Umland-Lust – rund um Hamburg auf Entdeckungstour. Diesmal fahren wir für Sie mit dem Fahrrad dorthin, wo das Herz der Hansestadt schlägt, in den Hafen. Und da gibt es eine ganze Menge zu entdecken.
Eines vorweg: Dies wird keine überwiegend idyllische Radtour – obwohl die Route manche Überraschung bereit hält. Wir bewegen uns im Hafengebiet. Hier wird gearbeitet. Schienenfahrzeuge haben Vorrang, auf der Straße beherrschen Sattelzüge das Bild. Aber wer sich davon nicht abschrecken lässt, wird belohnt. Mit einem Einblick in Hamburgs Maschinenraum.
Aus einer Perspektive in die Eingeweide, die sonst nur den Eingeweihten vorbehalten ist. Mit idyllischen Inselchen in einem Meer aus Staub und Schweiß. Nein, dies ist kein Naherholungsgebiet mit Ausflugslokalen an jedem Meilenstein. Die Einkehrmöglichkeiten sind dünn gesät. Es empfiehlt sich, selbst Proviant mitzunehmen – zumindest Getränke und davon nicht wenig.
Wir beginnen unsere Tour im Harburger Binnenhafen. Anreise am besten mit der S-Bahn bis Harburg Rathaus, denn dort gibt es für die Fahrräder in der Bahnsteigmitte einen Fahrstuhl in den Fußgängertunnel unter dem Harburger Ring. Den Tunnel in Richtung des Fischgeschäfts verlassen und um den Harburger Wochenmarkt – anders, als woanders heißt der hier übrigens Wochenmarkt, weil er die ganze Woche über stattfindet, nur nicht sonntags – herum und bei der Apotheke rechts abbiegen.
Am unteren Ende der Straße kommt rechterhand ein weiterer Fußgängertunnel, der in den Binnenhafen führt. An dessen Ende links in die Schloßstraße zum Kanalplatz, dort rechts abbiegen und kurz innehalten:
Dies ist der Harburger Binnenhafen. Binnen weil er durch eine Schleuse von der Elbe abgetrennt ist und Hafen, weil hier früher – nein, eigentlich noch neulich – tatsächlich Schiffe abgefertigt wurden. Inzwischen ziehen Büros und Restaurants in die alten Hafengebäude ein.
Das Gebäude auf der anderen Seite des Wassers, das aussieht wie eine alte Mietskaserne, ist übrigens das letzte Überbleibsel vom Harburger Schloss. Der Rest wurde Ende der 70er-Jahre einplaniert, so wie große Teile der Harburger Innenstadt auch. Demjenigen der das einst plante, wünschen viel Harburger mittlerweile Wucherungen an wuchtige Körperteile.
Anderseits entsprachen solche Planungen damals aber dem Zeitgeist. Wer seinen Proviant doch vergessen hat, kann bei den beiden Bäckern hier belegte Brötchen zu einem günstigen Kurs und Flaschenwasser zu Apothekerpreisen erwerben.
Es geht links in die Nartenstraße. Rechterhand liegt die „Gummikamm“, die New York Hamburger Gummi-Waaren-Compagnie. Die denkmalgeschützten Gebäude sind leer. Die Fabrik ist ausgezogen und hat Substanzen im Bauwerk hinterlassen, die keinem Nachmieter zumutbar sind. Am Ende der Nartenstraße sieht man schon die alte Harburger Elbbrücke.
Die ist 115 Jahre alt und war die erste Straßenbrücke über die Süderelbe. Auf der Südseite ziert das Harburger, auf der Nordseite das Wilhelmsburger Wappen das Sandsteinportal. Kaiser Wilhelm persönlich hat diese Brücke eingeweiht. Mittlerweile ist sie Fußgängern und Radfahrern vorbehalten und bietet einen schönen Blick elbabwärts auf Raffinerien und das Kohlekraftwerk Moorburg – ökologisch umstritten, industrieästhetisch ein großer Wurf.
Hinter der Brücke links biegen wir auf den Buschwerder Hauptdeich ab. Hier residiert Deutschlands größter Hersteller für löslichen Kaffee. Er hat so manche akademische Karriere befördert, indem Studentenjobbern an den Fließbändern dort klar wurde, was ihnen passiert, wenn sie keinen Abschluss machen.
