„Schach als Bildungswerkzeug”: Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow fordert in Lüneburg, sein Sport soll in Niedersachsen Teil des Unterrichts werden.
Lüneburg. Sein Sport soll in Schulen unterrichtet werden - dafür setzt sich der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow derzeit auf der ganzen Welt ein. Im Europäischen Parlament hat er bereits einen kleinen Vorstoß geschafft: Seine Initiative "Schach als Bildungswerkzeug" wurde mehrheitlich angenommen. Am Sonnabend war Garri Kasparow zu Besuch in Lüneburg beim Schachturnier "Zehn gegen Lüneburg" im Sportpark Kreideberg. Dort versuchte er, den niedersächsischen Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) davon zu überzeugen, Schach als Schulfach einzuführen.
Schach kann Schülern beim Lernen helfen, das haben verschiedene Studien bewiesen. Die Konzentration, das räumliche Denken, das Planen und Vorausdenken werden gefördert - so verbessern sich auch die Schulleistungen. Doch nicht nur deshalb setzt sich der Schachvirtuose Garri Kasparow für seinen Sport ein. "Schach stärkt auch die sozialen Kompetenzen. Besonders für Kinder aus sozial schwächeren Schichten ist Schach eine Möglichkeit, Selbstbewusstsein aufzubauen und sich besser in die Gesellschaft zu integrieren", sagte Kasparow. Zudem gebe es keine Unterteilung nach Geschlecht oder Altersklassen, Schach könne jeder spielen. Für die Schulen sei es zudem eine günstige Bereicherung. Statt eines neugebauten Sportplatzes benötige man nur eine Stoppuhr, ein Schachbrett und die passenden Figuren.
"Um Schach als Schulfach einzuführen, brauchen wir Zentren, die als Vorbilder dienen. Niedersachsen wäre ein guter Startpunkt", sagte der 49-Jährige. Althusmann sieht jedoch noch Probleme in der Umsetzung. "Wir müssen uns fragen, ob Schach dann zusätzlich unterrichtet werden würde oder zulasten welchen Faches der Unterricht stattfinden sollte", sagte der Kultusminister. "Außerdem müssen die Benotung, Methodik und Ausbildung der Lehrkräfte erarbeitet werden."
Schach an Schulen ist in Lüneburg eigentlich nichts Neues. An der Grundschule Hasenburger Berg machte sich vor einigen Jahren ein Vater dafür stark, dass die Grundschüler Schach lernen. Was modellhaft in einer Klasse begann, wurde inzwischen auf die ganze Schule ausgeweitet. Eine der Lehrerinnen, Claudia Marschewski, sieht im Schachunterricht viele Vorteile. "Die Schüler eignen sich so viele nützliche Kompetenzen an, dass sie den Stoff in anderen Fächern schneller begreifen."
Am Hasenburger Berg müssen die Schüler keine ganze Stunde Schach spielen, sie können auch in einer Mathe- oder Deutschwerkstatt arbeiten oder lesen üben. Auch in Hamburg gibt es solche Modelle. Unter dem Motto "Schach statt Mathe" wurde dort vor fünf Jahren an einer Grundschule eine Mathe- durch eine Schachstunde ersetzt. "Was die Schüler lernen, ist nicht nur für Mathe hilfreich, es führt auch zu einem besseren sozialen Miteinander und dient als Sprachförderung", sagte Schulleiter Björn Lengwenus.
Ganz abgeneigt war der niedersächsische Kultusminister nicht von dem Vorschlag. Um Schach in ganz Niedersachsen einzuführen, fehlen ihm jedoch auch statistische Erhebungen. Er kann sich die Einführung von Schachunterricht deshalb zunächst an Modellschulen vorstellen. "Ich bin mir sicher, dass wir bis zu 30 Grundschulen für das Projekt gewinnen können, deren Erfahrungen wir nach zwei Jahren auswerten", sagte Althusmann.
Er wolle sich dafür einsetzen, dass das Projekt im kommenden Schuljahr anlaufe. "Ich kann mir Schach allerdings auch im Rahmen des Ganztagsangebots vorstellen." Er wolle versuchen, schon bei der nächsten Kultusministerkonferenz im Oktober das Thema auf die Tagesordnung zu bringen. Gerade, weil die Schule nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Persönlichkeiten bilden solle.
Der Lehrer Burkhard Wahnschaffe bietet seit acht Jahren eine Schach-AG an der Lüneburger Wilhelm-Raabe-Schule an. In den vergangenen Jahren sei das Interesse allerdings geringer geworden, sagte er. "Ein Siebtklässler der schon 34 Wochenstunden Unterricht hat, will nicht unbedingt zusätzliche AGs belegen." Bei den Teilnehmern sieht Wahnschaffe jedoch schnell eine Entwicklung. "In einem Schuljahr wächst allein die Konzentration immens und die Schüler wirken reifer."
Dass Lehrer und nicht Schachspieler den Sport unterrichten, gehört zu Kasparows Initiative: An jeder Schule soll mindestens ein Lehrer Schach unterrichten können, so seine Idee. Außerdem stellt seine Stiftung Schulungsmaterialien zusammen. Auf einer Onlineplattform sollen sich die Schüler austauschen und Turniere bestreiten.
"Die Struktur Deutschlands mit Bundesländern ist für die Umsetzung der Idee nicht sehr förderlich", sagte der Ex-Schachweltmeister. "Letztendlich wollen wir Schach als Bildungswerkzeug jedoch flächendeckend dort durchsetzen, wo eine gemeinsame Sprache gesprochen wird, und uns nicht an politischen Grenzen orientieren."