Weil der TuS Fleestedt die Zustimmung zum Vereinswechsel verweigert, muss ein 12 Jahre alter Junge bei seinem neuen Verein ein halbes Jahr lang die Bank drücken weil automatisch eine Sperre in Kraft tritt.

Vahrendorf. Wenn der Sohn ein einigermaßen talentierter Fußballer und mindestens zwölf Jahre alt ist, sind die Eltern gut beraten, sich unverzüglich eine schriftliche Bestätigung seines Fußballvereins geben lassen, dass der Filius im Falle eines Wechsels zu einem höherklassigen Klub die dafür erforderliche Freigabe erhält. Oder Eltern und Sohn bewahren striktes Stillschweigen darüber, wenn der hoffnungsvolle Nachwuchs zu einem Profiverein wechseln will. Andernfalls droht den betroffenen Eltern und vor allem ihrem Sprössling – oder auch ihrer Tochter –, was gerade dem zwölf Jahre alten Janosh Kahl aus Vahrendorf widerfahren ist.

Janosh ist nämlich so ein talentierter Nachwuchskicker und war zuletzt bei seinem jetzigen Verein TuS Fleestedt nicht mehr glücklich. Und weil er sehr ehrgeizig ist, ließ er sich von seinem Vater Thomas Bohn zum Probetraining beim Hamburger SV chauffieren und siehe da, der Profiverein wollte ihn haben. Mit der Empfehlung, bis zum Ende der Hinserie noch bei seinem bisherigen Club zu bleiben, sich dort rechtzeitig abzumelden und dann ordentlich und wie es sich gehört, in der Winterpause zu wechseln, kehrte er von der Sichtung heim.

Sein Vater erzählt: „Wir haben uns dann auch völlig korrekt verhalten, rechtzeitig Bescheid gesagt, sogar noch etwas in die Mannschaftskasse gezahlt und Janosh hat seinen Ausstand gegeben.“ Bis dahin wären beim TuS Fleestedt auch alle äußerst freundlich zu ihnen gewesen. „Janosh war doch in Fleestedt, weil er auch noch Handball bei der SGH Rosengarten-Buchholz spielt, sowieso nur Auswechselspieler oder für die zweite Mannschaft gut genug.“

Den ersten Anlauf, den TuS Fleestedt zu verlassen, hatten Janosh und seine Eltern bereits im Sommer 2013 unternommen und seinen Austritt aus dem Verein erklärt. Eine schriftliche Bestätigung des Vereins liegt vor. Nur den Spielerpass ließ sich die Familie nicht aushändigen. Janosh wollte damals ja auch bei keinem anderen Club Fußball spielen.

Nur wenige Wochen später kam ein Telefonanruf von seinem Jugendtrainer beim TuS Fleestedt. Janosh werde dringend gebraucht, die Mannschaft habe zu wenig Spieler. Einmal sollte er noch aushelfen. Daraus wurden mehrere Einsätze in Pflichtspielen, zuletzt am 9. November 2013. Danach erzählte Janosh freimütig, dass er zum HSV gehen würde.

Was sich bald als Fehler herausstellen sollte, denn damit begannen die Probleme. Walter Hagemann, Erster Vorsitzender des TuS Fleestedt, verwehrt Janosh Kahl nämlich die Zustimmung zum Wechsel, argumentiert dabei mit den Interessen seines Sportvereins. Die sieht er dadurch gewahrt, dass der TuS Fleestedt für das Fußballtalent aus den eigenen Reihen vom Profiverein Hamburger SV eine sogenannte Ausbildungsentschädigung kassiert. Zahlt der HSV die „Ablöse“ nicht, die bei einem Wechsel in der Sommerpause 1700 Euro betragen würde, ist Janosh automatisch für sechs Monate gesperrt.

