Stadtplanung zum Mitmachen: Bei der ersten Bürgerwerkstatt in der Empore haben 120 Teilnehmer ihre Ideen und Wünsche eingebracht. Jugendliche stellen ihre Kurzfilmprojekte vor.
Buchholz. Die blauen Empore-Stühle sind zu Halbkreisen angeordnet, an den Rändern des Saals stehen Stellwände. Gespannt warten die 120 Teilnehmer der ersten Buchholzer Bürgerwerkstatt auf die Aufgaben, die ihnen gestellt werden.
Der Workshop ist ein wichtiger Baustein bei der Erarbeitung des Integrierten Städtischen Entwicklungskonzeptes (ISEK), das sich die Stadt Buchholz als Leitbild geben möchte. Für Baudezernentin Doris Grondke ist die Veranstaltung vor allem eines: eine vertrauensbildende Maßnahme.
„Wir wollen uns den Bürgern als Verwaltung mehr öffnen“, sagt sie. Und deswegen sollen die Bürger nun selbst mitteilen, erarbeiten, abwägen, was in ihrer Stadt passieren muss, damit sie auch in ein paar Jahrzehnten noch lebenswert ist.
Die Arbeitsgruppen sind bunt gemischt: da sitzen der Grünen-Ratsherr, der Autohausinhaber, der Leiter einer Theatergruppe, die Journalistin, die Leiterin des Kunstvereins, die Tierschutzaktivistin, der Architekt und der Lehrer beieinander und sollen nun sagen, was sie sich für Buchholz wünschen, was sie gut finden und was möglicherweise fehlt.
Dazu die Aufgabenstellung: „Wie kann man sich in Buchholz in folgenden Bereichen besser vernetzen...“ Gar nicht so leicht. „Haben Sie das verstanden? Wir nicht so richtig“, gibt eine Teilnehmerin aus der Gruppe nebenan zu. Erklärungsversuche, eine Teilnehmerin greift zum Stift und schreibt einfach drauf los auf das Flipchart. Trotzdem bleibt eine CDU-Ratsfrau skeptisch: „Sollen wir denn zu jedem Thema einen Stammtisch gründen?“
Derweil regt sich der Autohauschef darüber auf, dass Buchholz bei der eingänglichen Präsentation so negativ dargestellt wird. „Da gehen nur Rentner hin“, steht da in der sogenannten Themenwolke.
Und gewinnt sogleich das Lachen zurück, als ein Film von Realschülern gezeigt wird, wie sie Buchholz sehen. Zum einen ist das Publikum höchst amüsiert darüber, dass die Jugendlichen sich anstelle des Citycenters „Disco, Strip-Club und Shisha-Bar“ wünschen und ein Mädchen beklagt: „Es gibt keine Möglichkeit zum Weggehen.
Nur die Kabenhof-Lounge, aber die zählt eigentlich nicht.“ Doch die Schüler sprechen auch Themen an, die auch die Erwachsenen umtreiben: Buchholz soll sein Image als „Stadt im Grünen“ bewahren, das Angebot im Nahverkehr muss verbessert werden. Und: Die Stadt müsse seniorenfreundlicher werden.
Die Jugendlichen sind in den ISEK-Prozess eng eingebunden: 150 Schülerinnen und Schüler haben im Vorfeld ihre Ziele und Wünsche für Buchholz zusammengestellt. Darüber hinaus konnten sie sich bei einem Kurzfilmwettbewerb engagieren. Die drei eingereichten Beiträge werden dem Publikum vorgeführt, anschließend dürfen die Teilnehmer ihren Favoriten wählen.
Den ersten Platz belegt das Team vom Albert-Einstein-Gymnasium. Über Monate haben die Schüler sich in Buchholz umgeschaut, mit Passanten gesprochen und Interviews mit Entscheidern geführt. Der spannende Beitrag zeigt, dass in Buchholz vieles gut, aber auch vieles verbesserungswürdig ist.
Am Nachmittag sind die Teilnehmer aufgerufen, sich zu den verschiedenen Themen zu informieren, Fragen und Wünsche zu formulieren. Mit bunten Punkten sollen sie Prioritäten kennzeichnen. Gelegenheit für die vorher ausgewählten „Themenpaten“, ein bisschen Lobbyarbeit zu betreiben.
„Kleben Sie ruhig mehr Punkte für die Kultur“, heißt es hier, „Du willst doch auch den Glasfaserausbau?“, fordert ein anderer freundlich auf. „Erst alles anschauen, dann kleben“, mahnt Moderator Markus Birzer.
Die Auswertung ergibt altbekanntes und auch eine kleine Überraschung: Als am wichtigsten sehen die Buchholzer den Ausbau des Mühlentunnels (19 Nennungen), der Radwege (17), genossenschaftlichen/sozialen Wohnungsbau (16), Kapazitätserweiterung des Schwimmbades (16), Erhöhung des Budgets der Schulen (14) und Aufenthaltsqualität in der Innenstadt (14) an. Der Ostring landet hier „nur“ im Mittelfeld mit zehn Nennungen.
Anders sieht es aus, betrachtet man die Reihenfolge der Umsetzung: Kurzfristig realisiert sehen wollen die Buchholzer den Radwegeausbau (10), den Mühlentunnel (8), den Ostring (7), die Umwandlung der Innenstadt zu einem attraktiven Treffpunkt (5), Glasfaseranschluss für alle Stadtteile und Verbesserung der ärztlichen Versorgung (jeweils 4).
Mittelfristig umgesetzt sollte nach Wünschen der Bürger eine Aufwertung des Bahnhofsumfeldes (6), der Mühlentunnel (4), Erweiterung des Bades, Verbesserung des Baumbestandes und des Spielplatzangebots sowie Flächenerschließung für Wohnprojekte (je 3). Als langfristig umzusetzen wurden ebenfalls das Bahnhofsumfeld (7), der Mühlentunnel (6), sozialer/bezahlbarer Wohnraum, Kinderbetreuung, Aufwertung des denkmalgeschützen Lokschuppens und die Umsetzung des Projekts „Citycenter II“ (je 3).
In der zweiten Bürgerwerkstatt im Sommer sollen aus den Ergebnissen konkrete Ziele erarbeitet werden. Eine Kernfrage wird sein, ob und wie stark Buchholz noch wachsen soll. Und während anfangs noch gezweifelt wurde, ob denn auch alles so umgesetzt wird, macht sich am Ende Zuversicht breit. „Wir hoffen, liebe Frau Grondke, dass Sie mit diesen Erkenntnissen auch Druck auf die Politik ausüben.“
„Bürgerbeteiligung ist möglich – das haben wir heute gesehen.“ „Warum haben wir das nicht schon früher gemacht?“, so das Fazit der Teilnehmer. Das mit dem Vertrauen wäre also schon mal geklärt.