Die Wurzeln der Harburger Schützengilde von 1528 liegen in einer Bürgerwehr. Jetzt hat die traditionsbewusste Schießsportgemeinschaft erstmals einen schwulen König. Das sorgt für Diskussionen
Harburg. Dass Harburgs Schützengilde von 1528 als traditionsreicher, reiner Männerverein seit dem 486. Vogelschießen am Wochenende mit dem 33-jährigen Ulf Schröder erstmals einen schwulen Schützenkönig hat, ist nach den Worten von Dr. Enno Stöver, dem Ersten Patron der Gilde, überhaupt kein Problem. Stöver: „Das Thema Homosexualität ist längst in der Gesellschaft angekommen. Gerade bei uns in Hamburg stehen die Menschen diesem Thema offen gegenüber. Und so war es auch bei den Diskussionen innerhalb unserer Schützengilde. Wir haben jetzt einen jungen und engagierten König. Und die Deputation will zusammen mit ihm im Jahr seiner Regentschaft konstruktive Arbeit leisten, positive Veränderungen schaffen und dabei die Tradition nicht aus den Augen verlieren. Bei diesen Aufgaben spielt Homosexualität überhaupt keine Rolle.“
Nach der Königs-Proklamation auf dem Schwarzenberg war Ulf Schröder wieder zurück nach München geflogen, an seinen ersten Wohnsitz. Zweiter Wohnsitz ist Holm-Seppensen, wo seine Mutter und vier Geschwister leben. Schröder arbeitet als Sozialversicherungsfachangestellter bei der AOK, engagiert sich politisch in der SPD, ist Fraktionsmitglied im Münchener Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe, Bayerischer Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Lesben und Schwulen (Schwusos) in der SPD. Außerdem engagiert sich Schröder in den Berliner und Hamburger Pride Vereinen, die den Christopher Street Day (CSD) ausrichten. Die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften zählt zu seinen politischen Zielrichtungen.
„Ich bin sehr glücklich“, sagte Ulf Schröder gestern am Telefon, „mein Traum war es immer, König der Harburger Schützengilde zu werden. Jetzt ist dieser Traum für mich in Erfüllung gegangen.“ Schröder ist in Osnabrück geboren, in Meckelfeld groß geworden und dort mit elf Jahren dem Schützenverein beigetreten. Der Harburger Schützengilde gehört er seit 16 Jahren an und in München der Hauptschützengesellschaft sowie der Schützengesellschaft Nußhäher. Schröder: „Ich bin durch und durch Schütze. Schießen ist ein Sport für mich, bei dem ich vom Alltag richtig abschalten kann. Und Schießen bereitet ganz einfach auch Spaß.“ Das Majestätenamt in Harburg verlangt von ihm nun allerdings auch Anwesenheit. Stöver schätzt, dass der König etwa 100 Termine wahrzunehmen hat, darunter die Teilnahme an den Vogelschießen oder den Bällen anderer Schützenvereine. Schröder: „Ich werde immer dabei sein. Und ich werde dabei auch die Traditionen wahren. Es wird nicht vorkommen, dass ich etwa beim Gildeball in Herrenbegleitung zum Eröffnungstanz erscheine. Ich werde eine Tanzpartnerin haben.“
Dass er dieses Jahr häufig in Hamburg sein wird, verspricht der neue Gildekönig. „Bereits in zwei Wochen nehme ich am Vogelschießen in Marmstorf teil und am Fest der Schützengilde Buxtehude von 1539, die eine Patenschaft mit der Hauptschützengesellschaft München unterhält“, erklärt Schröder. Und politisch wird er dieses Jahr ein wenig kürzer treten. „Ich werde nach acht Jahren bei den Schwuso-Wahlen nicht wieder für den Landes- und den Bundesvorsitz kandidieren. Es müssen wieder Jüngere in die Vorstandstätigkeit nachrücken, damit in der Debatte um Gleichstellung frische Ideen entwickelt und umgesetzt werden“, sagt er.
Bei der Gilde ist er nun einer der jüngsten Könige. „Mit meiner Homosexualität habe ich in der Gilde Diskussionen ausgelöst. Ich habe die Gilde dabei trotz aller Tradition als einen der fortschrittlichsten reinen Männervereine kennengelernt und bin von der Offenheit ihrer Mitglieder total begeistert. In Zukunft gilt es, die Werte der Gilde in den Fokus zu stellen und nicht mein Schwulsein.“
Als die Gilde noch sieben Tage lang Schützenfest auf dem Schwarzenberg feierte, war Schröder in den Jahren 1999/2000 bereits sogenannter Montagskönig. „Ich bin noch jung und werde mich darum bemühen, den Schießsport auch bei jungen Leuten wieder beliebt zu machen. Unter dem Amoklauf von Winnenden hat das Schützenwesen leider sehr gelitten“, sagt Schröder. Mit dem sportlichen Aspekt des Schießen in der Vereinsgemeinschaft werde auch Integrationsarbeit geleistet.
Enno Stöver sagt, dass die von der Gilde eingegangene Partnerschaft mit Technischer Universität und Wirtschaftsverein bereits erste Früchte trage. Die Beteiligung von Firmenmitarbeitern wie auch Studierenden am Vogelschießen sei gelungen.