Alte Menschen oder auch Menschen mit Handicap fühlen sich häufig sehr wohl, wenn Hunde in ihrer Nähe sind. Deshalb sind sie, anders als in vergangenen Jahren, heute gern gesehen in Altenwohnanlagen.

Caro heißt sie. Sie hört auf ihren Namen. Und gehorcht immer. Denn Caro ist kein Mädchen, sondern eine Hündin. Ein Mischling, sechs Jahre alt. Caro hat einen Beruf: Besuchshund. Wenn ihr Herr sie am Heim für schwerbehinderte Jugendliche aus dem offenen Kofferraum seines Autos lässt, macht sie sich schnurstracks auf den weg zur Haustür. Zuerst geht es in den Gemeinschaftsraum. Sie springt sofort auf den Tisch. Um sie herum sitzen fünf junge Menschen. Sie sind blind und können sich kaum bewegen. Wenn die jungen Leute Caros Berührung spüren, lächeln sie und freuen sich. Wenn Klaus Meier mit jedem Einzelnen spricht, legt sich Caro dazu. Ganz nah. Manchmal wird mit einem Leckerli nachgeholfen. Ihr Herr gibt ihn den Jugendlichen in die Hand oder legt ihm den auf den Kopf. Caro holt ihn sich von dort. Doppelte Freude. Bei ihr und bei denen, die sich nur so wenig bewegen können.

Max, der Hund, besucht ältere Menschen in der Senioreneinrichtung im „Haus am Frankenberg“. Max hat noch zwei Berufskollegen dort. Eine mir bekannte Ärztin führt ihren Hund in die Zimmer. Sein Besuch ist eine Lieblingsstunde für die Bewohnerinnen.

Ich weiß von einer Frau, die sich in einer solchen Einrichtung überhaupt nicht zurechtfand. Den ganzen Tag lag sie apathisch im Bett und starrte an die weiße Decke. Bis jemand von dem Verein „Tiere helfen Menschen“ mit seinem Hund zu ihr kam. Von da an kehrte die Lebensfreude zurück. Sie lachte wieder und fand Kontakt zu anderen Menschen im Haus.

Ich denke zurück an die 70er Jahre im vorigen Jahrhundert. Da war noch nichts mit Besuchshunden. Wer in ein Altersheim zog, durfte weder Radio noch Fernseher mitnehmen und auch nur wenige eigene Möbel. Alles streng und menschenfeindlich reglementiert. Manche Bewohner hatten ihren Ehepartner verloren. Die Kinder konnten sie nur selten besuchen. Die Alten waren isoliert, kamen sich vor wie auf einem Abstellgleis. Oder wie im Warteraum auf den Tod.

Um 1990 las ich die Anzeige eines Altenheims der evangelischen Kirche auf Eiderstedt: „Haustiere können mitgebracht werden“. Endlich, dachte ich. Ein Durchbruch! Jetzt kam Leben ins Haus. Durch Hunde. Häufig der beste Kamerad von Menschen, besonders von alten Menschen. Unvergessen, dass später eine Frau zu mir sagte: „Von Menschen habe ich genug Böses erfahren. Mein Foxi versteht mich besser als Menschen.“

Hunde sind einfühlsam, anpassungsfähig und treu. Sie suchen und brauchen Kontakt. Sie genießen Spielen und Streicheln. Sie können ihre Gefühle durch Mimik und Gesten ausdrücken. Die Wirkung auf Menschen ist erstaunlich. Der Kontakt mit ihnen fördert die körperliche und geistige Beweglichkeit. Sie helfen, Stress abzubauen und bieten Gesprächsstoff. Hunde lenken ab von trüben Gedanken und von Schmerzen.

In der großen Einrichtung für ältere Menschen, im „Hospital zum Heiligen Geist“ in Poppenbüttel, ist der Therapiehund Willi an der Arbeit. Therapiehunde sind zu unterscheiden von Besuchshunden, die von Ehrenamtlichen geführt werden. Therapiehunde durchlaufen eine lange Ausbildung zusammen mit ihren Besitzern. Eingesetzt werden sie in Altenheimen, Schulen, Kindergärten und Hospizen. Und das im Rahmen der Psychotherapie, Ergotherapie und Heilpädagogik. Willi kann sogar schreiben! Er schreibt regelmäßig eine Kolumne in der Hauszeitschrift „Glockenturm“. In einer Ausgabe las ich:

„Frau Idler und ich verstehen uns ohne Worte. Wir sind einander nah, wir haben einander lieb gewonnen, wir geben einander Herzenswärme: ‚von Herz zu Herz’ eben. Unsere Begegnungen sind zart und liebevoll, wir schauen einander in die Augen, wir lächeln uns an. Ich bin zwar nur ein Hund, aber eines weiß ich doch: Dies alles erleben und empfinden zu dürfen, das ist Glück.“

Wie schön! Und wie gut, dass die Zeiten vorbei sind, als Tiere im Tierschutzgesetz noch als „Sachen“ bezeichnet wurden. Sie sind Lebewesen und unsere Mitgeschöpfe. So wie es Albert Schweitzer klassisch zum Verhältnis von Menschen und Tier gesagt hat: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“

Auch das Schwein Porky ist unser Mitgeschöpf. Porky ist der Star in einem Seniorenheim in Hamburg-Lokstedt. In dieser Zeitung war über ihn Erstaunliches zu lesen. Porky begleitet die Altenpflegerin regelmäßig zur Arbeit. Er ist Kumpel und Therapeut zugleich. Und er ist der Liebling der Station. Einige Bewohnerinnen lassen morgens die Tür zu ihrem Zimmer einen spaltbreit offen. Porky öffnet sie mit dem Kopf und erbettelt sich einen Keks. Weil Schweine kluge (und saubere!) Tiere sind, geht er zu der Schublade, in der die Schokoladenkekse sind. Die Altenpflegerin hält das Schwein in ihrer Wohnung. Im Mietvertrag steht „Hunde verboten“. Von Schweinen steht da nichts geschrieben. Sehr listig! Diese List lohnt sich. Auch für Marianne Kammer, achtzig Jahre alt. Jeden Morgen spielt sie mit Porky. Seit er regelmäßig kommt, geht es ihr besser. Wie gut, dass es sie gibt, die Therapie- und Besuchshunde, diese Spürnasen auf vier Pfoten, die Freunde, Kameraden, Gesprächs- und Sozialpartner sind. Mit Gespür für Menschen, die lieb zu ihnen sind. Oder die sie brauchen.

Helge Adolphsen ist emiritierter Pastor der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis, im Volksmund „Michel“. Er lebt seit vielen Jahren in Hausbruch. Seine Kolumne erscheint im Zwei-Wochen-Rhythmus auf den „Harburg & Umland“-Seiten des Abendblattes.