Am 8. November ist Harburger Kulturtag. Das Abendblatt stellt in einer umfangreichen Serie alle Beteiligten vor. Heute: Anke de Vries und Marion Göhring vom Künstlerverein KOBALT
Harburg „Schauen Sie, sogar in den Bäumen gibt es überall kleine Kunstwerke zu entdecken“, sagt Anke de Vries und zeigt auf einen bunten Vogel, den sie auf eine schmale Holzplatte gemalt und anschließend an einen von Efeu umrankten Baum genagelt hat. Langsam bahnen wir uns den Weg durch ihren wild zugewachsenen Garten. Er mutet fast wie ein kleiner Urwald an. „Ein begrenzter Urwald, sage ich immer“, grinst Anke de Vries. Ganz am Ende, vorbei an Gemüsebeeten, Bäumen und Kunst, befindet sich das Atelier der Harburger Künstlerin – ein lichtdurchflutetes Gartenhäuschen, das voll ist mit Pinseln, Farbdosen und Leinwänden. Diesen von Kreativität erfüllten Ort zu entdecken, darauf dürfen sich die Besucher des Harburger Kulturtags am 8. November freuen.
Anke de Vries ist Gründerin des Vereins KOBALT – Kunst international e.V., der sich aus zwölf bildenden Künstlern, Fotografen und Musikern zusammensetzt und seit 2001 kulturübergreifende Kunstprojekte organisiert. Erstmals wird KOBALT sich in diesem Jahr im Rahmen des Kulturtags präsentieren. „Wir haben den Kulturtag über die Jahre hinweg aufmerksam beobachtet und ich finde, insgesamt ist das eine bunte Mischung, die Harburg gut repräsentiert, weil sie von bildender Kunst über Handwerkliches bis hin zur Harburger Geschichte reicht“, so Anke de Vries. „An dem Tag herrscht in Harburg immer eine besondere Stimmung, deswegen wollten wir in diesem Jahr selbst gerne dabei sein.“
Mit „wir“ meint sie sich selbst und die befreundete Künstlerin Marion Göhring, mit der zusammen Anke de Vries in ihrem Atelier unter dem Motto „pas double“ ausstellt. „Bei KOBALT laden wir oft Gäste ein“, so Anke de Vries. „Und in diesem Fall ist das eben Marion, mit der ich schon zuvor zusammen ausgestellt habe.“ Kein Zufall, denn die beiden Frauen haben eine gemeinsame Leidenschaft: Das Sammeln. „Im Grunde sind wir Messies!“, lacht Anke de Vries. „Zivilisierte Messies.“ Zum Teil obskure Fundstücke, die anderen vielleicht nie ins Auge fallen würden, verarbeiten sie in Bildern und Objekten, die Anke de Vries als Montagen bezeichnet.
Die Sammelleidenschaft von Marion Göhring begann vor etwa zehn Jahren. Lange hat sie ihre Kunstwerke nur für sich selbst gemacht, bevor Anke de Vries sie zu Gesicht bekam und so begeistert war, dass sie Marion Göhring ermutigte, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. „Mein Material sind angeschwemmte Dinge, die mir vor die Füße fallen, vorzugsweise an der Elbe“, sagt sie. „Ich finde diese Dinge, schaue sie an und sie erzählen mir eine Geschichte, die ich dann in meinen Arbeiten darzustellen versuche.“
Die Bilder und Objekte entstehen also um den Gegenstand herum. So wird aus einem Stück Holz plötzlich ein Auge. Für ein anderes Werk, das Marion Göhring in Anlehnung an den Coffee to go „Art to go“ getauft hat, hat sie kleine Steine und ein Metallstück in einem Einmachglas aufgetürmt. „Der katalanische Architekt Antoni Gaudí hat mal gesagt: ‚wir müssen keine Formen erfinden, wir müssen nur hinschauen, sie sind alle schon da’, sagt Marion Göhring. „Das ist mein Ansatz. Ich will die Leute mit dieser Art der Arbeit dazu bringen, sich unscheinbare Dinge vielleicht mal genauer anzugucken.“
Anke de Vries derweil, die bereits seit den Siebzigern als Künstlerin arbeitet und mit KOBALT über die Jahre auch viel im Ausland aktiv war, bringt häufig Gegenstände von ihren Reisen mit. „Für mich ersetzt das die Fotografie“, sagt sie. „Ich mache keine Fotos, stattdessen sammle ich Sachen, aus denen ich dann meine Erinnerungsbilder mache.“ Aus Armenien zum Beispiel habe sie Steine mitgebracht, aus Kenia Tierknochen. „Am Zoll hat das schon für interessante Situationen gesorgt“, sagt sie. Auch Federn, Muscheln, Tongegenstände tauchen in ihren Arbeiten auf. Verrostete Nägel, alte Familienfotos oder Besteck – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Auch wenn die Dempfwolffstraße beim Kulturtag etwas ab vom Schuss liegt, ein Besuch bei Anke de Vries und Marion Göhring lohnt in jedem Fall. „Nicht nur wegen den einzelnen Arbeiten, sondern auch wegen dem Gesamtkunstwerk“, findet Marion Göhring. „Alleine der Weg in Ankes Atelier ist wahnsinnig inspirierend. Dieser Ort hier ist einfach etwas Besonderes.“ Allerdings.
Harburger Kulturtag am 8. November 2014: KOBALT – Kunst international e.V., „pas double“, Dempwolffstraße 24, 12 bis 20 Uhr. www.deVries-Stenzel.de