Personaldienstleister BIR-Group hielt von Schwarz-Cranz für deren Leiharbeiter gezahlte Löhne offenbar zurück
Neu Wulmstorf. Die Vorwürfe wiegen schwer: Löhne sollen zurückgehalten oder erst nach dubiosen Abschlägen ausbezahlt worden sein, klagten am Montag Mitarbeiter eines Personaldienstleisters in Neu Wulmstorf und stürmten das Büro ihres Arbeitgebers. Laut Polizei hatten die Personalvermittler gegen 11.30 Uhr den Notruf getätigt, weil ein 22-Jähriger Arbeiter den 37-jährigen Angestellten des Personalvermittlers im Streit um Gehaltsabrechnungen mit der Faust ins Gesicht geschlagen hatte.
Rund 40 Arbeiter aus Bulgarien und Rumänien hatten sich aus Protest in dem Gebäude an der Gottlieb-Daimler-Straße versammelt. Weil sich die Protestierenden nicht aus den Gebäude drängen ließen, sondern im Gegenteil immer mehr Arbeiter hinzukamen, riefen die Mitarbeiter des Personaldienstleisters um 13 Uhr erneut die Polizei, die mit 20 Beamten anrückte, um die inzwischen 100 Personen zurückzudrängen. Zugleich musste die Polizei für deren Sicherheit sorgen, da sich einige Arbeiter auf der Straße versammelten.
Ein Dolmetscher wurde hinzugezogen, und ein Vertreter des Personalvermittlungsunternehmens bot den Arbeitern Einzelgespräche an. Gegen 17 Uhr trafen schließlich Mitarbeiter einer Arbeitnehmervertretung ein, die ihre Hilfe anboten. Das Unternehmen, gegen das sich der Zorn der osteuropäischen Arbeiter richtete, ist die BIR Group aus Lübeck. Ihre Mitarbeiter sind im Rahmen eines Werkvertrags in der Neu Wulmstorfer Fleischwarenfabrik Schwarz-Cranz eingesetzt. Deren Unternehmenssprecherin teilt mit: „Arbeitsbedingungen von Beschäftigten selbstständiger Werkunternehmer, die auf unserem Betriebsgelände tätig sind, können wir nicht unmittelbar gestalten, da wir nicht Arbeitgeber dieser Personen sind. Wir vergüten die für uns tätigen Werkunternehmer aber selbstverständlich in einer Weise, die es diesen Unternehmen erlaubt, die dortige Belegschaft bereits heute über dem geforderten Mindestlohn zu vergüten. Wenn uns Beschwerden aus dem Kreise der Mitarbeiter von Fremdfirmen erreichen, nehmen wir diese sehr ernst und gehen den Dingen nach. Die Diskussionen im Kreise der Belegschaft der BIR Group haben uns sehr überrascht. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die BIR Group ein deutschlandweit in unterschiedlichsten Branchen mit rund 4000 Mitarbeitern tätiges Unternehmen ist. Der Ruf der BIR Group war bislang sehr gut – zahlreiche namhafte große Unternehmen in Deutschland vertrauen auf die BIR Group. Unsere eigene Belegschaft stellt die große Mehrheit der auf unserem Betriebsgelände tätigen Personen. Im Branchenvergleich liegen wir diesbezüglich weit über dem Durchschnitt.“
Rüdiger Winter ist einer der Arbeitnehmervertreter, die am Montag nach Neu Wulmstorf berufen worden waren. Er ist Leiter der Beratungsstelle für mobile europäische Arbeiter, die zur DGB-Organisation „Arbeit und Leben Hamburg“ gehört. „Eine rumänische Kollegin von uns war mit, wir haben den Arbeitern Beratungsgespräche angeboten“, sagte Winter dem Abendblatt. Wie sich herausgestellt habe, berät sein Büro bereits fünf Arbeitnehmer, die Ärger mit der BIR Group haben. „Wir wollen nun Anwälte einschalten.“ Den Schilderungen nach seien die Arbeiter mit dem Versprechen freier Unterkunft und Verpflegung gelockt worden, tatsächlich zahlten sie 300 Euro im Monat dafür. Die Unterbringung erfolge teils in fensterlosen Kellern, zu zehnt in einem Raum, „das müssen wir aber noch überprüfen“, sagte Winter. Auch die Arbeitskleidung müssten die Arbeiter selbst zahlen, zudem würden sie in die ungünstige Steuerklasse 6 eingestuft.
„Sie erhielten oft nur Abschlagszahlungen, mussten sechs Wochen auf den ersten Lohn warten“, fährt er fort. Hinzu kämen ständige Vertragsänderungen: „Mal werden 7,50 Euro Stundenlohn gezahlt, mal 8,19 Euro, mal 6,80 Euro, mal werden Zuschläge, wenn bestimmte Arbeitsnormen erfüllt sind.“ Die Mitarbeiter würden unter Druck gesetzt oder mit der Kündigung bedroht. „Mit der BIR Group haben wir es schon länger zu tun“, sagte Winter. Die habe den Neu Wulmstorfer Arbeitern Gespräche in Gruppen à zehn Personen angeboten mit dem Ziel der Vertragsaufhebung. „Wir haben dringend geraten, nichts zu unterschreiben.“ „Arbeit und Leben“ hofft, möglichst viele Zeugenaussagen und beweiskräftige Dokumente zu erhalten, „damit wir ein gerichtliches Verfahren endlich zum Abschluss bringen können“, so Winter.