Ohne Sprache gibt es keine echte Chance für Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen und die mutmaßlich über Jahre hier bleiben werden. In Stelle haben die ersten ihren Sprachkursus geschafft.
Stelle. Es gab Frühlingsblümchen und alkoholfreien Sekt für alle. Das war die Belohnung für 16 Flüchtlinge, die gestern im Gemeindehaus der St. Michael Kirche in Stelle nach dem erfolgreichem Abschluss des Willkommenskursus eine Urkunde für ihren Fleiß überreicht bekamen.
Doch lange wurde nicht gefeiert, nach dem kleinen Festakt ging es gleich wieder ans Lernen. Im Willkommenskursus geht es vor allem darum, den Flüchtlingen, die aus Syrien, Palästina, Pakistan, Liberia, Marokko und Eritrea kommen, Deutsch für den Alltagsgebrauch beizubringen.
Dreimal die Woche müssen sie den Kurs besuchen, dann büffeln sie jeweils vier Stunden lang die Sprache ihres Gastlandes. Neun ehrenamtliche Helfer kümmern sich an fünf Tagen in der Woche im Gemeindehaus der Kirche um die Betreuung der Flüchtlinge und helfen ihnen dabei, sich in ihrer neuen Heimat zurecht zu finden.
Je nach Sprachvermögen und -gefühl sind die Kursteilnehmer in drei Gruppen eingeteilt. Die größte ist die mit den Anfängern. Elf junge Männer sitzen in einem Gruppenraum ein einem langen Tisch und üben gemeinsam mit Jens Koch, wie man sich selbst vorstellt.
Der ehemalige Lehrer hat Kärtchen verteilt, auf denen jeder kurz seinen Namen, sein Heimatland und seine Sprachkenntnisse notieren soll. Anschließend muss jeder die Stichworte in Sätze umwandeln.
Gar nicht so einfach, aber die Schülern geben ihr bestes. Nicht alle sind auf dem gleichen Kenntnisstand – ein Problem, mit dem die ehrenamtlichen Lehrer immer wieder zu tun haben, denn die Fluktuation in dem Kurs ist hoch und die Motivation sehr unterschiedlich. „Zum einen müssen Teilnehmer gehen, weil ihr Asylantrag abgelehnt wird.
Dann gibt es auch welche, die nur ab und zu kommen, die haben natürlich nicht so viele Erfolgserlebnisse“, berichtet Inge Wenk-Burmester, die sich seit dem vergangenen Sommer als ehrenamtlichen Deutschlehrerin einbringt.
Die Stimmung unter den Männern zwischen 19 und 50 Jahren ist locker entspannt, trotz des gar nicht so leichten Stoffs und der Sprache, die so ganz anders klingt, als das, was sie kennen. Es muss sich für ihre Ohren sehr merkwürdig und wahrscheinlich auch ein bisschen komisch anhören, wie man in ihrem Gastland spricht.
Jens Koch redet konsequent nur Deutsch, wer etwas nicht versteht, lässt sich die Fragen des Lehrers von einem Landsmann aus der Runde übersetzen. So ganz genau nimmt er es mit der Grammatik noch nicht, ihm ist wichtig, dass seine Schützlinge Sätze für Gespräche im Alltag einigermaßen formulieren können.
Leichter ist es für diejenigen, die nicht nur ihre Muttersprache sprechen. „Viele haben auf der Flucht schon eine Zweitsprache wie Arabisch, Englisch oder Italienisch gelernt, das hilft sehr“, sagt Inge Wenk-Burmester, die weiß, dass die komplizierte deutsche Grammatik ein harter Brocken für viele ist. Ganz schwierig ist es für die, die weder schreiben noch lesen können. Um sie bei der Stange zu halten, will die ehrenamtliche Lehrerin Einzelunterricht anbieten.
Die höhere Kunst lernen die fünf Männer, die einen Raum weiter sitzen. Auch hier ist die Stimmung entspannt, als Nervenbalsam liegt eine Tüte Gummibärchen auf dem Tisch. Hier geht es in Sachen Deutsch schon ganz gut zur Sache.
Gemeinsam mit Gerhild und Hans Berella brüten die Schüler über dem Lehrbuch der Kreisvolkshochschule und versuchen den Imperativ zu verstehen: „Fahr langsam und fahrt langsam“, löst einer von ihnen die Aufgabe. Für Heiterkeit sorgt der trockene Kommentar von Hans Berella: „Und in Deutschland sagen dann viele noch ‚du Idiot‘ hinterher.“
Die ehrenamtlichen Helfer in Stelle suchen noch Unterstützer, vor allem pensionierte Lehrer, für den Deutschunterricht. Wer die Helfergruppe verstärken möchte, kann sich bei Jens Koch melden unter der Nummer 0157/31 78 44 59.