Mit einem Aktionstag „Berufe fürs Leben“ wird Mitte November in Winsen um neues Pflegepersonal geworben. 18 Einrichtungen sind im Kreishaus vertreten. Umschüler können jetzt besser gefördert werden.
Winsen Im Landkreis Harburg arbeiten deutlich zu wenige Kranken- und Altenpfleger, Personal für die Gesundheitsberufe wird händeringend gesucht. „Unsere Branche hat ein massives Fachkraft-Problem“ sagte Nikolaus Lemberg, Geschäftsführer des Salzhausener Dienstes, Interessengemeinschaft Ambulante Pflege, am Wochenende in Winsen. Das Unternehmen gehört zu den Organisatoren der Messe „Berufe fürs Leben“, die sich an potenzielle Einsteiger oder auch Rückkehrer wendet, die nach einer Familienphase erneut berufstätig werden wollen. Der Aktionstag im Gebäude B des Kreishauses in Winsen beginnt am Dienstag, 12. November, um zehn Uhr und endet um 17 Uhr. Sie findet nach 2011 und 2012 zum dritten Mal statt.
Wie schwierig die Situation ist, geht aus aktuellen Zahlen der Arbeitsagentur hervor. So wurden der Arbeitsagentur allein seit Jahresbeginn 246 freie Stellen gemeldet, sagte die Sprecherin der Agentur Lüneburg-Uelzen, Jeannette Unterberger. Dabei geht Interessengemeinschaft Geschäftsführer Lemberg davon aus, dass der Gesamtbedarf mindestens doppelt so hoch liegt. „Schließlich wird nicht jede Stelle der Agentur gemeldet“, sagte Lemberg. Derzeit sind 109 Arbeitsplätze frei. Problemtisch ist vor allem die geringe Zahl der Bewerber, die sich bei der Arbeitsvermittlung melden. „Es kommen 1,3 Bewerber auf eine Stelle. Damit ist die Auswahl beschränkt“, sagt Unterberger. Dazu kommt: Längst nicht alle Bewerber erfüllen die Voraussetzungen. So ist für eine dreijährige Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege ein Realschulabschluss Voraussetzung.
Kein Wunder, dass es so im Durchschnitt 135 Tage dauert, bis ein Arbeitsplatz besetzt werden kann. Das entspricht den Wartezeiten von Technikern, die ebenfalls gesucht sind, weil im Ingenieur- und Technikbereich die Qualifikationen als anspruchsvoll gelten. Künftig werden aber immer mehr Pflegekräfte gebraucht. Das ergibt sich allein aus der demografischen Entwicklung. „So wird die Zahl der über 80-Jährigen im Landkreis bis 2030 von derzeit 4,9 Prozent auf 8,9 Prozent steigen“, sagte Unterberger. Noch dazu geht die Zahl der unter 18-Jährigen gleichzeitig von knapp 18 auf 16 Prozent zurück.
Der hohe Bedarf an ausgebildeten Pflegekräften führt immerhin dazu, dass nach einem erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung eine Anstellung so gut wie sicher ist. „Als Fachkraft wird man nicht arbeitslos“, sagte Lemberg. Dazu kommt: Im Wettbewerb um die raren Arbeitnehmer dürften diese bei den Gehaltsverhandlungen durchaus mehr als die im Tarif festgelegten Summen aushandeln können. Derzeit bekommt eine examinierte Pfleger oder eine Krankenschwester je nach Berufserfahrung zwischen 2100 und 2700 Euro brutto monatlich. Ein Auszubildender beginnt mit 800 Euro im Monat. Dabei ist gesetzlich festgelegt, dass in der Altenpflege mindestens 80 Prozent dieser Summe gezahlt werden müssen. Allerdings sind in der Krankenpflege viele Firmen nicht tarifgebunden. In der Altenpflege können die Gehälter nach der Lehre frei vereinbart werden.
Für Wiedereinsteiger und Frauen aus der Stillen Reserve, die gar nicht bei der Arbeitsagentur gemeldet sind, gibt es auf der Messe den Workshop „Ihr Talent + ihre Chance“. Er wird von der vom niedersächsischen Familienministerium getragenen Koordinierungsstelle „Frau&Wirtschaft“ mit den Pflegezentrum Hainfelder Hof, dem Haus Eckermann, dem Alten- und Pflegeheim Marschacht und der Interessengemeinschaft veranstaltet. An ihn schließt sich am Donnerstag, 14. November, ein Praxistag an. Dabei können Interessierte in den Einrichtungen einen Einblick in die Arbeit erhalten.
Für Umschüler, die auf Grund ihres Alters oder ihrer Familiensituation nicht mehr erneut eine Ausbildung aufnehmen können, gibt es seit Anfang des Jahres für die Altenpflege eine neue Fördermöglichkeit. „Wir können diese Menschen jetzt für die drei Jahre der Ausbildung unterstützen. Sie erhalten Arbeitslosengeld und damit gut 60 Prozent ihres vorherigen Nettoentgelts“, so Agentur-Sprecherin Unterberger.
Insgesamt sind an der Messe 18 Arbeitgeber beteiligt. Dazu gehören die Krankenpflegeschule des Kreises in Buchholz, die Berufsfachschule für Ergotherapie in Bad Bevensen oder die Berufsbildenden Schulen Winsen, wo nicht nur Altenpfleger sondern auch Sozial-Assistenten und Pflegeassistenten ausgebildet werden. Um Jugendliche, die zum Teil im Klassenverband angemeldet sind, ins Gespräch mit Arbeitgebern zu bringen, wurde eine Berufsweg-Rallye konzipiert. Wer sich bei mindestens fünf Einrichtungen informiert und sich dies per Stempel bestätigen lässt, nimmt an einer Verlosung teil. Das Gesundheits- und Sozialwesen beschäftigt im Kreis 7079 der 52.566 sozialversicherungspflichtig angestellten Menschen. Es ist die zweitgrößte Branche der Region nach dem Handel einschließlich der Kraftfahrzeugfirmen.