Kaiserwetter sorgte für regen Andrang rund um den Lotsekai. Gedrängel gab es aber nicht
Harburg. Es wehte eine feine Brise, kaiserblau strahlte der Himmel und das Thermometer war auf 26 Grad gestiegen, da brach der Umweltwissenschaftler Mathias Lintl, 43, am Sonnabend mit seinem Patenkind Nina, 16, in Wilhelmsburg auf und fuhr mit der S-Bahn nach Harburg. Sein Ziel hatte er fest im Visier: das elfte Harburger Binnenhafenfest. Für den Betreiber der legendären Soulkitchen-Halle im Reiherstiegviertel war es ein Muss, am Lotsekanal aufzuschlagen: "Das ist mein zehnter Besuch hier beim Binnenhafenfest", sagte der Wilhelmsburg-Aktvist, "ich will meinem Patenkind mal eine schöne Feier zeigen."
Und schön - schön bunt und maritim - war es an diesem Wochenende, als es im Binnenhafen das elfte Mal hieß: "Leinen los!" Rund 85 000 Menschen, jung und alt, aus der ganzen Metropolregion Hamburg zog es in die Keimzelle Harburgs. Das Kaiserwetter war, keine Frage, das Salz in der Suppe, so dass die Stimmung bei Gästen wie bei Beschickern bestens war.
Mathias Lintl gehörte zu den Besuchern, die das Maritime besonders anlockt: "Die Familie meines Patenkindes ist eine eingefleischte Seglerfamilie, die stehen auf Schiffe. Wir wollen in diesem Sommer nach Bornholm segeln." Aber nicht nur die Schiffe und das Wasser lockten den Wilhelmsburger an den Lotsekanal: "Es ist hier sehr entspannt im Harburger Binnenhafen, das macht ja einen schönen Tag aus. Heute Abend spielen bei mir in der Soulkitchen-Halle fünfzehn Discjockeys live Elektrosounds, da komme ich vorher gerne nach Harburg und spanne hier aus."
Der Wilhelmsburger brachte auf den Punkt, was die meisten Besucher am Harburger Binnenhafenfest schätzen: die Überschaubarkeit. "Hier kann man im Gegensatz zum Hamburger Hafengeburtstag ja noch ohne Stahlkappen spazieren gehen", analysierte Mathias Lintl, "beim Hamburger Hafengeburtstag ist es mir einfach zu eng und zu voll."
Dennis Friedrichsen, 30, und seine Frau Stephanie, zog es von Neu Wulmstorf nach Harburg. Gemeinsam mit Freundin Nadja Heschke, 30, Sohn Noel, 2, und Säugling Noah promenierten sie erst einmal über die Klappbrücke der Blohmstraße auf die Schlossinsel. "Mal gucken, wie die Wurst gleich schmeckt", lautete Dennis' kulinarische Vorfreude, "nach der Wurst werden wir uns ins Getümmel schmeißen, es ist ja ordentlich besucht hier."
Nadja Heschke freute sich über die "familiäre Atmosphäre" auf dem Binnenhafenfest: "Hier kann man in aller Ruhe den Tag genießen, ohne dass man von Wildfremden zur Seite gedrängelt wird."
Kulinarisch wurde den Gästen vieles geboten - und das zu Preisen, die unter denen des großen Hafengeburtstages liegen. Brötchen mit Forellenfilets gingen für 2,80 Euro an die Hungrigen, eine Krakauerwurst für 2,50 Euro. 100 Gramm Mandeln kosteten 2,50 Euro und ein Meter leckeres Lakritzkabel ebenso viel.
Ganz aus Tegele in Holland war Nina Vossen, 44, mit ihrem Sohn Viktor angereist. Die Ex- Hamburgerin und Ex-Buchholzerin machte mit Freunden aus Harburg eine Tour auf dem Ewer Johanna, ihr Sohn posierte neben dem Stelzenmann Gerd, 56, aus Harburg, der mit dem "Hutaufbau Titanic" auf eine stattliche Höhe von drei Meter kam. Nina Vossens Bilanz: "Das ist easy living hier!"
Musikalisch gab es für die Binnenhafenfestbesucher einen bunten Strauß unterschiedlicher Musikrichtungen: Sonnabendmittag sang der Kinderchor der Schule Dempwolffstraße unter der Leitung von Frauke Brouwers Lieder aus dem Programm "Quatsch mit Soße", um 16.30 Uhr gaben die Thirsty Mamas explosiven und wilden Bluesrock zum Besten, und den Abend ließ die NDR-90,3-Hausband The Groove Jets mit beliebten Klassikern und Chart-Stürmern ausklingen.
Sonntagmittag wurde es dann wieder etwas besinnlicher mit der Hamborger Schietgäng, die Ernstes und Dummtüch auf Hoch und Platt zum Besten gab.
"Frisch aus dem Rauch" hieß es an beiden Tagen auf dem Schiff von Hugo Hoge, 50, und Annette Schade, 43, die auf der Alfred K. im Harburger Binnenhafen leben. Sie boten leckere Räucherforelle für vier Euro und leckeren Aal für 12 bis 14 Euro feil - direkt vom Boot. Dem Binnenhafenbewohner Hugo Hoge, zum zehnten Mal beim Harburger Hafenfest dabei, fiel derweil etwas Missliches auf: "Es sind in diesem Jahr deutlich weniger Boote auf dem Wasser."
Den Grund hatte er auch gleich ausgemacht: "Auf der anderen Seite des Lotsekanals wird die Pier neu gemacht - da können weniger Schiffe anlegen."
Nicht ganz in Erfüllung ging das Konzept des Citymanagements Harburg und des BID Lüneburger Straße: "Harburger Binnenhafenfest trifft Innenstadt".
Ein Rettungsring an einem Duckdalben und ein paar Luftballons sollten maritimes Flair in Harburgs Flaniermeile bringen, eine Bühne mit Getränkeausschank und Schwenkgrill waren aufgebaut worden - für die Shopper und für den bekannten Harburger Liedermacher Werner Pfeiffer und die Band Klar.
Die meisten Einkäufer sahen indes keinen Zusammenhang zwischen Fest und Kommerz. Wer einkaufte, kaufte ein. Wer zum Binnenhafenfest ging, ging dort hin, genoss das schöne Wetter und gönnte sich ein Bierchen, eine Wurst oder einen leckeren "Sex on the Beach" für 4,50 Euro. Wanderungen von der Lüneburger Straße in den Binnenhafen oder retour waren am Sonnabend während der Einkaufszeit nicht zu verzeichnen.