Wer freitags vormittags über den Harburger Rathausplatz geht, merkt den Trend deutlich: Die Hochzeitsgesellschaften stehen förmlich Schlange, um sich auf der Rathaustreppe zum Gruppenbild zu postieren
Harburg. Seit das Standesamt seine Trauzimmer ins Harburger Rathaus verlegte, erleben die Hochzeitsfeiern einen neuen Trend: Die standesamtliche Trauung wird vom feierlichen Verwaltungsakt zum Groß-Event. Die Beamten stellen sich darauf ein.
Es geht auch ohne große Prozedur. Letztlich ist eine Trauung nur eine Amtshandlung. „Wir haben auch schon schnell und formlos im Büro der Standesamtsleiterin getraut", sagt Bernhard Schleiden, Leiter des Dezernats Bürgerservice im Bezirksamt Harburg, „aber so etwas ist die Ausnahme. Der Trend geht eigentlich in die andere Richtung. Deshalb schaffen wir hier auch einen feierlichen Rahmen."
Wer freitags vormittags über den Harburger Rathausplatz geht, merkt den Trend deutlich: Die Hochzeitsgesellschaften stehen förmlich Schlange, um sich auf der Rathaustreppe zum Gruppenbild zu postieren. Seit das Harburger Standesamt seine Trauzimmer von der ehemaligen Handwerkskammer am Museumsplatz in den rechten Rathausflügel verlegt hat, nehmen die standesamtlichen Trauungen in Harburg an Umfang zu. Immerhin können im großen Trauzimmer auch bis zu 80 Gäste der Eheschließung beiwohnen.
„Standesamtliche Trauungen bekommen zunehmend Eventcharakter", sagt Schleiden, „langsam beginnen wir, den Kirchen den Rang abzulaufen, denn viele Eheleute heiraten gar nicht mehr kirchlich."
Das liegt zum einen am Trend zum Kirchenaustritt, den Schleidens Dezernat von Amts wegen stets im Blick hat; zum anderen daran, dass viele Harburger wenn überhaupt eine Religion, dann einen ganz anderen Glauben haben. Auch auf die Multikulturalität ist das Standesamt dezent eingestellt: Wände und Decke des großen Trauzimmers sind in einem unaufdringlichen Grünton gehalten. „Das macht das große Trauzimmer besonders bei Muslimen beliebt", sagt Nicola Damm, stellvertretende Leiterin des Standesamtes, „denn Grün ist die Farbe des Propheten Mohammed."
Jeden Freitag wird im Rathaus getraut. Bis zu 14 Eheschließungen bewältigen die acht Standesbeamten pro Freitag. In der Regel sind die Termine ausgebucht. „Nur im November haben wir manchmal etwas Luft", sagt Nicola Damm. Sie ist seit 19 Jahren Standesbeamtin und bestätigt den Trend, aus der standesamtlichen Trauung ein größeres Ereignis zu machen: „Wir werden immer häufiger um sehr ausführliche Traureden gebeten. Das ist eine neuere Entwicklung. Manche Paare wünschen sich auch Musik bei der Trauung. Das muss allerdings vorher abgesprochen werden, denn beide Trauzimmer liegen direkt nebeneinander und werden gleichzeitig benutzt. Dann könnte die Musik des einen Paares die Trauung des anderen stören. Mit entsprechender Absprache hatten wir aber auch schon mal eine Trauung mit Cello-Begleitung"
Die Trauzimmer im Rathaus wurden eingerichtet, als das Standesamt 2012 aus der alten Handwerkskammer in den neuen Zweckbau im Rathausforum an der Knoopstraße zog. „Wir haben gleich gesagt, dass wir uns in diesem Gebäude keine Trauzimmer vorstellen können", sagt Bernhard Schleiden.
Zum Bestellen des Aufgebotes müssen Heiratswillige nun ins Rathausforum, verheiratet werden sie im Rathausflügel, wo im kleinen Trauzimmer bis zu 40 und im großen Raum bis zu 80 Gäste Platz finden. Allerdings schließt dies schon die Stehplätze mit ein.
Jeanette und Mirko Willert haben gerade im großen Trauzimmer geheiratet und sind begeistert – und das nicht nur, weil sie sich jetzt auf ewig haben: „Ich kannte ja als Gast die alten Räume und auch Trauzimmer in anderen Standesämtern", sagt Bräutigam Mirko, „aber die neuen Räume sind etwas Besonderes. Vor allem, weil die Gäste hier nicht hinter dem Brautpaar Platz nehmen müssen, sondern das ganze Prozedere sehen können."
Sieben Mal im Jahr bietet das Standesamt auch Trauungen am Sonnabend an. „An diesen Tagen können wir auch außerhalb der Amtsräume trauen", sagt Bernhard Schleiden. „Voraussetzung ist, dass der Ort einen würdigen Rahmen bietet und öffentlich zugänglich ist." Trauungen in der privaten Wohnung scheiden damit aus, aber Nicola Damm und ihre Kollegen haben schon in Gasthöfen, Vereinsheimen und auf Schiffen getraut.
Allerdings lässt sich das Standesamt den Außendienst auch bezahlen: Zu den bescheidenen 32 Euro Gebühren, die eine Trauung ohne besonderen Urkundenaufwand im Rathaus kostet, kommen dann Kosten je nach Zeitaufwand des Beamten. „Mehr als 1000 Euro dürfen wir aber nicht berechnen", weiß Dezernent Schleiden.
Wünschen Heiratswillige einen anderen Termin, als einen Freitag oder Sonnabend, müssen sie nicht verzweifeln. „Wir versuchen, das zu ermöglichen", sagt Schleiden. „Die Trauzimmer stehen ja zur Verfügung. Nur die Beamten haben ja auch noch mehr Aufgaben, als nur Aufgebote und Trauungen und müssten dann in der betreffenden Zeit davon freigestellt werden."
Bei aller Routine, die die Harburger Beamten haben: Trauungen sind immer noch aufregend – erst recht die eigene: „Als ich heiratete, war ich schon fünf Jahre Standesbeamtin. Aber an dem Vormittag meiner Hochzeit war ich genauso nervös, wie alle Bräute, die ich in den Jahren zuvor vor mir sitzen hatte", gibt Nicola Damm zu. „Die Trauung wurde von meiner Chefin durchgeführt. Und die war auch mindestens so aufgeregt, wie ich."