Ein Sportverein im Wandel: Turnerschaft will sozialer Dienstleister für Ganztagsschulbetreuung werden
Hausbruch. Sportvereine sind heute nicht nur Deutschlands Sportanbieter Nummer eins. Als Partner von Ganztagsschulen und Jugendämtern übernehmen sie zunehmend Aufgaben in der Stadtentwicklung. Einer der führenden Sportvereine in Hamburg dabei ist die Hausbruch-Neugrabener Turnerschaft (HNT). Seit 30 Jahren beschäftigt sich HNT-Geschäftsführer Karsten Bode, 62, hauptberuflich mit dem Umbau des reinen Sportvereins zum Stadtteilverein. Die größte Herausforderung der Sportvereine heute sieht er in der immer stärkeren Bedeutung der Ganztagsschule.
Sportvereine als Stadtteilvereine, sagt Bode, müssen in der Lage sein, als sozialer Dienstleister ein Gesamtpaket für die Ganztagsschulbetreuung anzubieten und damit in den Wettbewerb mit den sozialen Wohlfahrtsverbänden zu treten. Deshalb rät Karsten Bode den heute meist noch ehrenamtlich geführten Sportvereinen zu mehr Hauptamtlichkeit.
Mit seinen Thesen zur Überlebensfähigkeit von Sportvereinen ist der HNT-Geschäftsführer kein Exot. Die Turnerschaft mit Sitz in Hausbruch, der größte Sportverein in Hamburgs Süden, gehört einem einflussreichen sportpolitischen Dachverein in Hamburg an: dem TopSportVerein Metropolregion Hamburg. 26 meist Traditionsvereine bilden diese Interessenvertretung der Großvereine. Ihre Gemeinsamkeit: Sie haben jeweils mehr als 3000 Mitglieder, besitzen vereinseigene Sportanlagen und zeigen soziales Engagement im Stadtteil. In drei der 26 TopSportVereinen haben inzwischen hauptamtliche Vorsitzende den klassisch ehrenamtlichen Präsidenten abgelöst und wie Proficlubs Aufsichtsräte geschaffen.
Der Hamburger Senat hat die Stadtteilentwicklung durch Sportvereine ist seiner sogenannten Dekadenstrategie als Ziel verankert. Das Strategiepapier zur Entwicklung der Hamburger Sportlandschaft bis in das Jahr 2022 sieht den Wandel von Sportvereinen zu Stadtteilvereinen unter der Überschrift „SPORTmachtSTADT“ ausdrücklich vor. Eine direkte finanzielle Förderung ist zwar bis jetzt nicht vorgesehen, da der Vereinssport über den Hamburger Sportbund gefördert wird, heißt es aus der Behörde für Inneres und Sport. Sportvereine seien aber in vielen städtischen Förderprogrammen zur sozialräumlichen Entwicklung Partner. Und mit der Dekadenstrategie würden die Fachämter für Sozialraummanagement in den Bezirken gestärkt, Sportvereine als Partner der Quartiersentwicklung einzubeziehen. „Viele große Vereine wie die HNT haben diese Herausforderung bereits erkannt und prägen ihr Umfeld, indem sie wichtige soziale Aufgaben wahrnehmen, insbesondere für Kinder und Jugendliche. Das unterstützt der Senat“, sagt Behördensprecher Frank Reschreiter.
In der HNT treiben 250 Kinder aus einkommensschwachen Familien Sport, ohne einen Beitrag zahlen zu müssen. Wenig bürokratisch sei das Verfahren, niemand sehe es den Jungen und Mädchen an. Sie seien „voll in der Gemeinschaft drin“, sagt Karsten Bode. Bisher unterstütze der Bezirk Harburg mit etwa 8000 bis 9000 Euro diese Integration. Weniger mit der Dekadenstrategie des Senates passt da zusammen, dass diese Förderung im Jahr 2014 gestrichen werden soll. Die HNT, sagt Bode, finanziere ihr Engagent im Stadtteil mit verhältnismäßig hohen Mitgliedsbeiträgen.
Wie viele Sportvereine bietet die HNT bereits Sportangebote an Ganztagsschulen an. In Zukunft, sagt Karsten Bode voraus, werden große Sportvereine die komplette Ganztagsschulbetreuung auch mit sportfremden Leistungen als Gesamtpaket anbieten – Spielebetreuung, Hausaufgabenhilfe und möglicherweise sogar Essensausgabe inklusive. Die HNT müsste dann Schulkinder von 7 bis 8 Uhr und von 13 bis 16 Uhr betreuen. „Da müssen wir hin“, sagt der HNT-Geschäftsführer, „aber das bedeutet mehr Hauptamtlichkeit.“ Die Turnerschaft prüfe bereits, zusammen mit dem TV Fischbek, dem FTSV Altenwerder und dem FC Süderelbe ein solches Angebot zu schaffen.
Die Ganztagsschule sei auch deshalb eine Herausforderung, weil sie zu den Sportvereinen in Konkurrenz tritt: „Wenn die Kinder am Nachmittag stundenlang Sport in der Schule treiben, beginnen Eltern sich zu fragen, warum sie noch am späten Nachmittag oder frühen Abend Training im Sportverein machen sollen“, erklärt Karsten Bode das Dilemma. Die Lösung sei, dass Sportvereine sich auf Wettkampf orientierten Sport besännen, sagt er. Auf die Leistungssportler also. Und sogenannte Show Parcours Teams, die bundesweit auftreten und immer beliebter seien.