Umland-Lust – Rund um Hamburg auf Entdeckungstour. Heute: das Kehdinger Land, Heimat von Kormoran und Austernfischer

In dieser Landschaft der weiten Horizonte zwischen Watt und Wiesen schwärmen nicht nur Tausende Vögel, sondern auch Naturfreunde. Austernfischer und Wachtelkönig, Silber- und Graureiher, Gänse und Kormorane, der majestätische Seeadler oder der winzige Wiesenpieper stehen auf der ornithologische Gästeliste an der Ostemündung mit ihrer einzigartigen Naturlandschaft. Zudem sind Leuchtfeuer und Riesenpötte oder das gewaltige Ostesperrwerk zu bestaunen. Und ein Besuch im Natureum vermittelt Wissenswertes über den Lebensraum Küste.

Das rund 160 Hektar große Naturschutzgebiet rund um die Mündung der Oste in die Elbe bietet mit seinen Watt- und Wasserflächen sowie den von Ebbe und Flut beeinflussten Wiesen im Deichvorland einen wichtigen Lebensraum für Wat- und Wasservögel. In diesem, 1975 unter Naturschutz gestellten Biotop rasten und brüten zahlreiche Arten, weil sie ideale Nahrungsvoraussetzungen und Schutzzonen finden.

Naturfreunde, die hier auf den vorgegebenen Pfaden mit dem Fernglas auf Entdeckung gehen, können Kiebitze, Kampfläufer, Rotschenkel oder Uferschnepfen so nah, wie sonst nirgendwo erleben. Im Herbst versammeln sich Abertausende Zugvögel zum Rasten im Außendeichgelände zwischen Balje und Hörne,sowie am zum Landkreis Cuxhaven gehörenden Osteufer. Das weitläufige Naturschutzgebiet ist Bestandteil des Flora-Fauna-Habitats und des EU-Vogelschutzgebietes „Unterelbe“.

Wer die faszinierende Natur in allen Facetten erleben möchte, sollte sie keinesfalls stören. Deshalb haben die Naturschutzbehörden der Landkreise Stade und Cuxhaven sowie der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWK) klare Schutzvorgaben. Wanderer und Radfahrer sollen sich nur auf Hunde sind unbedingt an der Leine zu führen. Wer von Hamburg den kürzesten Weg wählt, setzt von Glückstadt mit der Autofähre nach Wischhafen über. Etwa 20 Kilometer sind dann auf der Landesstraße 111 bis Balje, in den nördlichsten Teil Kehdingens zu fahren.

Das Auto kann man in Balje, Ortsteil Hörne, stehen lassen. Fährt man die Gellertstraße bis zum Zugang zu den beiden Leuchttürmen, findet man Parkplätze direkt vor dem Elbdeich. Ob auf mitgebrachten Fahrrädern oder zu Fuß, kann die knapp fünf Kilometer lange Tour entlang des Elbdeiches bis zur Ostemündung beginnen.

Von der Deichkrone aus, blickt man auf den historischen Baljer Leuchttum von 1903, der heute als maritimes Baudenkmal im Sommer zu besichtigen ist. Das 19,85 Meter hohe Leit- und Quermarkenfeuer wies von 1904 bis 1977 Schiffen den Weg. Schlank, 56 Meter hoch, steht davor das moderne, rot-weiße Baljer Oberfeuer, das seit 1980 in Betrieb ist. Auf Schleswig-Holsteins Uferseite sind die Stahlkonstruktion der Brunsbütteler Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal, Industrieanlagen und Kraftwerke zu sehen. Auf der Elbe begegnen sich Containerschiffe, ein Luxusliner, Segler und Sportboote.

