Jägerschaft sieht den Grund in oft mangelnder Rücksicht der Autofahrer. Blaue Reflektoren sollen die Gefahr bannen
Harburg. „Wir Jäger tun alles, was wir können, um die Wildunfälle zu begrenzen. Jetzt sind die Autofahrer dran!“ Heribert Strauch, Obmann für Öffentlichkeitsarbeit der Jägerschaft im Landkreis Harburg, gibt sich resigniert. Der Grund: Die Zahl der Wildunfälle steigt konstant weiter. Doch viele Autofahrer nehmen seiner Beobachtung nach kaum Rücksicht, beachten die Warnschilder und signalorange-farbene Aufsteller zu wenig, die auf besonders häufige Unfallstellen hinweisen sollen.
Dabei ist Vorsicht durchaus berechtigt: Seit 1975 haben sich die Wildunfälle in Deutschland verfünffacht, die Verkehrsdichte hat sich parallel dazu vervierfacht. Im Jahr 2012/2013 hat es 1368 Wildunfälle allein im Landkreis Harburg gegeben, dazu kommt noch eine nicht unbedeutende Dunkelziffer. Mehr als eine Million Tiere werden dabei laut Deutschem Jagdverband deutschlandweit pro Jahr getötet. Für seltene Arten wie Luchs oder Wildkatze sind Kollisionen regional sogar Todesursache Nummer Eins. Von daher blicken die Jäger mit Besorgnis auf die kommenden Herbst- und Wintermonate, die Hochzeit der Wildunfälle.
„Die Wildtiere nehmen keine Rücksicht auf die Winterzeit“, erklärt Strauch. Durch die Zersiedelung der Landschaften und Störungen ihrer Lebensräume sind sie im Laufe der Zeit zwangsläufig nachtaktiv geworden, um in Ruhe ihre Schlaf- und Futterplätze aufsuchen zu können. Sie bewegen sich häufig auf vertrauten Wegen, den Wildwechseln. Verkehrswege kreuzen diese und zerschneiden Lebensräume. Deshalb werden Straßen oder Schienen regelmäßig vor allem am frühen Morgen und späten Nachmittag/ frühen Abend überquert. Der zunehmende Verkehr führt dazu, dass Wildtiere und Kraftfahrzeuge sich immer öfter auf der Fahrbahn einer Land-, Kreis- oder Bundesstraße begegnen. Sogar Autobahnen können zum Übergang werden, wenn keine Wildzäune vorhanden oder diese beschädigt sind. „Aber das passiert zum Glück selten“, sagt Strauch. Denn ein Wildunfall auf der Autobahn endet meistens verheerend, was mit der hohen Geschwindigkeit des Fahrzeugts zu tun hat. Laut ADAC besitzt ein 20 Kilogramm schweres Reh bei einer Kollision mit Tempo 100 ein Aufschlaggewicht von fast einer halben Tonne. Gleichgültig ob das Auto auf einer Schnellstraße oder Landstraße unterwegs ist: „Letztlich bestimmt das Tempo des Autos den Ausgang des Unfalls“, sagt Strauch.
Nicht umsonst warnen Schilder an den Straßen vor Wild und gehen meist mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung einher. Strauch: „Unsere eindringliche Empfehlung ist, überall dort, wo sich Warnschilder befinden, maximal 70 bis 80 Stundenkilometer zu fahren!“ Bei einem Aufprall mit einem 70 Kilogramm schweren Stück Schwarzwild könnte allerdings das noch zu schnell sein – und für Fahrer und Beifahrer tödlich enden.
20 Tote und 600 Schwerverletze gab es im letzten Jahr in Deutschland durch Wildunfälle. Mehr Tote jedoch gibt es beim Rehwild. Jedes dritte getötete Reh ist ein Unfallopfer. 80 Prozent der verunfallten Tiere gehören zum Rehwild, aber auch die Anzahl des Schwarzwilds hat deutlich zugenommen. „Sie finden bessere Verstecke in Raps und Getreide und die vielen Maisfelder tun ihr übriges“, sagt Strauch.
Während die Autofahrer besonders aufmerksam fahren sollten, um einen Unfall zu vermeiden, arbeiten die Jäger im Landkreis aktiv an der Unfallprävention. Sie stellen an Straßenabschnitten mit hoher Unfallfrequenz Aufsteller auf - als Warnung für andere Verkehrsteilnehmer; sie wickeln Aluminium-Folie um Baumstämme, damit die Tiere von dem reflektierenden Scheinwerfern abgeschreckt werden; sie hängen CDs in die Bäume oder installieren einen Duftzaun mit Sprühschaum, der nach Luchs, Bär oder Wolf duftet und dem Wild suggeriert, hier halte sich der Feind auf. Als effektivste Maßnahme gelten derzeit die blauen Reflektoren, die immer häufiger an den Leitpfosten, die die Straßen säumen, zu sehen sind. Allein 2012 sind an den Straßen im Landkreis Harburg, an denen eine Häufung von Wildunfällen gezählt wurde (siehe unten), 5500 blaue Reflektoren angebracht worden. Ob sie sich bewähren, ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen. „Eindeutige Aussagen sind erst nach drei bis fünf Jahren möglich", weiss Strauch. Aber der ein oder andere Pächter hat schon einmal vorsichtig anklingen lassen, dass durch die blauen Reflektoren die Unfälle weniger geworden sein könnten.