Das Freilichtmuseum am Kiekeberg sah an diesem Wochenende die Meisterschaften der schleswig-holsteinischen Waldarbeiter. Das hölzerne Spektakel lockte rund 2500 Zuschauer nach Ehestorf.
Präzisionsarbeit mit der Kettensäge. Kolja Flägel setzt das Werkzeug am Stamm immer wieder von einer anderen Seite an, lässt es einschneiden und legt sich schließlich sogar auf den Bauch. In weniger als drei Minuten soll der knapp einen halben Meter dicke Baum fallen, um bei den 12. Schleswig-Holsteinischen Waldarbeitermeisterschaften die volle Punktzahl zu erreichen. Flägel, Auszubildender bei den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten, schafft das Zielfällen in 2,29 Minuten. Der 16 Meter hohe Stamm bleibt auch zwischen den beiden mit blauer Marke markierten Stangen liegen. Allerdings 91 Zentimeter entfernt von dem in der Mitte aufgestellten rot abgesetzten Pflock. Das gibt Punktabzug. Doch Schiedsrichter Eddwin Gorning, Forstwirtschaftsmeister bei der Stadt Hamburg, bewertet das Vorgehen des 18-Jährigen dennoch als „Top-Ergebnis. Der Mann versteht sein Handwerk.“ So rückt Flägel an die Spitze bei der Wertung der unter 24-Jährigen.
Für seinen alle zwei Jahre ausgetragenen Wettbewerb hatte sich der Verein Waldarbeitsmeisterschaften am Wochenende das Freilichtmuseum Kiekeberg im niedersächsischen Ehestorf ausgesucht. Hintergrund: Der Vorsitzende Joggy Strauch, zum letzten Mal als Ausrichter verantwortlich, suchte einen besonderen Ort, um die Berufe dem Publikum nahe zu bringen. Das Museum schien ihm da gut geeignet und so setzten die Schleswig-Holsteiner zum Sprung über die Elbe an. Knapp 40 Forstwirte, Forstwirtschaftsmeister und Auszubildende meldeten für die fünf Disziplinen, die sie am Sonnabend und Sonntag absolvierten. Darunter waren neben Gästen aus anderen Bundesländern wie Bayern auch sechs Bewerber aus Holland und Norwegen.
Die einzelnen Aufgaben sind dabei der Arbeit im Wald nachempfunden, nur dass beim Wettbewerb die Zeit mit bewertet wird. Neben dem Wechseln der Ketten geht es darum, Baumscheiben möglichst glatt zu kappen oder bei einem Präzisionsschnitt nicht eine rote Markierung unter einem Holz zu treffen. „Damit simulieren wir einen Ast, der im Wald auf der Erde liegt. Auch dort darf man mit der Kette nicht in die Erde geraten, sonst werden die Zähne stumpf“, erklärt Strauch. Beim Entasten müssen Besenstiele so aus einer Palisade gesägt werden, dass möglichst weder Einschnitte noch Stummel zurückbleiben. Gerade fünf Millimeter werden toleriert. Gewinner ist, wer in allen fünf Disziplinen die meisten Punkte sammelt.
Auch für den Kiekeberg haben die Themen Holz und Wald Kraft. „Schon an unseren Häusern lässt sich gut ablesen, wie viel seit Jahrhunderten mit Holz gebaut wird“, sagt die Organisatorin des Tages, Ulrike Augusta, die selbst Diplom-Forstwirtin ist. Um den 2500 Besuchern an den beiden Tagen noch mehr zu bieten als das Zuschauen bei den Wettbewerben, hatte Augusta Handwerker eingeladen, die traditionelle aber auch moderne Verarbeitungstechniken für Holz vorstellten.
Zu ihnen gehörte Joachim Augustin, ein Zimmerermeister, der dem Museum ohnehin verbunden ist. Augustin zeigte mit dem Breitbeil, wie sich aus Rundhölzern viereckige Balken machen lassen. Immerhin eine Arbeit, die noch nach dem 2. Weltkrieg ausgeführt wurde. „Als Lehrling habe ich das noch gemacht“, erinnerte sich der 70-Jährige. Gleich nebenan hatten Heinrich Brunckhorst, 75, Wilfried Müller, 64, und Jonn-Heinz Bernhardt, ebenfalls 64, ihren Stand aufgebaut. Sie stellen Bandreißer her, die bis in die 60er Jahre genutzt wurden, um Fässer zusammen zu halten. Nun läuft so etwas nur noch als Hobby, bei den Dreien beim Kulturverein Hetlingen (Haseldorfer Marsch). Ihre Bandreißer werden aber als Korsett für Adventskränze, Richtkränze oder Friedhofskränze geschätzt.
Währenddessen zogen die beiden Kaltblüter Nemo und Nautilus mit ihrem Chef Arne Brahmstädt ruhig ihre Bahnen. Mit den Rückepferden holt Brahmstädt, ein Schlossermeister aus Ahrensbök, geschlagenes Holz zum Abfahren an die Waldwege heran. Er arbeitet für die Landesforsten in Schleswig-Holstein, für die Stadt Lübeck sowie für private Waldbesitzer. Die beiden knapp 1000 Kilogramm schweren Pferde, die Brahmstädt seit ihrer Geburt besitzt, hören aufs Wort. Rechts, links, stehen bleiben, anziehen: Das wird immer wieder trainiert. „Ich sehe meine Pferde wie Kollegen,“ verrät der Halter. Für die Tiere steht nun eine Pause an. „Jetzt ist Mittag“, so Brahmstädt, „versprochen.“