Neuer Bedarfsplan in den Landkreisen Harburg, Lüneburg und Stade gilt ab 1. Juli. Die Region ist bislang gut versorgt, vor allem wegen der Nähe zu Hamburg.
Stade. Landarzt - oder doch lieber eine Praxis in der Stadt? Wo sich Mediziner heute niederlassen, hängt von vielen Faktoren ab. Neben persönlichen Vorstellungen spielt auch die Bedarfsplanung eine große Rolle. Sie regelt, wie viele freie Arztsitze es in einer Region gibt. In den Landkreisen Harburg, Lüneburg und Stade gilt der neue Plan ab 1. Juli. Und der zeigt: Die Versorgungslage ist derzeit noch gut. Das Niveau aber über die Jahre hinweg aufrecht zu erhalten, wird nach Meinung vieler Experten in manchen Regionen zusehends schwierig.
Der Landkreis Stade hat viel zu bieten: Ländlich geprägt und doch in unmittelbarer Nähe zur Metropole Hamburg, gibt es nicht nur jede Menge Einkaufsmöglichkeiten, eine gute Infrastruktur und Sehenswürdigkeiten. Er ist auch attraktiver und dynamischer Wirtschafts- und Investitionsstandort für Industrie-, Handwerks- und Handelsunternehmen sowie Dienstleister. "Wer hierher zieht, braucht sich nicht zu verstecken. Ganz im Gegenteil: In der Region Stade lebt es sich wirklich gut", sagt Michael Schmitz. Nein, er arbeite nicht als Imageberater im Büro des Landrates, betont er, aber Werbung machen für eine schöne Region - und dafür, sich für eine hausärztliche Versorgung auf dem Land zu entscheiden, das wolle er schon. "Ein Landarzt genießt ein hohes Ansehen, die Lebensqualität auf dem Land ist hoch", sagt er. Außerdem bestehe die Möglichkeit, Arbeitszeiten eigenverantwortlich und flexible zu gestalten. "Mittlerweile müssen Mediziner in der hausärztlichen Versorgung in ländlichen Gebieten im Durchschnitt nur einen Notdienst übernehmen. Die KV bietet umfassende und ortsnahe Serviceangebote und fördert die Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin. Die Tätigkeit ist also attraktiver als ihr Ruf." Auf dem Land zu arbeiten sei keineswegs "eine Strafe Gottes".
Entlastung schaffen und den Job als Landarzt attraktiver machen, soll nun das sogenannte MoNi-Projekt (Modell Niedersachsen). Das Prinzip: Der Arzt delegiert Aufgaben wie Medikamentengabe, das Anlegen und Wechseln von Verbänden sowie Blutdruck- und Blutzuckermessungen an qualifizierte medizinische Fachangestellte, die dann auf Hausbesuche fahren.
Ein weitere wichtige Errungenschaft sei das seit Anfang 2012 geltende GKV-Versorgungsstrukturgesetz, das sogenannte Landarztgesetz. Damit entfiel beispielsweise die Residenzpflicht, was bedeutet, dass der Arzt nicht mehr unbedingt am Ort der Praxis auch leben und wohnen muss. "Wir haben die berechtigte Hoffnung, dass das tatsächlich was bringen könnte", sagt Schmitz. Seither gebe es auch vermehrt Anfragen von Medizinern aus Hamburg und Bremen.
Doch nach wie vor sei die Vorstellung des Landarzt-Daseins mit vielen Vorurteile wie geringe Verdienstmöglichkeiten, mangelnde Zukunftsperspektiven und hohe Arbeitsbelastung verbunden. Doch die meisten seien unbegründet, sagt Schmitz. "Sicherlich ist das Investitionsrisiko groß, aber das ist es für jeden Unternehmer, der in die Selbstständigkeit geht. Landärzte können trotzdem gutes Geld verdienen und Anlauf- und Notfallpraxen minimieren das Arbeitspensum. Vielen bleibt noch genügend Freizeit nach der Sprechstunde. Und mir ist kein Insolvenzfall bekannt, weil die Praxis nicht funktioniert."
Gerade in ländlichen Gebieten werden Mediziner gebraucht. Dort gibt es viele hilfsbedürftige Patienten. In der gesamten Bundesrepublik gibt es nach Schätzungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mehr als 3000 unbesetzte Hausarztpraxen, in Niedersachsen waren Ende des vergangenen Jahres 481 Landarztstellen unbesetzt. Prognosen besagen, dass in den kommenden zwölf Jahren in Niedersachsen über 4200 Ärzte in den Ruhestand gehen werden. Ausreichender Nachwuchs im ambulanten Bereich sei nicht in Sicht. Und in Stade? "Da sieht es noch ganz gut aus", sagt Schmitz. In den kommenden drei bis vier Jahren werden im Bezirk schätzungsweise 65 Ärzte in den Ruhestand gehen. Kreisweit stehen aktuell 25 der 110 verfügbaren Arztsitze zur Disposition. Berechnungen zufolge liegt die Versorgungsquote im Landkreis Stade zum 1. Juli damit bei 75 Prozent.
Für den Landkreis Harburg, der in vier Bereiche aufgeteilt ist, sehen die Zahlen ähnlich aus: 40 Hausärzte könnten sich niederlassen. Insgesamt gibt es 126 Sitze. Die Versorgungsquote liegt aktuell bei etwa 90 Prozent. "Das ist aber auch schon über viele Jahre hinweg so gewesen", betont Oliver Christoffers, Geschäftsführer der KVN Lüneburg. Der Landkreis Harburg sei bei jungen Ärzten nach wie vor beliebt: "Es gibt sicher auch bei uns Gegenden, die nicht so gut nachgefragt werden, aber insgesamt haben wir - vermutlich durch die Nähe zu Hamburg - keine Probleme, die freien Sitze auch wieder zu vergeben."
Übertroffen wird Harburg dabei nur von Lüneburg. Die 115 verfügbaren Sitze sind alle vergeben. "Lüneburg wird als sehr attraktiv wahrgenommen und ist seit Jahren überversorgt. Ich denke nicht, dass sich daran groß was ändern wird", sagt Christoffers.