Weiter geht es nach links auf die Hohe-Schaar-Straße über die Reiherstiegschleuse und danach gleich rechts in die Straße Eversween. Die läuft parallel zum Reiherstieg und zwischen den Gebäuden am Harburger Ufer haben wir auch immer wieder Blicke auf das Gewässer und Betriebe auf der Wilhelmsburger Seite, wie zum Beispiel Hamburgs größte Getreidemühle – gut erkennbar am gelben Stern der Mehlmarke – oder den Projektfrachtspezialisten Wallmann. Projektfracht? Das ist alles, was nicht in einen Container passt.
Am Ende des Eversweeen liegen die riesigen Getreidespeicher des Rethehafens und die Rethehubbrücke. Die Tage der Hubbrücke sind gezählt, sie ist alt und fällt zu häufig aus. Am Ersatzbau, einer Klappbrücke, wird fleißig geschweißt und geschraubt. Nächstes Jahr soll die neue Brücke fertig sein und die alte abgebaut werden.
Bis dahin kann man auch noch mit dem Rad über die Hubbrücke. Wir befinden uns nun im Stadtteil Neuhof. Der wurde nach der Sturmflut aufgegeben und vom Hafen gefressen. Rechterhand lagert Greenpeace vom Spruchband bis zum Schlauchboot alles, was die Organisation für spektakuläre Aktionen braucht; linkerhand kommt bald die Hafen-, Technik-und Umweltwache der Feuerwehr und etwas weiter auf der selben Seite die alte Neuhöfer Schule.
Hier geht es links in die Nippoldstraße. Zu unser Rechten befindet sich die Auffahrt zur Köhlbrandbrücke, zu unser Linken die Ölmühle, wo das, was Soja, Raps und Sonnenblume in ihren Kernen haben, herausgepresst und in Tanks gelagert wird. Am Ende der Nippoldstraße macht die Straße einen scharfen Knick unter der Köhlbrandbrücke hindurch und heißt nun Köhlbranddeich.
Der Fähranleger Neuhof ist ein schöner Ort, um Pause zu machen. Es gibt eine kleine Bank, einen herrlichen Ausblick und eine Reling um die Räder daran zu lehnen. Nach der Pause können Neugierige noch bis zum Tor des Containerterminals Tollerort radeln und aufs Gelände luschern, grundsätzlich aber geht es rechts in den Roßweg. Hier warnen uns Schilder, dass es bald nicht mehr weitergeht. Das gilt allerdings nicht für uns. Mit dem Fahrrad kommen wir an der Straßenbaustelle vorbei.
Im Rosshafen wird Altmetall aus aller Welt in alle Welt verschifft, um weiterverarbeitet zu werden. Was nach Müllexport aussieht, ist Teil einer echten Kreislaufwirtschaft. Weltweit wird mittlerweile fast so viel Stahl aus Schrott gewonnen, wie aus Erz verhüttet. Der Rossdamm geht in die Breslauer Straße über und die steigt alsbald an, um zur Rampe der Köhlbrandbrücke zu führen.
Wo der Anstieg beginnt, biegen wir allerdings in einer Rechts-links-Kombination auf den kleinen Anliegerweg ab, der weiter geradeaus an der Brückenrampe entlang führt. Mitten im Hafen radeln wir plötzlich durch eine grüne Idylle und können uns etwas von den vielen Lastwagen erholen. Hinter der Wasserschutzpolizei zwängen wir uns an Bahngleisen entlang über die Ellerholzschleuse.
Direkt dahinter müssen wir absteigen und unsere Räder die Treppe hinab in den Fußgängertunnel unter der Hafenbahn hindurch schieben. Auf der anderen Seite biegen wir kurz rechts ab, dann links auf den Reiherdamm ein und folgen diesem in Richtung Alter Elbtunnel. Hier können wir einen luxuriösen Radweg nutzen. der uns unter anderem an Hamburgs letzter Großwerft, Blohm und Voss vorbeiführt.
