120 Frauen und Männer engagieren in ihrer Freizeit im Buchholzer Bündnis für Flüchtlinge. Neue Unterkunft für 90 Bewohner nimmt an der Bremer Straße den Betrieb auf. Bald leben 300 Flüchtlinge in Buchholz

Holm-Seppensen. Jede Woche kommen 40 Flüchtlinge zusätzlich in den Landkreis Harburg. In der Stadt Buchholz entsteht zurzeit an der Bremer Straße eine Container-Unterkunft für 90 Flüchtlinge, die in dieser Woche in Betrieb gehen wird. Damit werden in Kürze 300 Flüchtlinge in der Stadt mit etwa 40.000 Einwohnern leben. Die meisten stammen aus Syrien und Afghanistan. Das berichtete Ute Schui-Eberhart, Koordinatorin des Buchholzer Bündnisses für Flüchtlinge, am Wochenende im Kulturbahnhof Holm-Seppensen. 40 Besucher wollten hören, wie sich die Flüchtlingskrise auf ihre Stadt auswirkt.

Bei Einheimischen wecken die Menschen aus den Krisengebieten eine Lust am Helfen. 120 Frauen und Menschen engagieren sich inzwischen in dem Buchholzer Bündnis für Flüchtlinge. Sie bringen den Flüchtlingen Deutsch bei, dolmetschen bei Behörden und Ärzten oder setzen gemeinsam alte Fahrräder instand. Das sei nicht immer so gewesen. Ute Schui-Eberhart erinnert daran, dass vor 25 Jahren Bürger die Schützenhalle in Buchholz bewacht haben, um dort untergebrachte Flüchtlinge vor Übergriffen zu schützen. Die Akzeptanz sei damals nicht so groß gewesen, sagt die frühere Flüchtlingsberaterin beim Diakonischen Werk.

“Buchholz ist heute für Ausländer ein Paradies”, bestätigt Rajesh Kapoor den Eindruck, dass in Buchholz eine Willkommenskultur verbreitet ist. Der Afghane lebt seit 18 Jahren in der kleinen Stadt in der Nordheide. Damals hieß es beim Sozialamt, er solle wieder ins ein Land zurückkehren. Rajesh Kapoor suchte sich stattdessen einen Job bei Mc Donalds - und ist noch heute dort beschäftigt. In seinem Heimatland sei er Fotograf und Verkäufer gewesen. Vor 20 Jahren ist der Afghane unter abenteuerlichen Umständen, im Lkw unter Obstkisten versteckt, aus seinem Heimatland geflüchtet. Seine Tochter macht heute eine Ausbildung zur Arzthelferin, sein Sohn besucht die Realschule.

Paradiesisch sind die Lebensumstände für Flüchtlinge in Buchholz nicht. In einem Wohncontainer leben sechs Menschen in drei Doppelzimmern. Bett, Tisch, Tisch und Stuhl - mit diesem Mobiliar muss jeder auskommen. Nur wenige Flüchtlinge in Buchholz leben in Wohnungen. Die Chance, eine bezahlbare Wohnung zu finden, sei schlecht. Die Stadt habe es sträflich vernachlässigt, den Bau von preisgünstigen Wohnungen zu fördern, sagt Ute Schui-Eberhart. Einheimische und neue Einwohner seien davon betroffen.

Die Behauptung, Flüchtlinge würden von vornherein am liebsten nach Deutschland gelangen, können weder Rajesh Kapoor noch Wafaa Chbarou bestätigen. Die Libanesin wollte vor 27 Jahren einfach nur weg aus dem vom Krieg zerstörten Land - egal wohin. Der Afghane wollte ursprünglich nach Frankreich, weil er die Sprache spreche. Seine Schwester lebt bereits in Deutschland, das sei der Hauptgrund für ihn gewesen. Schweden gelte als beliebtes Land bei Flüchtlingen, sagen beide.

Sammelunterkünfte mit hundert und mehr Bewohnern wie im benachbarten Hamburg gibt es in Buchholz nicht. Mit der neuen Unterkunft an der Bremer Straße für 90 Flüchtlinge erreicht die Stadt erstmals eine ähnliche Dimension. Bisher leben in der städtischen Unterkunft an der Bremer Straße 72 insgesamt 20 Flüchtlinge. Am Fischbüttenweg betreibt der private Dienstleister Human Care eine Unterkunft.

Die Diakonie unterhält mehrere Kleinunterkünfte in einem Privathaus in der Buchholzer Landstraße in Holm-Seppensen, im Ahornweg in Seppensen, in der Bahnhofstraße in Sprötze und in einer Pension in Suerhop. Das Ferienheim Heideruh gilt bei den Flüchtlingen als beliebte Unterkunft.

Bisher sind es überwiegend Männer, die in Buchholz als Flüchtlinge leben. Den Grund dafür erklärt die strapazenreiche Flucht des Afghanen Burhanuddin Ashrafi, der seit mehr als einem Jahr in Buchholz. Über den Iran, Mazedonien, Ungarn, und Österreich sei er nach Deutschland gelangt, berichtet er. Sechs Monate sei er unterwegs gewesen. In einer Flüchtlingsunterkunft in Ungarn eingesperrt und bei nur zwei Scheiben Toastbrot am Tag.

Kommen die Frauen und Kinder nach, müssen die Schulen im Landkreis Harburg Antworten finden, wie Flüchtlingskinder in den Unterricht zu integrieren sind. Eine Lehrerin an den Berufsbildenden Schulen in Buchholz berichtet, dass sie in dieser Woche ein Mädchen in die Klasse aufnehme, das kein Deutsch spreche. “Ich habe selbstverständlich mit meinen Schülern darüber gesprochen”, sagt sie.