Das Hamburger Abendblatt stellt alle Teilnehmer des Harburger Kulturtages vor. Auch dabei: die Stipendiatinnen des Vereins „Künstler zu Gast in Harburg“. Sie laden ins Mayr’sche Haus ein
Harburg. Im Dachgeschoss des Mayr’schen Hauses sieht es genau so aus, wie man es sich in einem Atelier vorstellt. Die Arbeitstische sind voll mit Farben und anderen Zeichenutensilien, an den Wänden hängen und stehen zahlreiche Arbeiten und der Boden ist voll mit Farbklecksen. „Der war noch sauber, als ich hier eingezogen bin“, grinst Suzanne Levesque. Die 29-jährige US-Amerikanerin mit kanadisch-irisch-schwedischen Wurzeln war letztes Jahr Stipendiatin des Vereins „Künstler in Harburg“. Ihre Nachfolgerin ist die New Yorkerin Yen Ju, die seit Ende März in dem Atelier in der Lämmertwiete arbeitet. Beim Harburger Kulturtag am 26. Oktober gewähren die jungen Künstlerinnen Einblicke in ihre Arbeit.
Jen Yu ist die 27. Stipendiatin des 1986 gegründeten Vereins. In Harburg hat sie sich schon gut eingelebt. „Es gefällt mir hier sehr gut“, sagt sie. „Es ist hier so friedlich. Harburg ist ein gutes Mittelding zwischen urbanem Umfeld und der Natur.“ Während ihres einjährigen Stipendiums steht ihr nicht nur das Atelier, sondern auch eine Wohnung im Mayr’schen Haus kostenlos zur Verfügung. Außerdem bekommt sie monatlich einen Materialzuschuss von 250 Euro. Damit hat das Stipendium einen Gesamtwert von 20.000 Euro. „Für mich ist das eine tolle Chance“, so Yu. „Außerdem wollte ich immer schon mal nach Deutschland, weil viele Künstler, die meine Arbeit beeinflusst haben, aus Deutschland kommen.“
Am künstlerischen Schaffen von Jen Yu hat sich viel getan, seit sie in Harburg wohnt. „Beworben hatte ich mich für das Stipendium noch mit Zeichnungen“, sagt sie. „Einige davon werden bei beim Kulturtag auch zu sehen sein.“ Neuerdings widmet Jen Yu sich allerdings ganz und gar ungewöhnlichen Arbeiten. Die 23-Jährige zeichnet zunächst mit Tinte und Grafit auf Stoff und gießt die entstandenen Bilder dann in Harz ein. Das Ergebnis sieht aus wie Bernstein. „Die Idee ist, dadurch die Erinnerung festzuhalten“, erklärt Yu. Ihre Motive, die Häuser, Menschen und Landschaften zeigen, beziehen sich stark auf Jen Yus Familiengeschichte. „Ich widme mich mit dem Thema der Verletzbarkeit, indem ich mich mit einer Zeit auseinander setze, in der meine Familie viel Verlust und Trauer erlebt hat“, so Yu. Dabei spielen auch die Massaker von Nanking eine Rolle, jene Kriegsverbrechen der japanischen Besatzer in der chinesischen Hauptstadt Nanking während des Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieges.
Weil Jen Yu für ihre Arbeiten nicht viel Platz braucht, darf Suzanne Levesque, obwohl ihr Stipendium eigentlich zu Ende ist, auch in diesem Jahr noch weiter in dem Atelier arbeiten. Die beiden kennen sich schon aus ihrem Kunststudium in Baltimore und arbeiten sieben Tage die Woche. „Wenn wir uns treffen, machen wir erst immer eine Stunde lang etwas, worauf wie Lust haben, trinken einen Kaffee oder gehen durch die Stadt“, so Yu. „Und dann arbeiten wir meistens bis vier Uhr morgens durch.“
Suzanne Levesque wird beim Kulturtag einige ihrer großformatigen Ölgemälde präsentieren, die hauptsächlich Menschen zeigen. „Es ist mir wichtig dem Menschen durch die Abstraktion der Malerei näher zu kommen“, sagt sie. „Wir sind unserer Biologie ja unterlegen und versuchen immer dagegen an zu kämpfen. Indem ich sie darstelle, habe ich die körperliche Existenz wieder unter Kontrolle.“ Dabei spielt Levesque zum Teil auch mit Verfremdungen und arbeitet neuerdings zudem mit Glitzer. „Jedes Mädchen mag Glitter“, sagt sie.
Am Kulturtag wollen die beiden für die Besucher auch eine kleine Gesprächsrunde veranstalten. „Da überlegen wir uns noch etwas“, so Levesque. „Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich dieses Jahr nicht alleine bin. Letztes Jahr kamen um die 300 Leute und ich konnte nicht austreten. Ich hätte nie gedacht, dass so viele Leute kommen. Aber es war toll zu sehen, wie auch Besucher, die sonst nichts mit Kunst zu tun haben, sich für die Arbeiten interessierten und damit etwas anfangen konnten.“
Harburger Kulturtag am 26. Oktober 2013: „Künstler zu Gast in Harburg“, Atelier im Mayr’schen Haus, Lämmertwiete 14, 10 bis 20 Uhr. Arbeiten von Jen Yu und Suzanne Levesque.