Wir steuern Sportboothäfen entlang der Elbe zwischen Bleckede im Osten und Freiburg im Westen an. Heute: der Wischhafener Yachtclub Niederelbe.
Groß prangt die hölzerne Flagge des Wischhafener Yachtclubs Niederelbe (WYCN) über dem Eingang zur Bootshalle. Ihr Grund ist in zwei grüne und zwei weiße Quadranten geteilt, genau wie die Flagge des Ortes Wischhafen selbst. In ihrer Mitte befindet sich ein schwarzer Kreis, in dem ein goldgelber Anker steht. Die Farbe Schwarz bezieht sich auf die drei schwarzen Wolfsangeln in der Wischhafener Flagge.
Wölfe muss in Wischhafen in der Landschaft Kehdingen heutzutage niemand mehr fangen. Das Gebiet ist ruhig und idyllisch. Schafe und Kühe grasen am Ufer gegenüber dem Yachthafen auf der Insel Krautsand. Das Aufregendste am Yachthafen Wischhafen ist somit heute nicht mehr die Jagd auf Wölfe, sondern vor allem die Jagd auf die richtige Tide.
"Geografisch gesehen liegt unser Hafen genau in der Mitte zwischen Hamburg und Cuxhaven", sagt Elmar Specht, 42. "Innerhalb einer Tide kann man in Cuxhaven oder in Hamburg sein." Andere Häfen lägen da zu nah an der einen oder der anderen Stadt. Torsten Köser, 47, zweiter Vorsitzender des WYCN, fügt hinzu: "Gerade deshalb ist unser Hafen bei Hamburger Skippern so beliebt. Wir sind eine gut geeignete Zwischenstation auf einer Bootstour."
Auch andere Skipper schätzten den Hafen. "Er liegt ein gutes Stück weg von der Elbe, aber nicht zu weit weg", meint Köser. "Man kann also den Fluss gut erreichen, hat aber nicht all den Verkehr, der dort herrscht."
Vor allem für die Jugendgruppe des Vereins sei die etwas abgeschirmte Lage des Vereinshafens in der Wischhafener Süderelbe ideal. "Es ist sehr ruhig und geschützt hier. Die Jugendlichen können quasi unter Laborbedingungen trainieren", sagt Heiko Bajus, 42, Jugendwart.
Angelique, 9, und Vincent, 11, trainieren häufig. Angelique übt noch im Optimisten, Vincent könnte schon im sogenannten Teeny, einer Art größerer Optimist für zwei Jugendliche, fahren. An diesem Tag fehlt ihm jedoch der Partner, und er muss, wie seine Schwester Angelique, im Opti segeln. Die Geschwister sind in ihrer Freizeit nicht nur am Wasser - Angelique betreibt Leichtathletik und Vincent spielt Fußball - doch ihr Vater Elmar Specht, der auch Jugendwart ist, versucht, sie mit seiner Leidenschaft anzustecken.
"Ich zwinge meine Kinder nicht, mit mir zu kommen. Meine größte Tochter, die gerade 15 Jahre alt ist, bleibt zum Beispiel oft zu Hause", sagt Specht. Aber es freue ihn natürlich, wenn sie mitkämen. Und den Kindern macht der Wassersport Spaß. "Ich finde Segeln witzig, vor allem wenn der Wind stark weht. Dann spüre ich, dass ich arbeiten muss", sagt Vincent. Zwar sei er schon bei schlechtem Wetter gekentert, doch das mache ihm nichts aus.
"Beim Segeln bewegt sich das Boot ganz von allein. Ich denke, das macht für die meisten Kinder die Faszination an diesem Sport aus", vermutet Torsten Köser. "Aber es lockt sie auch die Herausforderung. Schließlich muss man sein Können mit der Natur in Einklang bringen." Angelique bringt ihr Können, im Unterschied zu ihrem Bruder, lieber bei gutem Wetter mit der Natur in Einklang. "Am meisten Spaß macht es mir, an der frischen Luft zu sein, wenn gutes Wetter ist", sagt sie.
Bewegung, frische Luft, Sport und Spaß - das bietet der Segelsport Kindern und Jugendlichen. "Und er muss den Kindern auch etwas bieten, sonst könnte man sie heutzutage, bei all den anderen Möglichkeiten, sich zu beschäftigen, nicht mehr locken", meint Köser. Für das Segeln gebe es nun einmal keine App.
"Segeln kann eigentlich jeder lernen, solange er die körperlichen Voraussetzungen erfüllt", meint Elmar Specht. Auch sei das Hobby für jeden erschwinglich. "Man kann Boote zwischen 1000 und 2500 Euro kaufen, mit denen man bereits weit kommt und auf denen man übernachten kann." Man müsse allerdings noch etwas Arbeit in das erworbene Boot stecken. Im Endeffekt koste Segeln mehr Arbeit als Geld.
Doch finanzielle Vorbehalte seien nicht das primäre Problem, aufgrund dessen sich Vereine sich immer stärker um neue Mitglieder bemühen müssen. Der zweite Vorsitzende sagt: "Der Trend geht dahin, dass die Menschen sich erst um die Schule kümmern, dann um ihre Ausbildung oder ihr Studium und dann um den Job. Erst wenn sie gefestigt im Leben stehen, suchen sie sich ein Hobby."
Dann ist der Wassersport in Torsten Kösers Augen jedoch die perfekte Freizeitbeschäftigung. "In unserem Verein wollen wir das Gemütliche in den Vordergrund stellen", sagt er. "Wir sind eher ein Tourensegelverein, kein Regattaverein", meint auch Jugendwart Elmar Specht. Weniger Wettbewerb, weniger Hierarchie, stattdessen mehr Zusammenhalt sei die Devise.
Um den Zusammenhalt zu stärken und größeren Gruppen Jugendlicher die Möglichkeit zu geben, Segeln zu lernen, erwarb der WYCN vor zwei Jahren einen Jugendwanderkutter. Diese Bootsform sei vor allem in der Jugendarbeit Hamburger Segelclubs im Einsatz, da sie nicht ganz billig sei und sich lohnen müsse, sagt Elmar Specht. "Wir haben uns allerdings für finanzielle Unterstützung durch die nahe gelegene Dow Chemical beworben und sie glücklicherweise erhalten." Selbst eine Tour nach Dänemark hätten einige Jugendliche des Vereins mit dem Kutter bereits unternommen.
Ziehen die Jugendlichen allerdings bloß im Hafenbecken in Wischhafen mit Optimisten oder Jollen ihre Kreise, haben sie, neben ihren Jugendwarten, einen ganz besonderen Beobachter: eine "Knollennase" von Bildhauer Jonas Kötz. Das hölzerne Männchen mit der markanten Nase schnitzte der gebürtige Hamburger Künstler, der nun auf Krautsand lebt, vor drei Jahren aus dem Holz einer Hamburger Hafendalbe. Er ist selbst Mitglied im WYCN.
"Unsere Gäste finden die Figur sehr witzig und machen sofort Fotos, wenn sie die Knollennase entdeckt haben", sagt Uwe Raap-Niebler. Der 66-Jährige ist Hafenmeister in Wischhafen und kennt den Hafen wie seine Westentasche. Er trat dem Verein erst vor zwei Jahren bei. "Segeln hatte in meiner Elementesammlung noch gefehlt", sagt er. Vorher betrieb er bereits Segelflug und Felsklettern.
Morgen in der letzten Folge: Seglervereinigung Freiburg/Elbe (SVF)