Die Idee für die Spaziergänge kam auf einem Treffen von Harburgern, die sich ansonsten hauptsächlich über eine Facebook-Gruppe kannten und beratschlagen wollten, wie sie den Flüchtlingen in Harburg helfen können.
Harburg. Die Arabisch-Übersetzerin ist nicht gekommen Das ist ärgerlich. Charlotte Clausen und Doris Wache müssen etwas organisieren. Es ist 14.30 Uhr. Gleich soll der Spaziergang mit den Flüchtlingen aus dem Erstaufnahmelager auf dem Schwarzenberg losgehen. Kasim spricht gut Englisch und kann in Farsi übersetzen.
Er bietet sich an, ins Lager zu gehen und zumindest den Afghanen Bescheid zu sagen, dass es losgeht. Sein Vater muss ihn begleiten, denn Kasim ist blind. Doris Wache und Charlotte Clausen dürfen nicht mit ins Flüchtlingsdorf. Erst ab 15 Uhr sind Besucher zugelassen.
Etwas später sind 20 Flüchtlinge versammelt. Sie kommen aus Afghanistan und dem Iran. Thema des Spaziergangs sind diesmal Spielgelegenheiten für Kinder. Einige Familien mit Kindern sind auch mitgekommen, aber ebenfalls viele Flüchtlinge ohne Kinder. Abwechslung tut gut. In der Erstaufnahme selbst kann man nicht viel unternehmen.
Die Idee für die Spaziergänge kam auf einem Treffen von Harburgern, die sich ansonsten hauptsächlich über die Facebook-Gruppe „Harburger helfen Flüchtlingen“ kannten und beratschlagen wollten, wie sie den Flüchtlingen in Harburg tatsächlich helfen können. „Zu diesem Treffen kam auch eine Bewohnerin vom Schwarzenberg“, sagt Charlotte Clausen. „Sie berichtete, wie die Flüchtlinge auf dem Schwarzenberg leben und welche Angebote es für sie gibt, beziehungsweise nicht gibt.“
Einer der Gedanken, die dabei aufkamen war, den Flüchtlingen zu helfen, sich in Harburg zu orientieren. Das kann die Unterkunft nicht leisten, sie hat mit ihrer eigentlichen Aufgabe, der Unterbringung der Flüchtlinge, genug zu tun. Schon in der vergangenen Woche fand ein Spaziergang statt, bei dem die Helfer den Flüchtlingen unter anderem die TU-Bibliothek und den mit orientalischen Waren breit sortierten Supermarkt in der Seeve-Passage zeigten.
Diesmal geht es um Spielplätze und kulturelle Angebote für Kinder. Mit Bedauern stellen Helfer und Flüchtlinge im Vorbeispazieren fest, dass der große Spielplatz am Fuß des Schwarzenbergs derzeit saniert wird. Er ist - das sieht man - fast fertig und wird reichlich nagelneue Spielgelegenheiten bieten, aber noch ist er eingezäunt. Erst in zwei Wochen will das Bezirksamt ihn wieder freigeben. Es geht weiter in Richtung Heimfeld. Ziel ist der Spielplatz bei der Schule Grumbrechtstraße.
Einen kleineren Spielplatz mit ein paar Rutschen gibt es allerdings schon auf dem Weg, zwischen den Mietshäusern. Die Kinder in der Gruppe sind gleich mit Begeisterung dabei, den Hang hochzulaufen. Nur der kleine Lakshi traut sich noch nicht, alleine durch die Röhre zu rutschen. Vater Tirlok soll mitkommen. Er muss seinem Sohn am Hang auch etwas helfen: Lakshi humpelt leicht. Tirlok hofft deshalb auch, dass er für ihn demnächst eine Karre findet.
Doris Wache ist schon seit drei Monaten in der Gruppe der Helferinnen und Helfer engagiert: „Es fing damit an, dass ich über Facebook mitbekam, dass an der ZEA bei der Post ein Willkommensfest organisiert wurde. Ich beteiligte mich an der Vorbereitung und half unter anderem, die Plakate zu entwerfen“, sagt die Designerin. „Seitdem bin ich dabei.“
Doris Wache ist nicht nur bei den Spaziergängen beteiligt. Sie und andere Mitglieder der Gruppe sammeln auch Kleiderspenden für die Flüchtlinge. „Die Kleiderkammer auf dem Schwarzenberg ist erst seit kurzem in Betrieb und hat zwar Kleider, ist personell aber anscheinend nicht in der Lage, sie so zügig zu verteilen, wie es jetzt kälter wird“, sagt Wache. Vor allem feste Schuhe würden den Bewohnern fehlen.
Ein Mitglied der Gruppe rief zu Spenden auf – und wurde überwältigt: Die gesamte Belegschaft der „Deutsche Extrakt-Kaffee“-Fabrik an den Elbbrücken durchflöhte ihre Schuhschränke. „Über 400 Paar Schuhe sind zusammengekommen. Wir bringen sie demnächst am Schwarzenberg vorbei. Was auch dringend benötigt wird, sind warme Jacken“, sagt Doris Wache. Man sieht es: Nicht wenige Spaziergangsteilnehmer sind im T-Shirt unterwegs.
An der Grumbrechtstraße gibt es alles, was das Kinderherz begehrt Eine Drehscheibe, Schaukeln, Sand zum Wühlen. Das bringt selbst in alten Männern das Kind zu Vorschein: Kasims Vater setzt sich zu einem der ganz kleinen Mitspazierer auf die Vogelnestschaukel, legt sich den Krückstock auf den Schoß, streckt die Beine aus und setzt die Schaukel in Bewegung. Der Kleine und er lachen um die Wette. Am Anfang des Spaziergangs hatte der Mann noch sehr ernst gewirkt.
Nach dem Spielplatz geht es zu „Alles wird schön“. Die Heimfelder Kultur-Initiative bereitet gerade Mal- und Bastelkurse für die Flüchtlingskinder vor. In ein paar Wochen kann es losgehen.
Auch für die Freizeitgestaltung älterer Flüchtlinge engagieren sich Aktive aus der 200 Mitglieder starken Facebook-Gruppe. Sie sind in Kontakt mit Schulen, Sportvereinen und Bezirksamt, was betreute Sportangebote oder wenigstens die Nutzung von Sportplätzen angeht.
Der Termin für den nächsten Spaziergang steht noch nicht fest. Er wird aber auf alle Fälle in der nächsten Woche stattfinden.