„Torfrock“ gehen auf Tour durch Norddeutschland und schätzen dazwischen die Beschaulichkeit im Hamburger Süden
Wenn sich ab Ende November wieder Horden von schwarz gekleideten Menschen mit Wikingerhelmen und Bierbuddeln bewaffnen, die Motorradkutten überwerfen und im Pulk mit den Kumpels oder als Großfamilie vom Enkel bis zum Opa in ganz Norddeutschland in Konzertsäle und Stadthallen strömen, dann ist es endlich wieder soweit. Dann ist wieder Bagaluten-Wiehnacht mit der Band „Torfrock“. Diese Rock’n’Roll-Musikparty ist die perfekte Einstimmung auf das Fest der Liebe für alle, die es gern mal ein bißchen derber mögen, in Sachen Musik und in Sachen Feiern.
Die Bagaluten-Wiehnacht ist ein echtes Event, seit 23 Jahren zelebrieren Sänger „der kleine Klaus“ Klaus Büchner, Gitarrist Raymond Voß, Volker Schmidt am Bass und Stefan Lehmann am Schlagzeug eine rockig-spaßige Hommage an das Fest der Liebe: „Es ist ein Gegenentwurf zur traditionellen Weihnacht – aber trotzdem traditionell“, erklärt Stefan Lehmann das Geheimnis der etwas anderen Weihnachtsfeier. Vom neunjährigen Butscher bis zum Endfünfziger sind die Fans den Norddeutschen Rockern treu ergeben. „Wenn die könnten, würden sie nach dem Konzert direkt Karten für die „Wiehnacht“ im nächsten Jahr kaufen“, grinst Volker Schmidt.
Der Bassist ist, wie auch Kollege Stefan Lehmann, der bei Torfrock auf die Trommeln haut, Harburger aus Überzeugung. Während Schmidt mit seiner Familie in Neuland wohnt, „500 Meter von der Elbe entfernt“, lebt Lehmann mittendrin in Eißendorf. Beide schätzen am Hamburger Süden die Unaufgeregtheit, die einem nördlich der Elbe in der Hektik der Großstadt schnell mal abhanden kommt. „Klaus und ich sind vor langer Zeit durch unsere Frauen hierher nach Harburg gekommen“, erzählt Volker Schmidt. Seinen Bandkollegen Klaus Büchner, der als die eine Hälfte des Gesangsspaß-Duos „Klaus und Klaus“ auch den Schlagerfans ein Begriff sein müsste, hat es inzwischen nach Dithmarschen verschlagen, aber Volker liebt das Leben im Hamburger Süden immer noch. Die Elbe, die Wasserskianlage in Neuland, der weite Blick und die Harburger Berge - alles das hält ihn hier. „Als ich hierherkam, gab es an der Lämmertwiete noch so was, wie eine Kneipen- und Musikszene, mit dem „Consortium“, der „Tröte“ und dem „Old Dubliner. Das ist ja leider fast alles vorbei“, sagt er wehmütig. Wenn sie mal zwischen den vielen Konzerten – Torfrock rocken an die 40 Wochenenden im Jahr die Bühnen in Norddeutschland – Luft holen wollen, dann ist Beschaulichkeit, Ruhe und viel Familienleben angesagt. Wenn er Live-Musik hören will, dann zum Beispiel in Marias Ballroom und im Sommer in der Inselklause am Schweenssand. Ein kühles Bier auf der Wiese vor der kultigen Kneipe, dazu spielt eine Band unter freiem Himmel - das ist genau nach seinem Geschmack. Wenn er Zeit hat, dann geht er mit seinem kleinen Sohn zum Markt am Sand, ein Stopp an der Wurstbude bei Max ist Pflicht.
Schlagzeuger Stefan hat es wegen des Jobs nach Harburg verschlagen. Schließlich hat er, wie alle Torfrocker, mal was Solides gelernt. Er arbeitet im Channel und entwickelt als Konstrukteur Designs für Airbus. Volker war mal Bankkaufmann, Sänger Klaus ist Groß- und Außenhandelskaufmann und Gitarrist Raymond verdiente seine Brötchen als Quartiersmann im Hafen. Was sie alle vereint, ist die innige Liebe zur Musik, von der sie inzwischen ganz gut leben können. Aber dafür arbeiten die vier Torfrocker auch sehr viel.
Höhepunkt in ihrem Konzertjahr ist die Bagaluten-Wiehnacht, mit der sie von Ende November bis zum 30. Dezember durch den Norden touren. „Unsere Fangrenze ist auf der Höhe Osnabrück, dahinter funktioniert unser eigenwilliger Humor nicht mehr so richtig“. Heiligabend ist zwar spielfrei, aber gleich am ersten Weihnachtstag geht’s für die Jungs wieder zurück auf die Bühne.
Da heißt es, gut vorbereitet zu sein. Früher haben sich die vier vor den Konzerten noch den Bauch vollgeschlagen, „aber dann kommt man nicht mehr in Wallung“. Volker nimmt nur noch Fleisch und Gemüse zu sich und verzichtet auf Kohlehydrate, Stefan schwört auf die Mischung „erst ein Bier, dann ein Kaffee und obendrauf ein Red Bull, das macht hellwach.“ Wenn es dann rausgeht, sind da nur noch die Jungs, die Musik und die Fans – Adrenalin pur. Dann rockt die Band den Saal, klar dass das Publikum jeden Text intus hat. Denn das Programm ist, bis auf ein paar kleine Abweichungen, immer gleich.
18 Songs müssen gespielt werden, von „Renate“ bis zum „Presslufthammer Bernhard“, von der Geschichte von Rollo dem Wikinger bis zum „Trunkenbold“. Das Bier fließt in Strömen in durstigen Kehlen hinab, auf und vor der Bühne. Blöd findet die Band allerdings den Kult um fliegende Bierbecher – natürlich gefüllt. Wer nach einem Torfrock-Konzert noch trockene Kleidung am Leib hat, war nicht wirklich dabei. „Wir denken da an die Kinder, die mit im Saal sind. Und wenn unsere Technik was auf der Bühne abkriegt, ist das auch nicht so toll“. In Rostock mussten die Torfrocker das Konzert schon mal nach dem zweiten Song abbrechen, weil ein Bierwerfer so gut gezielt hatte, dass nichts mehr funktionierte.
So eine geballte Ladung „Wiehnacht“, das schlaucht: Volker und Stefan gehen deshalb sogar ab und zu mal ins Fitness-Center. „Klaus ist eher der drahtige Typ, der ist nicht zu stoppen“, plaudern die Kollegen aus. Der 65-Jährige steckt die jüngeren Kollegen immer noch locker in die Tasche, „wenn wir auf Tour sind, ist er immer der Letzte, der ins Bett geht und morgens der Erste, der wieder auf der Matte steht“.
Wenn die vier Wochen Konzertmarathon vorbei sind, dann wünschen sich alle nur noch Ruhe und Erholung. Zumindest Stefan wird es schnell wieder langweilig: „Das mit der Ruhe dauert bei mir höchstens drei Tage. Dann könnte ich eigentlich weitermachen.“