Der traditionsreiche Harburger Wochenmarkt auf dem Sand hat ein gravierendes Generationsproblem. Nur wenig junge Leute kaufen auf dem Markt ein.
Harburg. Mit Glücksrad, bunten Luftballons, Sekt und Lachshäppchen feierten am vergangenen Donnerstag Marktbeschicker und Vertreter des Bezirksamtes die neue Struktur des Wochenmarktes auf dem Sand. Als "kleine Revolution" pries Henner Schönecke, Sprecher der Marktobleute, die modifizierte Formation der Wagenburg, die jetzt parallel zur Edeka-Filiale Niemerszein angeordnet ist. Auch das erste Echo der befragten Kunden war durchweg positiv. Doch unübersehbar war an diesem Tag ebenso, was Petra Roschinski so auf den Punkt brachte: "Der Markt hat ein gravierendes Generationsproblem."
Seit drei Jahrzehnten geht die 68-Jährige regelmäßig auf dem Sand einkaufen. Bei drei verschiedenen Schlachtern ordert sie ihr Fleisch, je nachdem, ob nun Rind, Schwein oder Geflügel auf die Teller kommen soll. Auch bei Obst und Gemüse ist sie wählerisch: Früchte werden bevorzugt am Holst-Stand gekauft, Grünzeug bei Riekmann. "Was mir dabei aber immer wieder auffällt: Ich sehe kaum junge Leute", so Petra Roschinski.
Diesen Eindruck bestätigt auch Wolfgang Peter. "Ich war vor 40 Jahren das erste Mal auf dem Markt einkaufen und bin ihm seitdem immer treu geblieben. Manchmal habe ich aber das Gefühl, ich treffe immer die selben Leute", sagt der 78-Jährige. Seit der Rentner in einer Seniorenresidenz gleich um die Ecke wohnt, dreht er praktisch jeden Tag auf dem Sand seine Runde, egal ob es regnet oder die Sonne scheint.
Wenn er in seinem elektrischen Rollstuhl mit der kleinen Deutschlandfahne durch die Gassen zwischen den Ständen rollt, wird er von den meisten Händlern inzwischen persönlich begrüßt. "Ganz klar, meine Markttouren bedeuten für mich auch eine willkommene Abwechslung. Ich habe ja viel Zeit und die nehme ich mir dann auch. Nicht nur, um was Frisches einzukaufen, auch um hier und da ein wenig zu klönen", so Wolfgang Peter.
Nicole Haak ist seit drei Jahren Stammkundin auf dem Sand und ebenfalls froh, dass es den Markt mitten in Harburg gibt. "Wenn ich frisches Obst und Gemüse, aber auch Geflügel, Fleisch und Fisch brauche, ist der Wochenmark immer meine erste Adresse", sagt die Ehefrau und Mutter. Dabei hat auch sie längst festgestellt: "Der Altersschnitt der Kunden dürfte deutlich über 60 Jahren liegen. Dabei müsste das Angebot doch auch für jüngere Kunden interessant sein."
Auf der Suche nach den Gründen kommt Nicole Haak schnell auf das Drumherum zu sprechen: "Das Umfeld finde ich einfach nur schlimm, vor allem auf der Bolero-Seite. Und auch die Parkplatzsituation ist eine Katastrophe." Werde dieses Problem nicht gelöst, sei es wohl schwer, neue, jüngere Kunden für den Mark zu gewinnen. Wie sie überhaupt dafür plädiere, den Wochenmarkt auf den Rathausplatz zu verlegen. "Das Ambiente dort ist doch viel attraktiver", so Nicole Haak. Und durch das Bezirksamt und das angrenzende Einkaufszentrum Arcaden gäbe es vielleicht auch mehr Laufkundschaft.
Dass der Rathausplatz als Standort auch durch das Gutachten der HafenCity-Universität empfohlen worden sei, daran erinnerte auch Baudezernent Jörg Heinrich Penner in seinem kleinen Grußwort zur Neuaufstellung des Marktes am vergangenen Donnerstag. Er ließ dann aber keinen Zweifel daran, dass er den Sand nach wie vor für den besseren Marktplatz halte: "Mit dem neuen Leitbild und einem besseren Marketing sehe ich unseren Wochenmarkt jetzt auf einem sehr guten Weg."
Für die CDU-Fraktion sind Marktbesucher und Kunden indes "nicht in geeigneter Weise in Überlegungsprozesse eingeschaltet worden". Weshalb die Christdemokraten ein eigenes Meinungsbild zu den Veränderungen auf dem Wochenmarkt veranlassten. Dabei seien bereits Zweifel laut geworden, ob die ab 1. Juli von den Marktbeschickern zu räumenden Parkplätze auf dem Sand dann tatsächlich vornehmlich Marktkunden zur Verfügung stehen werden. "Dass auch Besucher der umliegenden Geschäfte, Arztpraxen oder des Reha-Zentrums diese Parkplätze nutzen werden, ist in unserer Befragung mehrfach als Problem thematisiert worden", so Michael Hagedorn, Vizepräsident der Bezirksversammlung.
Derweil schwingt sich die örtliche FDP zum Anwalt jener Marktbeschicker auf, die mit der Verlagerung ihrer Parkplätze unter die 450 Meter entfernte Seehafenbrücke überhaupt nicht einverstanden sind. Es sei schlicht ein Witz, dass Händler Rahmenbedingungen akzeptieren sollen, unter denen sie nachweislich nicht vernünftig arbeiten könnten, so Fraktionschef Carsten Schuster. Entsprechende Nachfragen hätten Verwaltung und SPD nur äußerst ungern beantwortet, weshalb ihnen Schuster "Borniertheit und Sprachlosigkeit" vorwarf.