Restauranttip: Einmal im Monat schlägt die Rundschau ein kulinarisches Kalenderblatt auf. Heute: Bratkartoffeln.

Harburg. Kennen Sie diese überflüssigen Formulierungen aus Speisekarten: "knackiger" Salat, "saftiges" Filet, "hausgemachte" Soße, "frische" Champignons? Ja, was denn sonst?! möchte man den Wortschöpfern erwidern. In einigen Restaurants kann man anscheinend nicht automatisch davon ausgehen, daß deren Produkte knackig, saftig, hausgemacht und frisch sind. Ähnlich verhält es sich mit der Bratkatoffel, dem Dauerbrenner deutscher Beilagenlust. "Knusprige" Bratkartoffeln in der Karte sind verdächtig! Denn labberig haben sie ihren Namen nicht verdient.

Wie aber gelingen knusprige Bratkartoffeln? "In fettem Speck mit Salz anbraten und erst im letzten Drittel Zwiebeln dazugeben", meint Thomas Gieser, Küchenchef im Landhaus Zum Lindenhof. Außerdem sei eine schwere Gußeisenpfanne die Grundvoraussetzung, ergänzt Jörg Renk. "Das Fett muß ganz heiß sein", weiß der Smutje an Bord der Seuten Deern. Er haut lieber Kartoffeln als Würfel in die Pfanne, damit sie von allen Seiten gleichmäßig braun werden. Ralph Steffen von Omas Bratkartoffelhus schwört auf milden Speck und und wenig Fett . In einem sind sich alle drei einig: Die Cilena eignet sich am besten, um als Bratkartoffel Karriere zu machen. Wir haben die Ergebnisse in ihren Restaurants getestet. Für alle drei sind Bratkartoffeln ihre kulinarischen Aushängeschilder.

Landhaus Zum Lindenhof

Der traditionsreiche Gast- und Bauernhof von 1798 ist seit fünf Generationen in Familienbesitz. Im Sommer haben Rebecca Gieser-Neven und ihr Mann Thomas den Betrieb in Marxen von den Eltern übernommen. An der regionalen Bodenständigkeit haben sie nicht viel verändert. Die Honoratioren der Schützen-Kameradschaft tagen am Kamin, der Sparklub sammelt an der Wand, und auch der vom Aussterben bedrohte Toast Hawaii steht noch in der Karte. Doch das vermeintlich Altmodische ist nur eine Rückbesinnung traditioneller Werte. Küchenchef Thomas Gieser möchte "zurück zum Ländlichen". Er hat international auf Kreuzfahrtschiffen gekocht ebenso wie beim Eß-Theater "Pump, Duck & Circumstance". Er weiß also, wie man einen Hummer zubereitet, doch will er jetzt lieber für seine Gäste ein Schwein vor Ort verarbeiten und dessen Erzeugnisse servieren. Die gemütliche Gaststube mit 250 Jahre alten Delfter Kacheln ist dafür ein idealer Schauplatz. Die Tagesempfehlungen präsentiert die Chefin auf einer Tafel direkt am Tisch. Es gibt größtenteils regionale Küche und deftige Hausmannskost - da darf die Bratkartoffel natürlich nicht fehlen. Die Rohware stammt von Bruder Wilhelm Neven aus der Nachbarschaft. Gemüse und Kräuter aus dem Garten sowie Wild aus eigener Jagd.

Wir entscheiden uns für Schweinebauch und Hafergrütze aus der Pfanne. Besser bekannt als Grützwurst. Mit Apfelkompott und Bratkartoffeln ist sie für 6,50 Euro im Angebot. Wo es Grützwurst gibt, da sind auch Sülze und Sauerfleisch nicht weit. Alles hausgemacht, versteht sich. Nach altem Brauch verteilt Ehepaar Gieser-Neven die Fleischbrühe aus der Schlachtung an Freunde und Nachbarn im Dorf. Auch den Gast möchte man in Zukunft am Landleben teilhaben lassen, in Form eines traditionellen Schlachtfestes. Die Grützwurst ist lecker, die Bratkartoffeln bestehen den Knusprigkeitstest. Für Fans haben sich die Wirtsleute ein 7-Gänge-Kartoffelmenü einfallen lassen - für 23 Euro ab acht Personen inklusive eines Kartoffelschnapses. Wer danach nicht fahrtüchtig ist, kann demnächst in einem der sechs neuen Landhauszimmer übernachten.

