Mittelfristig sollen in neun verschiedenen Bauprojekten knapp 1000 Quartiere für die Akademiker in spe entstehen. Günstige Bauzinsen führen zu einem Verzicht auf staatliche Fördergelder.
Harburg. Weit mehr als 6000 Studierende sind aktuell an der Technischen Hochschule Hamburg-Harburg (TUHH) eingeschrieben. Für sie hält das Studierendenwerk aber nur knapp 500 Wohnheimplätze bereit. „Dass hier eine deutliche Lücke zwischen Angebot und Nachfrage klafft, steht außer Frage“, hatte Carl Eißing für den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) bereits im vergangenen Jahr festgestellt.
Das Gros der Studierenden müsse sich zwangsläufig privat einquartieren. Das aber sei nicht nur schwierig, sondern auch sehr teuer. Vermieter würden schließlich 20 Euro und mehr pro Quadratmeter verlangen.
Zwölf Monate später hat sich die Situation nicht wirklich entspannt. Aber: Das Thema ist in der öffentlichen Diskussion deutlich präsenter. Just am heutigen Dienstag, 3. Dezember, bittet Jens Kerstan, Fraktionschef der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft, im Rahmen seiner Bezirkstour um 19 Uhr zu einer prominent besetzten Podiumsdiskussion in die TuTech, Harburger Schloßstraße 6-12. Dort sollen unter anderen Harburgs Baudezernent Jörg Heinrich Penner und Luise Middelhauve vom AStA der TUHH der Frage nachgehen, inwieweit Harburg auch Studentenstadt ist.
Dass die Studierendenzahlen an der Technischen Universität steigen, wird allgemein überaus positiv bewertet. Dass sich deutlich mehr als ein Drittel aller Studierenden aber nördlich der Elbe eingemietet hat, ist die Kehrseite der Medaille. So monierte die CDU-Fraktion in einem Antrag vom 11. November dieses Jahres, dass ein bereits im November 2010 angemahntes, schlüssiges Gesamtkonzept für studentisches Wohnen in Harburg noch immer nicht vorliege.
Dennoch ist aber einiges in Bewegung gekommen. Davon kündete nicht zuletzt die jüngste Sitzung des hiesigen Stadtplanungsausschusses am vergangenen Donnerstag. Dort präsentierte Carl-Henning von Ladiges, Harburgs Fachamtsleiter Stadt- und Landschaftsplanung, überaus optimistisch stimmende Zahlen und Fakten zum Thema.
Laut von Ladiges gebe es im Stadtbezirk aktuell vier Bauprojekte, mit denen Quartiere für 143 Studierende geschaffen werden. In Planung seien fünf weitere Projekte mit 815 Wohn- und Schlafplätzen. Überdies habe das Bezirksamt fünf weitere, so genannte Potenzialflächen für studentische Wohnprojekte ausgemacht. Damit werden mittelfristig knapp 1000 Quartiere für Akademiker in spe geschaffen.
„Es kann niemand ernsthaft behaupten, dieses Thema stünde in Harburg nicht auf der Agenda“, sagte Investor Udo Stein vom Planungsbüro Stein, Plan und Werk dem Abendblatt. Im Strategiepapier „Vision 2020/2050“ des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden, in dessen Vorstand Stein Sitz und Stimme hat, sei das Thema sogar eine tragende Säule. „Das ist doch genau der Wandel, den die Stadt braucht“, so der Unternehmer. Um Kaufkraft zu binden und das Flair in der Harburger City zu verbessern.
Gerade hat Stein gemeinsam mit Bauherr Klaus-Jürgen Hübner zwischen Lüneburger Straße und Krummholzberg ein Projekt verwirklicht, mit dem Unterkünfte für 54 Studierende geschaffen werden. Demnächst will er auch einen Teil des ehemaligen Phoenix-Verwaltungsgebäudes an der Hannoverschen Straße in Studentenwohnungen umwandeln. „Ich bin mir sicher, dass sich zeitnah noch weitere Investoren finden, die sich für preiswertes, studentisches Wohnen engagieren“, sagt Stein.
Wer glaubt, dass hänge womöglich vor allem mit attraktiven staatlichen Förderungen zusammen, irrt. Fast alle Projekte sind privatwirtschaftlich, sprich frei finanziert. „Das Hauptproblem besteht darin, dass staatlich geförderte Bauprojekte dann über 30 Jahre zweckgebunden sind“, erklärt Stein. Dieses unternehmerische Risiko sei angesichts der extrem niedrigen Zinsen für Baugeld aber völlig unnötig. Und der Investor bleibe in seiner Entscheidung hinsichtlich der Nutzung des Objekts unabhängig.
Bei fast allen Bauprojekten im Harburger Kerngebiet spielt studentisches Wohnen deshalb eine entscheidende Rolle. Das gilt für das Bauvorhaben EcoCity, wo 40 Studentenquartiere entstehen sollen, ebenso wie für das Bauvorhaben „Neuländer Quarree“ an der Ecke Hannoversche Straße/ Neuländer Straße. Hier soll auf einer Grundstücksfläche von 45.000 Quadratmetern ein Wohnkonzept mit 100 Apartments, Gastronomie und Büros sowie 100 Mitwohnungen für altersgerechtes und studentisches Wohnen quasi unter einem Dach realisiert werden.
Gleich 157 Studentenzimmer hat die Aurelius AG bei ihrem Projekt am Schellerdamm geplant. „Der Bedarf ist da, also haben wir uns des Themas auch angenommen“, sagt Vorstandsmitglied Bettina Husemann. Und das auf architektonisch attraktive Weise. So sieht das moderne Wohnkonzept „flexible, unorthodoxe, spannende Grundrisse“ vor, die durch verschiebbare, nicht tragende Wände wie geschaffen sind für Studenten-WG’s.Weil sich in vielen Modulen vier annähernd gleich große Zimmer um eine Gemeinschaftsfläche mit Küche und Sanitärbereichen gruppieren. Auch energetisch ist das Aurelius-Projekt auf dem neuesten Stand. Durch eine spezielle Einspeichertechnik kann 85 Prozent des Primär-Energiebedarfs abgedeckt werden.
„Wir hatten studentisches Wohnen schon vor drei Jahren auf dem Radar, als wir das Silo-Projekt auf der anderen Seite des Schellerdamms entwickelt haben“, sagt Bettina Husemann. Doch seinerzeit sei der Plan noch nicht finanzierbar gewesen. Das habe sich inzwischen aber grundlegend geändert: „Seitdem sind auch andere Investoren auf den Zug aufgesprungen, das begrüßen wir sehr.“