Bürgerbeteiligung „Harburg neu denken“ schlägt Show-Labore der Technischen Universität oder Kurzzeitvermietungen an Kreative gegen den Leerstand in Harburgs City vor. Einwohner wählen ihre fünf Lieblingsideen.
Harburg. Die Menschen in Harburg haben die Gelegenheit, bei einer Abstimmung Einfluss zu nehmen, damit die Harburger Innenstadt schöner und lebendiger wird. Einwohner können ab Sonnabend, 15. März, bis Dienstag, 25. März, ihre Lieblingsidee wählen. Zur Abstimmung stehen insgesamt 20 Vorschläge, die Bürger, Verwaltungsmitarbeiter und Stadtplaner des Hamburger Kreativbüros Urbanista seit November gemeinsam entwickelt haben.
Täglich außer sonntags ist bis zum 25. März, immer 13 bis 18 Uhr, ein Wahlstand im Gloria-Tunnel in Harburg, Lüneburger Straße 1a, geöffnet. Jeder hat eine Stimme, muss sich also für einen Vorschlag entscheiden. Wer will, kann auch online abstimmen: www.harburgneudenken.de
„Innenstadtdialog Harburg neu denken“ lautet der Titel der Bürgerbeteiligung, die sich das Bezirksamt mehr als 75.000 Euro kosten lässt. Die Verwaltung will damit erfahren, wie sich die Bürger eine attraktivere Innenstadt vorstellen. Die Bürgerbeteiligung soll Wege aufzeigen, wie der trostlos wirkende Leerstand in Harburgs City überwunden oder die wenig einladenden Plätze gemütlicher werden könnten.
Die Abstimmung entfaltet keine rechtlich bindende Wirkung. „Sie ist eine Meinungsumfrage und keine Wahl“, sagt Harburgs Baudezernent Jörg Heinrich Penner. Die Bezirksversammlung Harburg wird die fünf Vorschläge, die am meisten Bürgerstimmen auf sich vereinigen konnten, beraten. Sollten die fünf Top-Ideen aus der Bürgerbeteiligung eine politische Mehrheit finden, kann die Bezirksversammlung die Verwaltung beauftragen, die Ideen umzusetzen.
Die Bürgerbeteiligung „Harburg neu denken“ verfügt über kein Budget. Wer also für das Vorhaben „Harburg leuchtet“ stimmt, hat noch keine Gewähr, dass eine künstlerische Illumination der Harburger Innenstadt tatsächlich geschaffen wird.
Der Innenstadtdialog bringt aber Ideen in die Öffentlichkeit, die Verwaltung und politische Fraktionen nicht ignorieren können. Die Vorschläge machen den Weg frei, mit kleinen Maßnahmen erlebbare Verbesserungen zu schaffen. Als Beispiel nennt Heinz-Jürgen Rook, Projektleiter des Bezirksamtes, die Sonnensegel auf dem Platz Sand, die gut bei der Bevölkerung ankämen.
Die Vorschläge sind so formuliert, dass sie als Beschlüsse für die Bezirksversammlung geeignet sind. Das Abendblatt erklärt an einigen spektakulären Ideen, was tatsächlich unterm Strich herauskäme, sollten sie zu den fünf Top-Ideen gewählt werden:
Das leer stehende Geschäftshaus Harburg Center ist seit Jahren ein öffentliches Ärgernis. Die Menschen wünschen eine Neunutzung oder den Abriss. „Wenn der Eigentümer seine Immobilie verfallen lassen möchte, können wir nichts dagegen tun“, sagt Jörg Heinrich Penner mit Hinweis auf das Eigentumsrecht.
Wer für die Idee „Harburg Center nicht vergessen“ stimmt, spricht sich für ein Bündel von Initiativen aus. Ein Ideenwettbewerb soll dem Eigentümer Hans-Dieter Lindberg Möglichkeiten aufzeigen, wie das Gebäude mit 10.000 Quadratmetern Nutzfläche ohne großen finanziellen Aufwand genutzt werden könnte, damit es die Harburger nicht mehr als Schandfleck empfinden.