Seute Deern

Stoof Mudders Kroog heißt das historische Lokal im Freilichtmuseum am Kiekeberg. Gerd Popow und Hans Dammann engagierten sich hier ebenfalls seit Jahren für den Erhalt regionaler Eßkultur. Jetzt sind die beiden Gastwirte zu neuen Ufern aufgebrochen und haben an Bord der Seute Deern angeheuert. Auch damit sind sie ihrer Philosophie treu geblieben: "Wir möchten helfen, dieses Museumsschiff am Leben zu erhalten", sagt Gerd Popow. Über 40 Jahre hat der Kahn auf dem Kasten. Früher wurde er auf der Ostsee, als Fährschiff im Kattegatt und zuletzt im Liniendienst zwischen Cuxhaven und Helgoland eingesetzt.

Seinen Vorruhestand verbringt es im Westlichen Bahnhofskanal des Harburger Binnenhafens. Mit Musik und (Eß)Kultur soll das Museumsschiff im Bewußtsein der Harburger verankert werden. Für leckere Törns heißt es noch immer: "Leinen los!" Ansonsten liegt es an der Kaimauer und wird à la carte genutzt. Schiffseigner Cassen Eils hat dafür vier Räumlichkeiten geschaffen: den Klubraum mit Bar, den Speisesaal und auf dem Oberdeck den roten und blauen Salon. Alles umgebaut im charmanten Ambiente der 60er Jahre. In der Kombüse sorgen Smutje Jörg Renk und sein Azubi Sven Krämer auf zwölf Quadratmeter für Hitze in der Pfanne. Die Bordküche bietet eine Mischung aus Fischgerichten und Hausmannskost - meistens mit Bratkartoffeln. Auch hier rücken wir der Grützwurst auf die Pelle. Diesmal im ganzen gebraten mit Rosinen und Apfelkompott für 9 Euro. Die Bratkartoffeln dazu sind klasse und werden auch mittags erst nach jeder Bestellung gebrutzelt. Das kann schon mal zehn Minuten länger dauern. Die Cilena hat Jörg Renk erst nach einem Brattest mit einem halben Dutzend Konkurrenten zu seiner Lieblingssorte erkoren. Ab zehn Personen präsentiert die Crew ein Bratkartoffelbuffet für 15 Euro - u.a. mit Matjes, Roastbeef und Sauerfleisch.

Omas Bratkartoffelhus

Das Fachwerk-Restaurant in Evendorf klingt nach Großmutters bratkartoffeligen Geheimrezepten, die keinesfalls veröffentlicht werden und höchstens vor Ort bestellt werden dürfen. Doch Oma gibt's gar nicht. Sie existiert nur als Puppe am Eingang und Marionette im Fenster. Ansonsten hat Ralph Steffen das Sagen, und der ist gelernter Bankkaufmann. 1998 hat er den Trend zur Kartoffel erkannt und sie zum Hauptdarsteller seines Landgasthofs gemacht.

Dessen Innenleben bietet Eiche rustikal - passend zum bodenständigen Angebot. Wir beginnen mit einer ordentlichen Hochzeitssuppe mit Eierstich und Klößchen (4,40 Euro), umgeben von allerlei bäuerlichen Antiquitäten. Böswillige Zeitgenossen finden das altmodisch, gutwillige gemütlich. Da paßt die Schlagermusik aus dem Radio ins Klangbild. Immerhin: Die Speisekarte ist zweisprachig. Denn viele Skandinavier machen hier Rast. Und so lernen wir, daß Heidschnucken "local speciality's from the Heide" sind, und sich viele englischsprachige Durchreisende gewundert haben dürften, als sie "Leg of lamb" bestellt haben und ihnen Heidschnuckengulasch serviert wurde. Na ja, was soll's. Uns geht's um "fried potatoes". Am besten, Sie bestellen sie zu den selbstgemachten Erzeugnissen der Küche wie Grützwurst (8,60 Euro), Sauerfleisch (9,10 Euro) oder Roastbeef (12,20 Euro). Bedenken, man könnte nicht satt werden, sind unbegründet. Lobenswert: Für den kleinen Hunger kocht Küchenchef Ermin Redzepovic auch halbe Portionen. Bei den Bratkartoffeln muß er sich aber ein bißchen mehr anstrengen. Sie sind die schwächsten im Test und lassen es an der gewünschten Knusprigkeit vermissen. TV-Star Ann-Katrin Kramer hat's anscheinend geschmeckt. Sie war vor kurzem mit SAT.1 für Dreharbeiten da und bedankte sich mit einem Autogramm.