Mit dem Fahrstuhl geht es unter die Elbe und auf der anderen Seite wieder hinauf. Wir radeln rechts rum Richtung Baumwall. Vorsicht: Fußgänger auf den Fahrbahnen und Radwegen! Am Baumwall rechts auf die Niederbaumbrücke dann links auf Am Sandtorkai und Brooktorkai durch die Hafencity. Von hier bis zum Spiegel-Verlag gibt es ein paar Einkehrmöglichkeiten.
Hinter der Oberbaumbrücke an den Deichtorhallen vorbei über die Straße Stadtdeich auf den Oberhafenradweg. Der führt uns hinter dem Großmarkt herum zur Norderelbbrücke. Auf der Billhorner Brückenstraße überqueren wir den Oberhafenkanal und biegen gleich danach rechts auf die Zweibrückenstraße ab in Richtung Freihafenelbbrücke. Die erreichen wir über die Kirchenpauerstraße in einer Rechtsschleife – oder gleich hinter der Bahnunterführung über eine Treppe, wenn wir unser Rad tragen mögen. Ein schöner Blick die Norderelbe hinab belohnt uns für diese Mühe.
Über die Straße Am Saalehafen führt die Radtour auf den Veddeler Damm. Kurz nach der historischen Lok rechts kommt eine kaum sichtbare Gleisüberquerung. Die führt direkt zum Hafenmuseum an den historischen 50er-Schuppen. Hier erklären alte Hafenlöwen wie Hajo Dräger, wie am Kai einst gearbeitet wurde, bevor alle Seegüter in genormten Containern verschwanden. Vor allem aber hat das Museum die Original-Kaffeeklappe des Schuppens in der Hebestelle erhalten. So kann sich der Radler mit Kaffee und Kuchen oder Bier und Bockwurst stilecht stärken.
Am Ende des Veddeler Damms verlassen wir den Hafen kurz: Über die Klütjenfelder Straße und den Reiherstieg-Hauptdeich geht es nach Wilhelmsburg hinein. Die Fährstraße führt uns ins Reiherstiegviertel. Rund um den Stübenplatz kann man noch mal die Beine ausstrecken und international essen und trinken.
Über die Veringstraße und die Neuhöfer Straße führt die Strecke zurück in den Hafen nach Neuhof, die Radler biegen links ab auf den Neuhöfer Damm, überqueren die Rethehubbrücke, durchschlängeln die Baustelle der neuen Klappbrücke und fahren auf der Hohe-Schaar-Straße zum Kattwykdamm. Tanklager bestimmen den Horizont. Rund um die Raffinerie auf der Hohen Schaar wird mit allem gehandelt, was mit Erdöl zu tun hat.
Der Kattwykdamm führt auf die Kattwykbrücke. Das schlicht wirkende Bauwerk ist Deutschlands größte Hubbrücke. Ihr 96 Meter langes Mittelteil kann 51 Meter über das Wasser gehoben werden.
Wer noch mal einen Verholer (kurze Pause im Hafen) oder auch nur einen Sauger (noch kürzer: Zigarettenpause) machen möchte, kann kurz vor der Brücke in die Kattwykstraße einbiegen links kommt nach etwa 100 Metern eine Einfahrt, der Weg macht eine Schleife über den Rohrgraben der Tanklager zum Kattwykufer. Hier, am ehemaligen Badestrand, gibt es einen schönen und lehrreichen Blick auf das Containerterminal Altenwerder.
Hinter der Kattwykbrücke liegt links das Kohlekraftwerk Moorburg, rechts geht es in das Dorf. Auf der Nordseite von Moorburg wird Hafenschlick aufgespült. Eines Tages wird sich vielleicht der Hafen darauf ausbreiten. Wir radeln über den Moorburger Hauptdeich gen Süden – am Horizont die Harburger Berge.
Am Ende des Deichs geht es nach links auf den Fürstenmoordamm und über Moorburger Bogen, Moorburger Straße und Seehafenstraße Richtung Harburg. Linkerhand haben wir Erd- und Pflanzenölraffinerien. Wo die Seehafenstraße einen Knick nach rechts macht, fahren wir weiter auf der Konsul-Ritter-Straße. Auch hier gilt das Sackgassenschild nicht für uns.
Die kleine Brücke führt uns auf den Lotsekai und wir sind zurück im Harburger Binnenhafen. Jetzt haben wir uns eine gute Mahlzeit redlich verdient (Siehe Infokasten).