Eine Stele am Herbert-Wehner-Platz erinnert an die Arbeiter Martin Leuschel und Karl Karcz
Harburg. An die ersten Mordopfer des Nationalsozialismus in Harburg erinnert jetzt ein neues Denkmal auf dem Herbert-Wehner-Platz. Am Mittwoch wurde der aus eloxiertem Aluminium gefertigte Pfeiler von Bezirksamtsleiter Thomas Völsch, der Vorsitzenden des DGB Hamburg, Katja Karger und Jan Euler, Harburger Bezirksleiter der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) enthüllt. Die Stele erinnert an die Harburger Arbeiter und Gewerkschafter Martin Leuschel und Karl Karcz.
Bislang gab es dort nur einen unscheinbaren Schaukasten, mit der der Opfer des Naziregimes gedacht wurde. Auf dem 2,40 Meter hohen und 60 Zentimeter breiten neuen Denkmal erinnern nun eingravierte Texte und Bilder an die Gewerkschafter und schildern die Ereignisse, die sich am 7. Februar 1933 in direkter Nähe abgespielt haben.
An diesem Tag, nur eine Woche nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, waren marodierende SA-Leute zum Arbeiterlokal „Stadt Hannover“ gezogen, das sich damals am Großen Schippsee 9 befand. Die Gaststätte war als Arbeiterlokal bekannt, das vor allem von Sozialdemokraten und Kommunisten besucht wurde. Kurz vor Mitternacht verließ ein Arbeiter die Gaststätte und kehrte blutüberströmt wieder zurück. Drei SA-Leute hatten ihn vor dem Lokal zusammengeschlagen. Alle Besucher des Lokals strömten ins Freie. Gegen 0.40 Uhr fielen Schüsse. Martin Leuschel erlitt einen Bauchschuss und verstarb nach wenigen Stunden im Krankenhaus. Karl Karcz wurde schwer verletzt. Er starb am 10. April. Die Stele ist ein Mahnmal der Geschichte und berichtet darüber hinaus von der Zerschlagung der Gewerkschaften. Am 2. Mai 1933 stürmten Schlägertrupps der Nazis die Gewerkschaftshäuser - organisierte Arbeiter, Sozialdemokraten und Kommunisten wurden von da an verfolgt, Tausende fanden den Tod.
„Der rechte Terror existiert in unserem Land immer noch, deshalb müssen wir uns erinnern und achtgeben auf unsere Demokratie“, sagte Bezirksamtsleiter Thomas Völsch in seiner Ansprache bei der Einweihung . Dass man die rechte Gewalt nicht unterschätzen dürfe, zeige die furchtbare Mordserie der rechtsradikalen NSU auf erschreckende Weise, so Völsch weiter. Katja Karger, die als neu gewählte Hamburger DGB-Vorsitzende ihren ersten Termin in Harburg absolvierte, sprach in ihrer Rede an, dass auch viele Gewerkschafter die Gefährlichkeit der Nationalsozialisten anfangs unterschätzten. Weiterhin betonte sie die Verantwortung die jeder heute habe, die Opfer des braunen Terrorregimes nicht zu vergessen: „Nur wer sich erinnert, lernt für die Zukunft“.
Jan Euler sprach über die Auseinandersetzungen der Kommunisten und Gewerkschafter mit den rechten Schlägertrupps, die in Harburg stattfanden: Martin Leuschel und Karl Karcz waren die ersten politischen Mordopfer der Nazis im Stadtteil überhaupt. „Wir dürfen nicht nachlassen im Kampf um Demokratie, Toleranz und Mitbestimmung“, rief der Gewerkschafter den Anwesenden zu.
Neben der neuen Stele am Herbert-Wehner-Platz erinnert dort direkt vor Karstadt ein Stolperstein an Martin Leuschel, außerdem ist der Martin-Leuschel-Ring nach ihm benannt. In Gedenken an Karl Karcz gibt es in Rönneburg den Karczweg.
Wer sich über Gewerkschaften zu Beginn der Nazizeit informieren möchte, hat dazu ganz aktuell die Gelegenheit. Dem Thema widmet sich eine Ausstellung, die am Mittwoch im Harburger Rathaus eröffnet wurde und dort bis zum 8. November zu sehen ist. Unter dem Titel „Zerschlagung der Mitbestimmung 1933“ haben der DGB, die Hans-Böckler-Stiftung und die Friedrich Ebert Stiftung Wissenswertes über das Ende der ersten deutschen Betriebsdemokratie, die mit dem Reichsermächtigungsgesetz von 1933 zerstört wurde, zusammengetragen.