„Ich muss mich von unseren Vereinsangehörigen auf der Jahreshauptversammlung fragen lassen, ob ich alles getan habe, was im Interesse des Vereins liegt“, erklärt Walter Hagemann, warum er dem jugendlichen Kicker nicht die Zustimmung zum Vereinswechsel erteilt, mit der Konsequenz, dass Janosh für seinen neuen Verein frühestens sechs Monate nach seinem letzten Pflichtspieleinsatz für den TuS Fleestedt wieder ein Punktspiel bestreiten darf.

Das wäre das der 9. Mai 2014. Dann geht aber die Fußballsaison zu Ende. Die Verweigerung der Zustimmung bedeutet praktisch ein Spielverbot für ein halbes Jahr. Solange dürfte Janos von seinem neuen Verein nur in Testspielen oder bei Turnieren eingesetzt werden.

Dass der Junge jetzt ein halbes Jahr lang nicht Fußball spielen kann und auf der Bank schmoren und zusehen muss, wenn seine neuen Mannschaftskollegen ohne ihn um Punkte kämpfen, spielt in den Überlegungen des Vereinsvorsitzenden des TuS Fleestedt offensichtlich keine Rolle. Zum Glück für Janosh will der Hamburger SV ihn aber trotzdem aufnehmen. Er hat gerade die Zusage erhalten, dass er in vollem Umfang in seine neue Mannschaft integriert wird und auf Einsätze in allen Spielen hoffen darf, in denen ein gültiger Spielerpass nicht Voraussetzung ist.

Walter Hagemann räumt ein, dass er bei einem Wechsel zu einem anderen Kreisverein keine Entschädigung verlangen würde. Da gäbe es Absprachen und Vereinbarungen. Es ist in solchen Fällen allerdings auch nicht viel zu holen, denn die Höhe der Aufwandsentschädigung hängt von der Spielklasse der ersten Herrenmannschaft des aufnehmenden Vereins ab. Ein Bundesligist kann also ordentlich zur Kasse gebeten werden, wenn er denn ein herausragendes Interesse an einem Fußballtalent besitzt.

Thomas Bohn ist empört über das Verhalten von Walter Hagemann. „Erst setzt der TuS Fleestedt Janosh ein, obwohl er kein Vereinsmitglied mehr ist und deshalb auch über den Verein keinen Versicherungsschutz genießt, dann verlangt Herr Hagemann auch noch rückwirkend den Vereinsbeitrag. Als ich den bezahlt habe, erhalte ich den Spielerpass ausgehändigt. Der Kasten mit dem Vermerk ‚keine Zustimmung‘ ist dick angekreuzt.“ Die Quittung über 30 Euro Vereinsbeitrag für das zweite Halbjahr 2013 kann Thomas Bohn ebenfalls vorlegen.

Dass Janosh ein halbes Jahr ohne Versicherungsschutz gespielt hat, ruft jetzt sogar den Niedersächsischen Fußball-Verband auf den Plan. „So geht das nicht. Wir werden mit dem Verein Kontakt aufnehmen“, bestätigt Ralf Serra, Referatsleiter Spielrecht, der einräumt, dass auch er mit den 2002 eingeführten sogenannten Ablöseregelungen für Jugendliche ab dem älteren D-Jugend-Jahrgang – das ist gegenwärtig der Jahrgang 2001 – alles andere als glücklich ist. „Die sorgen bei uns immer wieder für Diskussionen, weil die Eltern und ihre Kinder dem Gebaren mancher Vereine hilflos ausgeliefert sind“, bestätigt er, dass ihm mehrere Fälle bekannt sind, in denen „Vereinsvorsitzende ihre rechtliche Position schamlos ausnutzen.“

Letztlich aber gebe der Deutsche Fußball-Bund die Regeln vor, die Landesverbände hätten nur einen geringen Spielraum bei der Umsetzung. Auch Serra kann den Fußballeltern nur den Rat geben, sich schriftlich abzusichern. Bei Vereinswechseln in der Winterpause, wie bei Janosh Kahl, gelten anders als in der Wechselperiode im Sommer nicht einmal die Höchstsätze nach den Transferrechnern. Den Preis für den Spielerwechsel bestimmt dann allein der abgebende Verein. Serra: „Dann müssen sich die Vereine einigen.“