Der Landwirt aus Stove hat 740 Unterschriften gegen geplante Neubaugebiete gesammelt. Das könnte durchaus zu einem Novum im Samtgemeinderat Elbmarsch führen.
Stove. Zufrieden, wohl auch ein wenig überrascht und sicher auch erschöpft: Das ist Dirk Meyer aus Stove. Der Landwirt hat vor Monaten den Aufruf „Bauwut und Verkehrschaos in der Elbmarsch stoppen“ gestartet, über soziale Netzwerke und konventionelles Klingeln an den Türen Unterschriften gesammelt. Jetzt liegen sie im Rathaus der Samtgemeinde Elbmarsch. Ob der Bauer Erfolg haben wird mit seiner Wehr, weiß er wohl erst im Sommer.
In dritter Generation baut Dirk Meyer Gemüse in Stove an, einen Großteil der Ackerflächen ganz in der Nähe des Hofes Im Siek hat der Bauer gepachtet. Drei Hektar gehen ihm in den nächsten zehn Jahren verloren, wenn die von der Gemeinde Drage geplanten Neubaugebiete kommen – mehr als die Hälfte seiner Nutzfläche.
Ein Stück weiter in die Elbmarsch hinein neuen Boden zu pachten oder zu kaufen ist für den Landwirt keine Alternative, sagt er: „Die Pachtlage ist schwierig, die Preise steigen wegen der zunehmenden Flächen für Energiemais und weil der Landwirtschaft insgesamt viel Nutzfläche entzogen wird.“
Nicht nur darum, sondern um die Wohnqualität in der Elbmarsch, die Verkehrsbelastung und die Versiegelung von Flächen ging es dem Landwirt, als er im Herbst vergangenen Jahres gemeinsam mit einer Mitstreiterin aus Marschacht begann, Unterschriften gegen die aktuell geplanten Baugebiete in Stove und Schwinde zu sammeln.
„740 Unterschriften haben wir der Samtgemeinde überreicht“, sagt Meyer unüberhörbar zufrieden. „Wir haben etwas losgetreten. Auf einmal ist die Politik nachdenklich geworden. Einige Fraktionen, darunter jüngst auch die CDU, laden zu Diskussionsveranstaltungen über die Ziele der Entwicklung in der Elbmarsch ein. Das wollten wir erreichen: Dass die Politik wach ist und sich noch einmal Gedanken macht.“
Viele Bürger seien unzufrieden, hat Meyer bei Dutzenden, Hunderten Gesprächen rund um den Aufruf herausgehört. „Von der Politik heißt es, die Infrastruktur müsse durch Neubaugebiete erhalten werden und dass die Schulen und Kitas auch in Zukunft gefüllt sein müssen. Zurzeit ist es aber anders herum: Es fehlen Krippenplätze.“
Während Landwirt Meyer seine Meinung vom Marktstand aus ins Handy spricht, sitzt ein Dorf weiter Samtgemeindebürgermeister Rolf Roth an seinem Schreibtisch.
„Wenn wir irgendwann stillstehen, ist die Infrastruktur auf Dauer nicht zu halten“, vertritt der Sozialdemokrat die Meinung der SPD, stärkste Kraft in der Elbmarsch: Im Gemeinderat Drage hält sie allein die Mehrheit, im Samtgemeinderat mit seinen wechselnden Mehrheiten braucht sie für jede Entscheidung Stimmen aus der Gruppe oder von der CDU.
Das könnte interessant werden: Sowohl bei den Grünen als auch bei der CDU gibt es Köpfe, die das Wachstum begrenzen wollen. „Wenn wir das Ansinnen der Gemeinde Drage ablehnen sollten, wäre das etwas vollkommen Neues“, sagt Roth. Bisher lautete das ungeschriebene Gesetz des Samtgemeinderats bei den Änderungen von Flächennutzungsplänen: Wenn eine Gemeinde das für sich beschlossen hat, winkt die Samtgemeinde die Pläne durch.
Die Unterlagen für die insgesamt neun geplanten Neubaugebiete liegen derzeit öffentlich aus, die Träger öffentlicher Belange werden gefragt, Bürger können Einwendungen abgeben. „Bedenken aus der Bevölkerung müssen wir immer ernst nehmen und ihnen nachgehen“, sagt Roth zu den 740 Unterschriften. Und macht gleichzeitig klar: Wer nicht im betroffenen Gebiet gemeldet ist, fliegt von der Liste.
Sobald die Samtgemeinde die von diversen Seiten eingeschickten Unterlagen durchgearbeitet habe, komme das Thema nun noch einmal in den Bauausschuss – frühestens in sechs Wochen, schätzt Roth. Dann könnte zum Beispiel eine Lösung sein, bestimmte Flächen herauszustreichen.
Er selbst spreche sich für ein „leichtes Wachstum“ aus: Zehn Prozent mehr Einwohner pro Jahr, also etwa 120, könne die Samtgemeinde „locker verkraften“. Zudem könnten die Fristen nach hinten gestreckt werden.
Die Sorge Dirk Meyers um die landwirtschaftlichen Flächen teilt Rolf Roth. „Unseren ländlichen Charakter wollen wir erhalten. Der Flächenkampf hat längst begonnen. Wir haben aber noch genügend Flächen. Das Problem ist allerdings, dass sie sich verteuern, je knapper sie werden.“ Außerdem sagt Roth: „Die Neubaugebiete sind dabei nicht so maßgeblich wie die, die durch den Maisanbau für Biogas entzogen werden.“
Auch Werner Maß, Geschäftsführer des Kreisverbands Harburg beim Landvolk Niedersachsen, hat Verständnis für die Gemeinden – er hat selbst acht Jahre im Rat in Hollenstedt gesessen. „Alle Gemeinden im Landkreis versuchen zu wachsen. Und gerade die Elbmarsch ist eine bevorzugte Wohngegend.“
Gleichzeitig sieht Maß die damit verbundenen Probleme: Pächter zahlen anschließend immer höhere Pachtpreise und bekommen nur schwer neue Flächen. Und: „Ist eine Fläche erst einmal bebaut, ist sie für die Landwirtschaft verloren. Für immer. Das ist der Fraß: Die Fläche für Nahrungsmittelerzeugung wird immer kleiner.“