Set in Tunesien verbracht. Der Streifen läuft aktuell noch in einigen Kinos in Deutschland. Seit 15 Jahren richtet Heyse zudem immer wieder Tiere für die Fernseh-Serie „Neues aus Büttenwarder“ ab. „Das ist nicht anspruchsvoll, aber es macht richtig viel Spaß“, sagt Heyse.

Wenn ein Auftrag auf seinem Schreibtisch liegt, liest Marco Heyse das Drehbuch und sucht dann ein geeignetes Tier aus. Manchmal findet er sie beim Einkaufen vor Ort, manchmal in Zoos oder in Zuchtbetrieben. „Spinnen, Schlangen, Kakerlaken – in den vergangenen 20 Jahren war schon alles dabei“, erzählt er. Zu einem der kuriosesten Aufträge zählt Heyse heute die Arbeit mit dem „Hund aus der Elbe“: „Ich musste dem vierbeinigen Darsteller beibringen, an eine Zimmerpflanze zu pinkeln, die dann die Blätter hängen lassen sollte. Ich habe also quasi immer, wenn der Hund musste, die Pflanze mitgeschleppt und dafür das ein oder andere Mal komische Blicke meiner Nachbarn kassiert. Man macht sich in unserem Job eben oft zum Affen“, schmunzelt Heyse.

Die Arbeit mit Menschenaffen und großen Raubtieren wie beispielsweise Bären oder Löwen lehnt der Tiertrainer übrigens kategorisch ab: „Das wäre nicht artgerecht.“

Um sich auf seine Einsätze optimal vorbereiten zu können, ist Marco Heyse mit seiner Familie vor acht Jahren aus Hamburg in den Landkreis Harburg gezogen, hat sich in Wenzendorf/Dierstorf ein abgelegenes Haus auf einem 1,5 Hektar großen Grundstück und zwei Hektar Weideland gekauft. Der studierte Biologe arbeitete zuvor als Hundetrainer. Seine Hundeschule legte auch den Grundstein für die Firma „ABC-Tiertraining“, die Marco Heyse und Matthias Felsch 1999 gemeinsam gründeten

Sie entwickelten Ideen für eine Tierschule mit neuen Haltungs-und Trainingsbedingungen, bei denen die Tiere und vor allem deren Wohlergehen im Vordergrund stehen sollten. Mittlerweile führt Heyse die Firma allein; Felsch arbeitet heute als Polizist in Kiel. „Er hilft aber immer noch gern aus, wenn ich ihn brauche“, sagt Heyse.

Seine rechte Hand im Geschäft ist derzeit Robin Hausberg. Er übernimmt Verantwortung, fährt eigenständig zu Dreharbeiten, bereitet die Tiere auf ihren Einsatz vor. Zum Team gehören außerdem eine Auszubildende und ein Langzeitpraktikant. Heyse selbst würde sich gern künftig mehr aus der Filmarbeit herausziehen. „Ich genieße es, einfach nur über den Hof zu laufen, die vielen Utes (unsere Hühner), das Hausschwein Maiglöckchen und Yvonne das Wildschwein zu füttern“, sagt der Wenzendorfer.

Eine würdige Nachfolgerin habe er aber bereits gefunden, scherzt Heyse. „Meine achtjährige Tochter hat schon angekündigt, dass sie mir noch zwei Jahre gibt. Dann will sie den Hof übernehmen.“

Übrigens: Wer sein Haustier für besonders „filmtauglich“ hält, kann sich – am besten mit Foto -per E-Mail unter mail@animalworks.de an Marco Heyse wenden. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.animalworks.de.