Harburg. Eigentlich hätte das Wohnungsbauprojekt 2013 fertig sein sollen. Doch nach der Insolvenz des Generalunternehmers sorgt jetzt Baupfusch für Verdruss.

Noch größer als bisher bekannt geworden ist der Baupfusch an dem mehr als 70 Millionen Euro teuren Harburger Wohnungsbauprojekt „Marina auf der Schlossinsel“, das ursprünglich als eines der Hamburger Vorzeigeobjekte für die Internationalen Bauausstellung IBA 2013 geplant worden war.

Jetzt haben Prüfer festgestellt, dass nicht nur die Fassaden an den sechs Hauptgebäuden der Wohnanlage schadhaft sind und komplett abgerissen und neu aufgebaut werden müssen. Auch die Fassade des noch etwas exklusiver ausgestatteten Wohnturms mit Namen „Pearl“ weist Baumängel auf, die behoben werden müssen, bevor das Gebäude voraussichtlich Mitte 2016 bezugsfertig wird.

Allein die Baupfusch-Sanierung an den sechs Hauptgebäuden war vergangenes Jahr auf rund sechs Millionen Euro Zusatzkosten geschätzt worden. Nun kommt vermutlich ein weiterer Millionenbetrag für die Sanierung des Wohnturms „Pearl“ hinzu.

Bauinvestor ist das Versicherungsunternehmen Provinzial Rheinland, das die komplette Anlage vom Hamburger Projektentwickler „Lorenz und Partner“ eigentlich schlüsselfertig zur IBA 2013 übernehmen wollte.

Beinahe wäre alles gut gegangen. Die ersten rund 20 Mieter und Käufer von Eigentumswohnungen zogen Ende Dezember 2012 in das zuerst fertiggestellte Haus mit Namen „Beach“ ein.

Dann nahm die Katastrophe Anfang 2013 ihren Lauf. Der vom Projektentwickler als Generalunternehmer beauftragte österreichisch-spanische Baukonzern Alpine meldete Insolvenz an, als die insgesamt 162 Wohnungen und 200 Tiefgaragen-Stellplätze zählende „Marina auf der Schlossinsel“ bereits zu 80 Prozent fertiggestellt war.

Etwa ein halbes Jahr ruhte die Baustelle, bis die Provinzial im Insolvenzverfahren alle Vorkehrungen treffen konnte, die Fertigstellung der Anlage organisatorisch selbst in die Hand nehmen zu können. Als dann Anfang 2014 die Arbeiten fortgesetzt wurden, stellten die neu eingesetzten Baufirmen den Pfusch an den bereits fertig gedämmten und verklinkerten Fassaden fest – eine Fläche von gut 10000 Quadratmetern.

So waren die 20 bis 28 Zentimeter dicken Styropor-Dämmplatten mit zu wenig Klebstoff auf den tragenden Betonwänden des Rohbaus angebracht worden. Auch waren die Platten entgegen aller Bauvorschriften nur mit drei bis vier statt der vorgeschriebenen sechs Dübel im Beton verschraubt.

An allen sechs Gebäuden sowie dem Wohnturm stehen nun Gerüste. Die zuvor bereits angelegte Gartenanlage musste wegen der Fassadensanierung wieder entfernt werden.

Bauingenieurin Heike Bals vom beauftragten Projektsteuerungsunternehmen Du Diederichs sowie Bauingenieur und Bauleiter Dimitrij Gerdt vom Ingenieurbüro „HW-Ingenieure“ zeigen sich mit dem bisherigen Verlauf der Sanierungsarbeiten zufrieden.

Vergangenen September war mit den Arbeiten an zwei der sechs Häuser begonnen worden. Von Januar bis Ende März war Winterpause. Jetzt werden die Arbeiten fortgesetzt. Die Fassaden der ersten beiden Häuser sind bereits komplett neu gedämmt.

Auch die neuen Klinker-Riemchen sind schon fast vollständig aufgeklebt. An den vier Nachbargebäuden beginnt zurzeit der Abriss der Pfusch-Fassaden. Alles Altmaterial wird auf dem Gelände sortenrein für Material-Recycling getrennt.

„Wir rechnen damit, dass die neuen Fassaden dieser Gebäude im September oder Oktober fertiggestellt sein werden“, sagt Heike Bals. Und Bauleiter Dimitrij Gerdt geht davon aus, dass der Turm Pearl von Mitte Mai bis Dezember in Arbeit sein wird.

Ursprünglich galt der Turmbau, dessen Form dem früher an der Stelle stehenden Getreidespeicher des Harburger Umschlagbetriebs Hansen nachempfunden worden ist, als bautechnisch makellos. Bei diesem Gebäude werden nämlich keine Klinker-Riemchen auf die Dämmung geklebt.

„Pearl“ hat ein richtiges Mauerwerk vor die Dämmung gesetzt bekommen. Dämmung und Mauerwerk sind über Metallanker mit den tragenden Betonwänden des Rohbaus verbunden. Doch auch in diesem Fall ist bei den Verbindungen gepfuscht worden.

Heike Bals: „Einige Schwachstellen sind von Bauprüfern erkannt und protokolliert worden. In mehreren Bereichen muss das Mauerwerk geöffnet, neu verankert und wieder geschlossen werden.“ Die Pearl-Fassade erhält sandfarbenen Muschelkalk-Putz.

Martina Hankammer, Sprecherin der Provinzial Rheinland Lebensversicherung. „Qualität hat Vorrang vor dem Zeitplan. Wir legen an die Qualität der hochwertigen Wohnanlage auch hohe Maßstäbe an.

Die Vermarktung der Wohnungen durch Engel & Völkers wird in Kürze wieder aufgenommen. Trotz der starken Nachfrage und der zahlreichen Reservierungen möchten wir uns hier die Zeit nehmen, die ein solch anspruchsvolles Quartier erfordert.“