Der Landkreis Harburg äußerst heftige Kritik am Land Niedersachsen. Die von dort zugesagte finanzielle Hilfe für die Betreuung der Flüchtlinge reiche nicht aus, heißt es aus Kreisen der Verwaltung.
Winsen/Salzhausen. Der Landkreis Harburg hat am Dienstagabend in Salzhausen eine neue Unterkunft für Flüchtlinge vorgestellt. 80 Bürger kamen, um sich zu informieren. Der Allgemeine Fahrrad-Club (ADFC) hält bereits gespendete Räder bereit, obwohl die ersten Asylbewerber erst in der kommenden Woche erwartet werden. Rede und Antwort stand auch Kreis-Sozialdezernent Reiner Kaminski, der schon am kommenden Dienstag den nächsten Informationstermin in Jesteburg hat. Auch dort sollen zunächst 30 und dann weitere 20 Flüchtlinge untergebracht werden. Das Abendblatt sprach mit Kaminski über Willkommenskultur, die Vorgaben des Landes und größere Unterkünfte.
Hamburger Abendblatt: Wie lautet die meist gestellte Frage bei den Informationsabenden?
Reiner Kaminski: Zumeist wollen die Anwohner wissen, woher die Flüchtlinge kommen und ob Familien oder einzelne Personen zu erwarten sind. Dahinter steckt die Absicht, sich auf die Menschen aus Syrien, Eritrea, Somalia oder dem Sudan einzustellen, die derzeit vor allem kommen. Wir werten dies als positiven Trend.
Nicht so positiv scheint die Zusammenarbeit mit dem Land?
Kaminski: Das Land hat uns mitgeteilt, dass es jetzt eine strikte Zuweisung geben wird. Wöchentlich 35 bis 38 Flüchtlinge statt bisher 20. Das ist eine extreme Zahl und die Auswahl nach Nationalitäten ist nicht mehr möglich. Fünf bis sieben Tage im Voraus erhalten wir eine Mail mit den Zuweisungsbescheiden, Namen, Nationalitäten und Religionen der Menschen. Dann müssen wir Plätze bereit halten. Mit dieser Praxis kann man nicht zufrieden sein.
Wie teuer wird die Unterbringung für den Kreis?
Kaminski: Pro Kopf zahlt das Land 5932 Euro pro Jahr oder 494 Euro pro Monat. Rund 350 Euro ist der Regelsatz für einen Erwachsenen im Monat. Der Rest Pauschale reicht für die Unterbringung oder die medizinische Versorgung der Flüchtlinge nicht aus. Zudem wird die Zahl der Köpfe nach den Durchschnittswerten von 2011 und 2012 berechnet, als wir nur 100 Flüchtlinge pro Jahr aufgenommen haben. Sie stimmen aber heute längst nicht mehr mit der Zahl der Zuweisungen überein.
Ergebnis?
Kaminski: Wir erwarten für 2014 Defizit von zehn Millionen Euro, wenn es bei knapp 40 Flüchtlingen pro Woche bleibt. Den Kosten von zwölf Millionen Euro stehen Zuweisungen von zwei Millionen Euro vom Land gegenüber.
In Harburg stehen schon Zelte für Flüchtlinge. Steht das auch im Kreis bevor?
Kaminski: In jedem Fall wird es nicht bei der Größe von 58 Flüchtlingen pro Standort bleiben. Bei Unterkünften mit bis zu 120 Menschen wird künftig ein Heimleiter rund um die Uhr benötigt sowie zwei statt bisher eine Halbtagsstelle für Sozialarbeiter benötigt. Unterkünfte in Zelten, Turnhallen oder Sälen von Gasthöfen kann ich für dieses Jahr nicht mehr ausschließen. Wir arbeiten im Hintergrund bereits daran, wie sich dies im Notfall umsetzen lässt.
Wird sich das Leben im Kreis mit den Flüchtlingen verändern?
Kaminski: Wir haben derzeit 1000 Flüchtlinge untergebracht. Ende 2015 werden es 3000 sein. Die großen Unterkünfte werden in den Orten zu spüren sein. Die kulturelle Vielfalt wird zunehmen etwa durch die internationalen Cafés. Sie werden schon heute als Treffpunkte für Kontakte geschätzt.
Mit einem Abflauen der Flüchtlingswelle ist auf absehbare Zeit nicht zu rechnen. Deshalb wird es künftig auch darauf ankommen, den Menschen sinnvolle Tätigkeiten zu vermitteln. Greift das mit dem Herbergverein ausgearbeitete Modell?
Kaminski: Da gibt es von den beteiligten Einrichtungen positive Rückmeldungen. Seit April haben bereits rund 140 Asylbewerber gemeinnützige Aufgaben übernommen und sind damit zufrieden.