In der Woche nach dem Großbrand im historischen Hafenviertel in Lüneburg sind die Ermittlungen noch in vollem Gang. Die Gastronomen in den benachbarten Häusern öffnen nach und nach wieder ihre Türen.

Lüneburg. Polizeiwagen parken in der Gasse, Hundegebell kommt aus der Ruine, die einmal das Herz des Lüneburger Stintmarkts war. Wer etwas sehen will von dem, was übrig geblieben ist, muss zwischen den Spalten der Planen durchsehen: Die Stadt hat das Grundstück mit einem Bauzaun abgesperrt. Auch mehr als eine Woche nach dem Großbrand im historischen Wasserviertel ist von Normalität noch nicht viel zu spüren.

„Das ist jedes Mal ein Stich ins Herz, wenn ich dort hinsehe“, sagt Martin, Drei-Tage-Bart und Zopf. Der junge Kellner vom anderen Ende der Straße muss immer noch zweimal hingucken, wenn er in Richtung der Lücke zwischen den Fassaden blickt. „Das ist sehr gewöhnungsbedürftig, dass da jetzt ein Loch ist. Es wird wohl eine Weile dauern, bis das hier wieder so aussieht wie vorher.“

Am Stintmarkt 2 lautete die Adresse, die in der Nacht zum 2. Dezember abgebrannt ist. Etwa zwölf Menschen lebten in den oberen Stockwerken, im Erdgeschoss lag ein italienisches Restaurant, im Keller ein Irish Pub. Das Haus, gebaut 1857, mit seiner altrosa Fachwerkfassade zum Wasser der Ilmenau und dem Alten Kran hin und dem roten Backstein auf der Gassenseite – es war das Herz der Kneipenmeile, die die Lüneburg nur kurz „Stint“ nennen. Und die deutschlandweit bekannt ist.

„Das Bild ist weg“, sagt Barbara Mingorance, als sie mit Töchterchen Amelie (2) am Tag nach dem Einsatz von 500 Kräften am gegenüberliegenden Ufer steht. „Das ist wirklich schade. Andererseits kann man auch nicht davon ausgehen, dass so ein Ensemble ewig erhalten bleibt.“

Auch Ulrich Soldt ist am Tag danach auf der Brücke stehen geblieben. „Für den Stint ist es eine schlimme Lücke“, sagt der Lüneburger. „Das wird ein trauriger Anblick sein, auch für die Touristen. Die haben von hier aus immer ihre Fotos gemacht.“

Geht es nach dem Willen von Stadtverwaltung und Eigentümer, sollen die das mittelfristig auch wieder tun können. Das Lüneburger Rathaus hat in Hannover bereits einen Antrag auf Ausweitung des Sanierungsgebiets Wasserviertel gestellt – das endet zurzeit kurz vor dem Grundstück, würde aber vergünstigte Sanierungen und Fördermittel bedeuten. Darüber hinaus hat Niedersachsens Sozialministerium bereits angekündigt zu prüfen, ob Zuschüsse möglich sind im Sinne der Städtebauförderung.

Ziel des Privateigentümers ist dabei, das Gebäude so wiederaufzubauen, wie es die vergangenen 150 Jahre ausgehen hat. Auch Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) hat den möglichst originalgetreuen Lückenschluss bereits angekündigt.

Drei Tage lang geschlossen waren die Kneipen und Restaurants in der Gasse, die Bewohner waren allesamt evakuiert. Allesamt – außer einer Frau, die nach Erzählungen von Nachbarn die gesamte Zeit in ihrer Wohnung Am Stintmarkt verbracht hat.

Noch immer rufen Gäste an und fragen, ob sie vom Brand betroffen seien, erzählt die junge Bedienung in „Annas Café“. Schleppend habe der Betrieb wieder begonnen, „langsam läuft es wieder an“, sagt sie eine Woche nach der Zwangspause mitten im Adventsgeschäft.

Eine gesamte Woche geschlossen hatte das Restaurant ein paar Häuser weiter – „wir haben freiwillig eine Komplettreinigung durchführen lassen“, erzählt der Wirt, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Er schleppt paketweise Küchenrollen und kistenweise haltbare Sahne aus dem Lieferwagen in sein Restaurant.

Komplett durchgebacken haben die Mitarbeiter der neuen Bäckerei an der Ecke Am Stintmarkt und An der Abtspferdetränke – Angst hatten sie auch nicht, erzählen sie. Es seien schließlich hunderte Feuerwehrleute vor Ort gewesen und der Wind habe in die andere Richtung gestanden. Direkt daneben, im „Mama Rosa“, können Gäste dagegen erst frühestens am Montag, 16. Dezember, wieder Kaffee trinken und Antipasti essen – „wegen des Brandes am Stint“, wie ein Zettel an der Tür erklärt.

Ruhe eingekehrt ist auch in der Ruine selbst noch nicht. Das Hundegebell stammt von einem Brandmittelspürhund, und die Polizisten sind nicht wegen Ruhestörung am Abend in dem Ausgehviertel – sondern weil sie noch immer nach der Brandursache forschen. Bislang schließen sie für den Millionenschaden nichts aus: weder Brandstiftung noch einen technischen Defekt.