Neu Wulmstorf will als Gemeinde einen höheren Status, um mehr Gewerbe anziehen zu können. Buchholz protestiert.
Neu Wulmstorf. Die Gemeinde Neu Wulmstorf hat ein Problem: Viele Einwohner kaufen nicht dort, sondern in Buxtehude oder Hamburg ein. Mehr als ein Drittel der Kaufkraft fließt ab. Das versucht die Politik nun zu ändern, indem sich Neu Wulmstorf im Regionalen Raumordnungsprogramm vom reinen Grundzentrum zu einem mit mittelzentraler Teilfunktion im Handel und in der Kultur empor hangeln soll. Um mal einen Vergleich mit dem Fußball zu ziehen, ist das in etwa mit einem Aufstieg von der dritten in die zweite Liga gleichzusetzen.
Vor allen Dingen ist es eine Chance für Neu Wulmstorf, dass sich mehr Gewerbe in der Gemeinde ansiedelt. Doch kaum ist die Idee geboren, soll sie gleich wieder begraben werden. Der jüngste Bau- und Planungsausschuss des Landkreises Harburg hatte noch auf Antrag der Neu Wulmstorfer SPD entschieden, der Gemeinde den höheren Raumstatus zu verleihen und das auch im Entwurf des neuen Regionalen Raumordnungsprogramms aufgenommen.
Aber der Entwurf muss noch vom Kreistag abgesegnet werden. Dass es dazu kommt, ist mehr als fraglich. Zwar hat offenbar niemand mit der Hochstufung im Bereich Kultur ein Problem. Was die mittelzentrale Teilfunktion im Handel angeht, aber schon. Aus Buchholz kommt bereits vehementer Protest. "Sollte der Kreistag dem Ansinnen aus Neu Wulmstorf folgen, hätte das fatale Auswirkungen auf die Entwicklung von Landkreis und Stadt", sagt der Buchholzer Bürgermeister Wilfried Geiger. "Es würde die Bedeutung des Mittelzentrums Buchholz schwächen." Denn der Kaufkraft-Kuchen müsste dann neu aufgeteilt werden. Neu Wulmstorf würde ein Stückchen mehr bekommen, was Buchholz abgeben müsste. Konkret geht es um die Gemeinden Rosengarten und Hollenstedt, die bislang die Stadt Buchholz abgedeckt hatte und die dann Neu Wulmstorf in seiner neuen Handelsfunktion mit versorgen müsste. Also geht Buchholz auf die Barrikaden.
Die Konsequenz wäre, so Bürgermeister Geiger, "dass wir weder die Innenstadt noch das Fachmarktzentrum weiter entwickeln könnten". Aber auch der gesamte Landkreis Harburg würde darunter leiden, glaubt Geiger: "Die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Region würde abnehmen. Die Menschen würden wieder mehr nach Buxtehude, Harburg und Lüneburg zum Einkaufen fahren."
Auch die Reaktion des Bezirks Harburg ist verhalten. Nach einer offiziellen Beteiligung an der Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms prüfe der Bezirk, was genau die geänderte Funktionszuweisung auf die Harburger Zentren, insbesondere auf das Neugrabener Zentrum, bedeute, sagte Petra Schulz, Sprecherin des Bezirksamtes Harburg. Die Krux ist: Die Gemeinde Neu Wulmstorf ist auf den guten Willen ihrer Nachbarn Buchholz, Hamburg und Buxtehude angewiesen. Legt nur einer von ihnen ein Veto ein, ist Neu Wulmstorfs Aufstieg unmöglich.
Die Politik in Neu Wulmstorf hingegen ist der Ansicht, dass die Gemeinde schon jetzt über ein Grundzentrum hinausgewachsen ist. "In Neu Wulmstorf sind bereits mittelzentralörtliche Grundzüge vorhanden", sagt Tobias Handtke von der SPD-Kreistagsfraktion. Gemeint ist damit, dass Neu Wulmstorf fast alles hat, was ein Mittelzentrum bieten sollte: Unter anderem weiterführende Schulen, Fachärzte, kulturelle Angebote und eine gute Verkehrsanbindung. "Eine Rückentwicklung dieser Strukturen ist kaum möglich und hätte erhebliche negative Folgen für die Gemeinde insgesamt", sagt Handtke.
Er ist der Auffassung, dass eine maßvoll und punktuell ergänzende Einzelhandelslandschaft Neu Wulmstorf fördert und den Einzelhandel der Nachbarn nicht schwächt. Auch Heiner Schönecke, stellvertretender Landrat (CDU), betont: "Neu Wulmstorf muss die Chance erhalten, die mittlerweile gewachsene Position im Regionalen Raumordnungsprogramm wieder zu finden."
Wie sehr der Status Grundzentrum Neu Wulmstorf in seiner Entwicklung behindern kann, hat Erich Körn, Geschäftsführer des Gewerbevereins Neu Wulmstorf, immer mal wieder am eigenen Leib erfahren müssen. "Jedes Mal, wenn sich eine Firma ansiedeln wollte, hieß es, das darf sie nicht, weil Neu Wulmstorf lediglich Grundzentrum ist", sagt Körn.
Er aber findet, dass die wachsende Gemeinde es ihren Einwohnern schuldig ist, eine gewisse Palette im Einzelhandel zu bieten. Er verweist auf die rund zusätzlichen 4000 Arbeitsplätze, die insgesamt in den neuen Gewerbegebieten - unter anderem im LogPark und in dem Gebiet an den Wulmstorfer Wiesen - entstanden sind und noch entstehen. "Diese Menschen sollen hier nicht nur arbeiten, sondern auch einkaufen können", so Körn.
Auch er glaubt, dass die mittelzentrale Teilfunktion im Handel es neuen Investoren einfacher macht, sich in Neu Wulmstorf anzusiedeln. Er denkt da etwa an die Einzelhandelsfläche an der Bahnhofstraße, die Penny Ende des Jahres räumen wird. Ein Unternehmen aus der Bekleidungsindustrie, das Ware für Kinder und Erwachsene anbiete, interessiere sich dafür, sagt Körn. Um welche Firma es sich handelt, möchte er nicht sagen. Nur soviel: Mit einem höheren Raumstatus sei die Chance auf Neuansiedlungen größer.
Dann wird vielleicht möglich, was sich der Neu Wulmstorfer CDU-Fraktionsvorsitzende Malte Kanebley schon länger wünscht: Sich endlich mal in Neu Wulmstorf ein Herrenoberhemd kaufen zu können.