Die marode Kreuzeryacht muss zum Abtransport mitsamt Schwimmdock auf die Elbe geschleppt werden
Harburg. Das wird eine Riesenaktion. In etwa sechs Wochen soll das 71 Meter lange und 16 Meter breite Schwimmdock von der Werft des Harburger Beschäftigungsträgers "Jugend in Arbeit" durch die Harburger Binnenhafen-Schleuse auf die Elbe gezogen werden, um den Abtransport der vom Holzpilz befallenen Kreuzeryacht "Artemis" möglich zu machen. Ein 200-Tonnen-Schwimmkran, der wegen seiner Größe nicht durch die Schleuse passen würde, ist notwendig, um das gut 150 Tonnen schwere Schiff und seinen für den Transport angefertigten Stahlkäfig aus dem Schwimmdock zu hieven und zu seinem künftigen Lagerplatz bei den 50er Schuppen, am Bremer Kai im Hansa Hafen, abzuliefern. Dort hat die Stiftung "Hamburg Maritim" ihren Sitz. Ihr gehören neben der Artemis zahlreiche historisch wertvolle Schiffe im Hamburger Hafen, darunter der alte Senatsdampfer Schaarhörn. Die meisten Schiffe sind im Laufe der vergangenen 28 Jahre auf der Werft des Harburger Beschäftigungsträgers Jugend in Arbeit restauriert worden.
Bei der Kreuzeryacht Artemis (griech. Göttin der Jagd) war es mehr als eine Restaurierung. Die meisten Teile waren neu angefertigt worden. 62 Bootsbaulehrlinge wurden an dem Projekt ausgebildet und 173 Kräfte des zweiten Arbeitsmarkts mit Hilfsarbeiten beschäftigt. 13 Jahre wurde am Aufbau der Artemis gearbeitet, bis die schmucke Yacht am 2. Mai 2008 im Hamburger Sportboothafen feierlich von der Werft an die Stiftung übergeben werden konnte. Getauft wurde sie dort von der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium Karin Roth.
Im Gegensatz zur ursprünglichen Artemis, die 1900 im Auftrag des Architekten Frank L. Pearson in Southampton auf der Werft von Summers & Payne gebaut worden war, war die Lebensdauer der neuen Artemis nur kurz. "Wir fuhren nur die eine Saison 2008", sagt Bernhard Hauer, ehrenamtlicher Geschäftsführer des inzwischen bereits aufgelösten Artemis-Betreibervereins, "ins Schiff drang Wasser ein. Wir wollten zum Abschluss der Saison noch bis Helgoland segeln, haben das zum Glück aber nicht gemacht. Vielleicht wäre uns unterwegs schon das Heck abgebrochen und wir wären untergegangen."
Zurück in Harburg kam die Kreuzeryacht dann bei Jugend in Arbeit ins Schwimmdock, um die undichten Stellen im Schiffsrumpf zu untersuchen. Das Ergebnis war - wie bereits berichtet - niederschmetternd. Der Holzsachverständige Dr. André Peylo stellte fest, dass ein Großteil der Planken aus Kaya- und Kambala-Tropenholz, daneben aber auch einige Spanten aus Eichenholz, die tragenden Teile des Schiffskörpers, vom Spaltsporling Pilz befallen war. Der Befall kommt einem Totalschaden gleich. Der Gutachter stellte fest, dass eine Verkettung mehrerer Faktoren, Wärme und Feuchtigkeit während der Bauzeit, das Wachstum des Pilzes beschleunigt habe.
Die Stiftung Hamburg Maritim und die Werft hatten sich anfangs zu einem erneuten Aufbau der Artemis entschlossen und sogar neues, noch widerstandsfähigeres Afzelia-Holz angeschafft. Aber Stiftung und Werft stellten fest, dass der diesmal ausschließlich von Fachkräften zu leistende Neuaufbau rund 1,5 Millionen Euro betragen würde. Das war zuviel. Deshalb der Entschluss, das Schiff - so wie es ist - zu verkaufen.
Ein Großteil der Schiffsausstattung ist ausgebaut und trocken an verschiedenen Standorten in Norddeutschland eingelagert. Auch in seinem teilzerlegten Zustand ist das Schiff immer noch ein Schwergewicht. Rumpf und Kiel bringen zusammen 130 Tonnen auf die Waage, der für den Transport derzeit auf der Werft gebaute Stahlkäfig wiegt noch einmal fast 20 Tonnen.
Gerhard Hauer, Elektrotechniker und leidenschaftlicher Segler, hatte fünf Jahre am Bau der Artemis mitgewirkt und kümmert sich nun um die gesamte Organisation ihres Abtransports. "Das wird eine aufregende Angelegenheit", sagt er. Hafenamt, Wasserschutzpolizei, Bezirksamt und weitere Behörden werden über die Aktion unterrichtet. Hafenschlepper müssen das Schwimmdock durch die Schleuse auf die Elbe ziehen. Und wenn der Schwimmkran die Artemis anhebt und das Schwimmdock um 150 Tonnen entlastet wird, muss für das Gleichgewicht Ballastwasser eingepumpt werden. Dafür sind starke Pumpen notwendig. Hauer: "Es ist an vieles zu denken und ich hoffe, dass nichts vergessen wird."
Noch wird der Stahlkäfig, die Werftleute sprechen von Cradle, rund um die Artemis zusammengeschweißt.
Wenn alles glatt geht und die Artemis bei den 50er-Schuppen abgestellt ist, rechnet Hauer damit, dass sich die Verkaufschancen für das Schiff erhöhen. Er sagt: "Es gibt durchaus Interessenten mit sehr viel Geld, die bereit sind, das Schiff wieder aufbauen zu lassen. Vom künftigen Lagerplatz am Bremer Kai wird es auch keine Schwierigkeiten bereiten die Artemis per Seeschiff zu einer Werft ins Ausland zu schaffen." Auch die Harburger Werft von Jugend in Arbeit kann sich freuen, die Artemis in Kürze loszuwerden. Sie hat seit 2008 das Schwimmdock blockiert.