Medizinisches Versorgungszentrum Mariahilf wird geschlossen. Patienten sind verunsichert, weil sie niemanden mehr in der Praxis erreichen und nicht wissen, wie sie an ihre Akten gelangen können.
Harburg. Das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) Mariahilf Am Wall in Harburg wird voraussichtlich noch in diesem Jahr geschlossen. Aber schon jetzt hat der Auflösungsprozess in der Praxis begonnen. Die Patienten der drei Ärzte, die in diesem MVZ praktizieren, stehen vor verschlossener Tür. Sie sind verunsichert, weil sie auch telefonisch niemanden mehr in der Praxis erreichen und nicht wissen, wie sie an ihre Akten gelangen können, um sich einen neuen Hausarzt oder Chirurgen zu suchen.
Dr. Rolf Jochen Panny und sein Kollege arbeiten in dem MVZ auf verlorenem Posten. "Das Gefühl habe ich jedenfalls. Mit der Erfüllung der Fürsorgepflicht für unsere Patienten hat das nicht mehr viel zu tun. Ich kann nicht am Empfang stehen, Telefondienst machen und gleichzeitig meine Patienten untersuchen und behandeln", sagt Panny. Es sei absurd, dass den Helferinnen der Praxis bereits gekündigt worden sei, die Ärzte aber noch arbeiteten und sich jetzt mit einer Aushilfe an vier Stunden in der Woche "über Wasser hielten". Diese Verunsicherung der Patienten schade nicht zuletzt dem Ruf der Ärzte des MVZ Mariahilf. Auf Anfrage des Abendblatts bestätigte Andreas Reichardt die Schließungsabsichten für das MVZ, wollte aber nicht bestätigen, dass den Helferinnen bereits gekündigt wurde. Zur Begründung, warum der Empfang nur sporadisch besetzt sei, führt Reichardt Urlaubszeit und Krankheitsfälle an. Die Patienten würden aber, so der Geschäftsführer, über Aushänge und Bandansagen am Praxistelefon informiert. Andreas Reichardt ist Geschäftsführer der Helios Mariahilf Klinik und gleichzeitig Geschäftsführer des MVZ Mariahilf. Als Grund für die Schließung gibt Reichardt die "zu geringe Auslastung des MVZ" an. Es werde nicht in ausreichendem Maße von den Patienten angenommen.
Panny hält dagegen, dass das MVZ mit etwa 1700 Patienten im Quartal sehr wohl gut ausgelastet sei. Er vermutet den eigentlichen Grund für die Entscheidung, das MVZ zu schließen darin, dass die Räume der Praxis im Gesundheitszentrum nicht voll ausgelastet seien.
Der Chirurg ist 68 Jahre alt. 2009 hatte er noch seine eigene Praxis in Neugraben. Als ein Kollege ihn ansprach, dass der Krankenhausträger Helios ein MVZ Am Wall gründen wolle und dafür noch Ärzte suche, habe er zugesagt und die eigene Praxis geschlossen. "In dem Alter macht man sich schon Gedanken über die Rente, aber zum Aufhören fühlte ich mich noch zu jung. Ich wollte weiter arbeiten", sagt Rolf Jochen Panny. Wie seine Kollegen habe auch er dann Helios seine Kassenärztliche Zulassung übertragen und konnte als angestellter Arzt in dem MVZ von Helios weiter machen. Der Vorteil für die Ärzte: Sie müssen nicht mehr das unternehmerische Risiko einer eigenen Praxis tragen. Sie sind damit Angestellte der Krankenhausträger, in diesem Fall Helios. "Der Vorteil für die Krankenhausträger wie Helios liegt bei diesen MVZ darin, dass sie sich praktisch die Einweisungen in ihre Krankenhäuser damit einkaufen", sagt der Chirurg. Die bei Helios angestellten Ärzte überweisen ihre Patienten in der Regel in Helios-Kliniken, in Harburg also in die Mariahilf Klinik. Vor allem im Landkreis Harburg leiden die trägerfreien Krankenhäuser massiv unter diesen sogenannten Portalpraxen. Auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hamburg sieht diese Problematik. "Da schlagen zwei Seelen in unserer Brust. In diesem Konstrukt kann die medizinische Versorgung zur reinen Firmenhülle werden", sagt der stellvertretende Vorsitzende der Hamburger KV, Dieter Bollmann.
Helios unterhält insgesamt zwei MVZ in Harburg, deren "primäre Aufgabe es nicht ist, der Mariahilf Klinik Patienten für die stationäre Behandlung zuzuweisen", widerspricht Reichardt.
Die "Unannehmlichkeiten, die die aktuelle Situation im MVZ Mariahilf für unsere Patienten mit sich bringt, bedauern wir sehr und möchten uns dafür entschuldigen. Wir werden alles tun, um für unsere Patienten eine rasche und unkomplizierte Lösung herbei zu führen", sagt Andreas Reichardt von Helios. Auch Panny und seine Kollegen stehen nun vor dem Problem, wie es für sie weitergehen soll, denn aufhören zu arbeiten, so Rolf Jochen Panny, wolle er nach wie vor nicht. Um wieder selbstständig als Arzt arbeiten zu können, braucht er seine Kassenärztliche Zulassung von Helios zurück, die er 2009 an den Träger übertragen hatte. "Aber das ist natürlich auch eine Frage des Preises. Wir reden da über eine fünf- bis sechsstellige Summe", so der Chirurg. Über genaue Summen will Reichardt nicht sprechen, Helios sei aber in Verhandlung mit den Ärzten des MVZ.