1000 Freiwillige bereiten die Krönung der Heidekönigin in Amelinghausen vor. 10.000 Zuschauer kommen zum Umzug
Amelinghausen. Dieser Mann hat’s gern konstant. Hans-Jürgen Pyritz, 58, wohnt schon sein Leben lang im Heide-Dorf Amelinghausen: 48 Jahre davon in dem Haus, in dem er geboren wurde, seit 32 Jahren gemeinsam mit seiner Frau Georgina. Und seit zehn Jahren ist einmal im August abends der Garten voll. Dann treffen sich die Mütter der Prinzessinnen und Hofdamen, um Heidekronen für ihre Mädchen zu stecken.
Georgina Pyritz, die hier alle nur Geo nennen, bildet mit Karin Schönheit das Team der Ersatzmütter der Heideköniginnen und ihres Hofstaates. Die beiden sorgen auch dafür, dass die Königin drei Kronen hat: eine für die Festwoche, eine bis Februar und eine für den Rest der Regentschaft.
Doch die acht Kronen für die kleinen Prinzessinnen und Hofdamen müssen die echten Mütter stecken. Eine von ihnen ist Mandy Augner. Sie hat Töchterchen Celina auf die lange Warteliste setzen lassen, da war die Kleine gerade mal ein Jahr alt. Jetzt ist sie neun – und endlich Hofdame. „Ich habe jahrelang gewartet und jetzt direkt nachgefragt, wann es denn mal was wird“, erzählt die Mutter. Ihre Hartnäckigkeit hat sich gelohnt.
Um die 30 Namen stehen auf der Warteliste für die Prinzessinnen und Hofdamen. Prinzessinnen sind etwa fünf Jahre alt, Hofdamen um die zehn Jahre. Auch für das mit bis zu 80 Terminen im Jahr sehr zeitraubende Amt der Königin selbst gibt es keinen Bewerberinnenmangel – es scheint, als sei die mehr als 60 Jahre alte, aus einer Laune des Männerchors entstandene Tradition noch immer modern. „Das ist ein richtiger Mädchentraum“, sagt die amtierende Heidekönigin Jana George, 23. „Jeder in Amelinghausen fiebert auf das Fest hin, von Klein bis Groß. Die ganze Familie ist involviert, es ist das Highlight des Jahres.“
Der vorletzte Sonntag im August ist der Jour fixe des ganzen Ortes: Die Krönung der Heidekönigin. Hans-Jürgen Pyritz hat noch kein einziges Heideblütenfest in seinem Leben verpasst, drei Tage Urlaub nimmt er sich während der Festwoche vor der Krönung. Übers Jahr verteilt steckt er durchschnittlich zwei Stunden Arbeit täglich in sein Ehrenamt. Es ist sein Hobby, sagt er zur Erklärung – neben der Feuerwehr und dem Holzmachen für den Winter.
Gleichzeitig geht beim größten Heidenblütenfest der Region ohne Spenden von Firmen, ohne Zuschüsse von Kommunen und ohne Freiwillige nichts: Ohne die Helfer, die kein Geld für ihre Arbeit bekommen. Um die 1000 sind das – bei 4000 Einwohnern. Eine Agentur für die Organisation zu bezahlen? Keine Chance bei dem 45.000-Euro-Etat für eine Woche Festivitäten. Schließlich sollen die geschmückten Wagen beim Festumzug am Krönungssonntag werbefrei bleiben.
Norbert Thiemann gehört ebenfalls zum Vorstand des Vereins und arbeitet seit Jahren in der Truppe mit dem wohl längsten Namen der gesamten Veranstaltung: der Bühnenrückwandgestaltungsgruppe. Was sie tut, bedarf dank ihrer umfänglichen Bezeichnung keiner Erklärung. Die Bühne ist zwölf Meter breit, ihr Rücken besteht aus einer Art Fachwerk mit 18 Platten. Jede Platte gestaltet die Gruppe anders – und in die Mitte kommt das Ortswappen. Am Mittwochabend geht’s in die Heide, dann wird gesammelt, so viel wie in zweieinhalb Stunden möglich ist. Ab Donnerstagmittag bis spätestens Sonnabend wird gesteckt. „Kinder, Jugendliche, Senioren: alles sind dabei.“
Warum kaum jemand abspringt, erklärt sich Thiemann so: „Die meisten sind von Klein auf dabei, es gehört einfach zum Leben dazu. Dennoch ist es aber kein Zwang, niemand muss jeden Tag dabei sein.“ Karin Schönheit hat noch eine kürzere Erklärung: „Einmal Amelinghausen, immer Amelinghausen!“ Selbst die Jungen, die für Ausbildung oder Studium weggezogen sind, kämen im August wieder. „In Sachen Heideblütenfest wird niemand müde.“ Und wer als Zugezogener nicht viel anfangen kann mit der Tradition der Wahlheimat, wird sanft aber bestimmt an sie herangeführt: Indem die Kinder in den Kitas eigene Festwagen bauen – und die Eltern helfen – sofern sie denn können – helfen.
Ermüdend für die Königinnen selbst dürften allerdings die ständigen Hinweise auf ihre Vorvorgängerin aus dem Jahr 1990 sein. „Von zehn Fragen wird sechsmal nach Jenny Elvers gefragt“, sagt Georgina Pyritz und kann darüber nur etwas ratlos mit den Schultern zucken.
Königin, Hofdame oder Prinzessin ist übrigens keins der Kinder aus dem Hause Pyritz gewesen – es sind Jungs. Der Älteste aber war schon einmal Heidebock, und das ist fast genauso gut.