Öko-Urne oder Designer-Sarg: Dirk Jäger, Superintendent in Hittfeld, spricht über Trends und Grundsätze rund um‘s Thema Bestattung.
Buchholz. Nicht nur mit der Trauer haben Menschen zu kämpfen, wenn eine geliebte, nahestehende Person stirbt. Auf die Hinterbliebenen kommen auch viele - oft schwierige - Entscheidungen zu. Immer vielfältiger werden zum Beispiel die Formen der Bestattung. So können die Toten im klassischen Reihengrab beigesetzt werden, Verwandte können eine Rasenfläche mit Grabplatte wählen oder sie können sich für ein Grabfeld mit Grabmal entscheiden. Sie können den Toten oder die Tote im Sarg oder in der Urne beisetzen lassen, einen Baum im Friedwald als letzte Ruhestätte bestimmen und sogar hinaus auf die weite See fahren und die Asche auf dem Grund des Meeres versenken. Die Möglichkeiten im Umgang mit dem Tod sind ebenso unbegrenzt wie viele Dinge im Leben. Wer da den Überblick behalten will, muss sich in einer schwierigen Lebenssituation kundig machen. Dirk Jäger, Superintendent des Kirchenkreises Hittfeld, spricht deshalb von einem "Zwang zur permanenten Entscheidung", der mit dem Wandel der Gesellschaft spätestens seit den 60er-Jahren einhergeht. Wo früher feste und mitunter persönlich entlastende Regeln galten, wo die Eltern oder Großeltern sagten: "So macht man das", muss heute jeder immer wieder vieles neu hinterfragen.
Der Tod ist davon nicht ausgenommen, wie Jäger bei einem Vortrag in der Buchholzer Stadtbücherei unter dem Titel "Öko-Urne oder Designer-Sarg - Bestattungskultur im Wandel" deutlich macht. Vor allem im ländlichen Raum seien die Rituale früher klar festgelegt gewesen, sagt er. Der Tote wurde zu Hause aufgebahrt, der Pfarrer kam vorbei, die Familie traf sich, jeder nahm sich Zeit. Heute tritt der Sterbefall vor allem in Kliniken ein, und wenn es doch zu Hause passiert, wird als erstes der Bestatter gerufen, der Leichnam in Windeseile abgeholt. "Alles muss schnell gehen, damit der Tod keinen Raum gewinnt", sagt Jäger. Dabei dürfe ein Verstorbener 48 Stunden zu Hause bleiben. Dass das viele Hinterbliebene gar nicht wüssten, habe er oft beobachtet. Auch sei vielen nicht klar, dass sie noch vor dem Bestatter den Pastor anrufen könnten, um mit ihm zusammen Abschied zu nehmen. "Der Trauerprozess ist etwas Individuelles."
Schnell, einfach und ohne Schnörkel, dieser Trend spiegelt sich auch in den Bestattungsformen und der Grabpflege wider. War vor 100 Jahren die Erdbestattung der Regelfall, ist es heute die Feuerbestattung. "In den neuen Bundesländern liegt ihr Anteil bei mehr als zwei Drittel", sagt Jäger. Im Kirchenkreis Hittfeld liegt er bei etwa 50 Prozent.
Durch diesen Wandel ändert sich auch das Bild der Friedhöfe. Urnengräber brauchen weniger Platz, Grabsteine und aufwändiger Pflanzenschmuck werden überflüssig, während die Zahl der vollkommen anonymen oder teilanonymen Bestattungen steigt. Die "Reduktion der Friedhofskultur", wie Jäger es ausdrückt, sei für Kommunen und Kirchengemeinden als Träger letztlich auch mit sinkenden Einnahmen verbunden. Mit gärtnerisch einfallsreich gestalteten Teilanlagen versuchen viele Friedhöfe gegenzusteuern und ihre Attraktivität zu steigern. In Ohlsdorf gebe es beispielsweise einen Bereich, in dem ausschließlich Rosen gepflanzt werden, und einen weiteren mit dem Namen Schmetterlingsgarten, der Blumen beherberge, die für die Falter besonders anziehend seien, berichtet er. "In Hittfeld haben wir eine ähnliche Fläche angelegt."
Jäger selbst bezeichnet sich als Anhänger des klassischen örtlichen Friedhofs. Auch wenn nicht jeder Grabstein zwei Mal zwei Meter und aus poliertem Marmor sein müsse, sollte das Areal gut erreichbar und am besten mitten im Ort gelegen sein, sagt er. Vor allem für ältere Leute sei das ein großer Vorteil.
Anders sieht es beispielsweise bei den Angeboten der Firmen Friedwald oder Ruheforst aus, deren Grundstücke meist außerhalb liegen. "Auch wenn die Nähe zur Natur durchaus attraktiv sein kann, sollte man die schwierigere Erreichbarkeit nicht vergessen", rät der Superintendent.
Zu der immer wieder aufkommenden Frage, warum Hinterbliebene in Deutschland die Urne von Verstorbenen nicht im Garten oder Bücherregal aufbewahren dürfen, hat er eine klare Meinung. Zunächst höre sich das vielleicht charmant an, sagt er. "Aber wer passt auf die Asche auf, wenn der Angehörige selbst stirbt?" Außerdem sei eine gewisse Distanz wichtig, um die Trauer zu realisieren. Ein öffentlicher Ort könne dabei helfen. Beim Erdwurf auf Sarg oder Urne werde klar, dass der Tote tatsächlich tot sei. "Und der Gang vom Friedhof zur Kaffeetafel ist ein wichtiger Schritt vom Verstorbenen weg."
Aus kirchlicher Sicht gebe es keine bestimmte Begräbnisform, die zu bevorzugen sei, erklärt Jäger. "Wichtig ist, dass es zu einem passt."
Nur eine Sache lehnt der Superintendent ab, und das sind anonyme Bestattungen. Die seien zwar besonders günstig, aber er erlebe immer wieder, dass Hinterbliebene später große Probleme bekommen: Sie wissen nicht, wohin mit ihrer Trauer, weil es keinen Ort dafür gibt.