Peter Frey, Projektleiter des Stadtplanungsbüros Urbanista, könnte sich vorstellen, das Gebäude mit Beleuchtung in Szene zu setzen. Heinz-Jürgen Rook schätzt, 10.000 Euro für einen solchen Ideenwettbewerb ausreichen. Die Bezirksversammlung könnte ihn aus ihren Sondermitteln finanzieren.
Der Vorschlag sieht zudem vor, dass ein Vermittler in Gesprächen zwischen Bezirksamt und Hans-Dieter Lindberg eine Lösung zur Nachnutzung aushandeln soll.
Die wohl spektakulärste Idee ist ein Lichtkonzept für die Harburger Innenstadt. Eine Variante sieht eine Effektbeleuchtung von einzelnen, die Innenstadt prägenden Gebäuden vor. Kandidaten dazu wären zum Beispiel das Harburg Center oder das Deutsche-Bank-Gebäude in der Harburger Rathausstraße. Die zweite Variante sieht eine durchgängige Beleuchtung der City vom Binnenhafen, über den Sand und die Fußgängerzone bis zum Fernbahnhof Harburg vor.
Wer für das Lichtkonzept stimmt, darf nicht erwarten, dass der Bezirk Harburg eine zwei Kilometer lange künstlerische Beleuchtung schafft. Die Idee sieht vielmehr vor, dass die Verwaltung mit Eigentümern in Gespräche tritt, um über eine Finanzierung zu verhandeln.
Heinz-Jürgen Rook hält eine Teilfinanzierung aus Kompensationszahlungen für die Seevepassage für möglich. Er verweist auf die Lichtstelen, die Geschäftsleute und Eigentümer an der Wandsbeker Chaussee finanziert haben.
Vor allem Kreative sehen in Zwischennutzungen eine vielversprechende Möglichkeit, den Leerstand in den Ladengeschäften in der Lüneburger Straße zu überwinden. Pop-Up-Stores heißen solche zeitlich begrenzten Läden, wenn Modedesigner, Schallplattenhändler oder Künstler für ein Wochenende oder die Dauer eines Monats zu günstigen Konditionen in ein leeres Ladengeschäft einziehen und es mit Leben füllen. „Das Karo-Viertel zu Gast in Harburg“, könnte so eine Zwischennutzung sein, sagt Projektleiter Rook. Das Hamburger Karolinenviertel ist bekannt für seine vielen Modeschaffenden.
Die Verwaltung kann Ladeneigentümer nicht zur Vermietung zwingen. Der zur Abstimmung stehende Vorschlag sieht deshalb vor, eine Zwischennutzungsagentur ins Leben zu rufen, die zwischen Eigentümern und Kreativen vermittelt. Das City-Management könnte die Aufgabe übernehmen, so die Idee der Verwaltung.
Die Innenstadt könnte Schaufenster der Technischen Universität Hamburg-Harburg werden. Die Idee sieht vor, dass Passanten Studierenden in Schaulaboren bei Experimenten zusehen oder die Brauerei der Technischen Universität Bier made in Harburg in der Fußgängerzone vertreibt. „Die Uni könnte Infotainment machen“, sagt Stadtplaner Peter Fey. Universitätsstädte hätten gute Erfahrungen damit gemacht.
Wer für diesen Vorschlag stimmt, erhält aber zunächst nur das Versprechen, dass die Bezirksverwaltung mit der Technischen Universität über eine größere Präsenz in der Innenstadt spricht. Projektleiter Heinz-Jürgen Rook ruft die Einwohner auf, die Chance zur Mitsprache zu nutzen: „Es ist das erste Mal, dass wir aus der Verwaltung auf diese Weise an die Bevölkerung herantreten.“