Leiser ist das heimliche Treiben in den Wiesen und an den kleinen Brackwassertümpeln zwischen Deich und Elbe. Ein Falke hält im Rüttelflug nach Beute Ausschau, ein Kornweihenpaar kreist über den Weideflächen und der Seeadler jagt unermüdlich am Schilfgürtel des Elbufers. Ein winziger Wiesenpieper sitzt bestens getarnt im dornigen Hauhechelteppich, der sich zartlila am Deichfuß ausbreitet.

Ein idealer Ausblick auf das Außendeichgelände, das Osteriff und die Mündung des 153 Kilometer langen Flusses bietet sich vom Rastplatz vor der unübersehbaren Schleusenstation direkt auf dem Deich. Wer hier mit etwas Geduld verweilt, kann Grau- und Silberreiher, Rehe und Füchse, Gänse und den Seeadler beobachten. Am Osteriff gegenüber, den Salzwiesenstreifen und Brackwasserwatten sind Austernfischer, Kiebitze, Brachvögel, Goldregenpfeifer, Nonnengänse und Pfeifenten aus nächster Nähe zu sehen. Auf der Sandbank am Osteriff rasten bei Niedrigwasser sogar Seehunde.

Wer sich über die große Vielfalt der Tier und Pflanzenwelt und alle maritimen Besonderheiten näher informieren möchte, erfährt bei einem Besuch im Natureum Niederelbe, Neuenhof 8, das sich gegenüber dieses Rastplatzes befindet, alles Wissenswerte über den geschützten Lebensraum.

„Besonders für Familien mit Kindern ist das Natureum ein lohnenswertes Ausflugsziel“, sagt Edgar Goedecke, Bürgermeister der Samtgemeinde Nordkehdingen. „Von einem getarnten Beobachtungsplatz aus gibt es einen weiten Blick über das Vogelschutzgebiet Hullen und das Ostewatt, in dem die typischen Brut- und Rastvögel unserer Region eindrucksvoll erlebbar sind.“

Auch Gisela Pernitz aus Oldendorf zückt immer wieder ihre Kamera. „So viel Natur so nah, ist rundum interessant für mich“, sagt die Rentnerin. „Ich habe so viel Faszinierendes entdeckt, dass wir mit unseren Enkelkindern am Wochenende eine Tour zum Natureum planen.“

Da sei für die vier Enkel zwischen vier und zehn Jahren alles altersgerecht erklärt und abwechslungsreich gezeigt, so Pernitz. „Dazu geben die unterschiedlichen Mitmachstationen Impulse, ein echtes Gefühl für die Natur zu entwickeln. Ob Vogelstimmen zuordnen, Ziegen streicheln oder die Zwergotter im Mini-Zoo beobachten, alles das ist sogar für uns Erwachsene noch sehr spannend.“

Vom Turm des Natureums aus ist ein weiter Ausblick auf die Elbmündung ein besonderes Erlebnis. In der Turm-Galerie sind regelmäßig Kunst- und Fotoausstellungen. Zudem wechseln interessante Themen-Ausstellungen. Noch bis 2. November geht es um das „Bedrohte Paradies“ und das Leben im Regenwald.

Wer auf dieser Erlebnistour hungrig geworden ist, kann sich im Natureum stärken, bevor es auf den Rückweg geht. Ein imposantes Bauwerk, unmittelbar am Natureum und dessen kostenlosem Parkplatz, ist das Oste-Sperrwerk, das von 1964 bis 1968 nach einer „Jahrhundert-Sturmflut“ an Elbe und Oste errichtet wurde.

Übrigens: Wer den Fußmarsch von Balje verkürzen will, kann sein Auto auch hier abstellen und zum Außendeich wandern.

„Wir bieten auch von Fachleuten geführte Naturexkursionen an“, sagt Karin Mietzner vom Touristikverein Kehdingen. „Bei Touren mit dem Vogelkieker-Bus oder dem Tidenkieker können Besucher Flora und Fauna Kehdingens hautnah erleben. Nächster Höhepunkt sind am 18. und 19. Oktober unsere Wildganstage“, so Karin Mietzner.