“Bildungspaket“ für Kinder aus Hartz-IV-Familien wird für Mehrarbeit im Winsener Kreishaus sorgen
Winsen. Dem Landkreis Harburg droht eine Antragsflut. Rund 7720 Kinder leben jetzt im Landkreis entweder von Hartz IV, oder ihre Eltern beziehen Wohngeld und den Kinderzuschlag. Sie alle werden von den "Bildungs- und Teilhabeleistungen" nach dem Sozialgesetzbuch II profitieren können. Das "Bildungspaket" mit dem die Kinder einen "Rechtsanspruch aufs Mitmachen" haben, wie es plakativ auf der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales heißt, wird von den Kommunen in ihren Jobcentern umgesetzt. Verabschiedet wurde das Bildungspaket am 25. Februar 2011 und gilt rückwirkend zum 1. Januar 2011.
1,34 Milliarden Euro investiert der Bund für die Umsetzung der neuen Regelung.
Das Land Niedersachsen bekommt davon 121 Millionen Euro. "Und wir wissen immer noch nicht, wie hoch der Anteil für den Landkreis Harburg ausfällt. Mit der Umsetzung dieser Gesetzesänderung lässt man uns hier vor Ort, wie so oft, im Regen stehen. Wir wissen nicht, wie viele Mitarbeiter wir im Jobcenter mit der Bearbeitung der Anträge beauftragen können. All das liegt für uns noch völlig im Nebulösen, obwohl uns schon jetzt rund 100 Anträge vorliegen. Keine Frage, ich finde es wichtig und richtig, dass diese Kinder unterstützt werden. Aber mit der Umsetzung stehen die Kommunen im Regen", sagt Reiner Kaminski, Leiter des Bereichs Soziales beim Landkreis Harburg.
Jedes Kind, das unter diese Regelung fällt, kann künftig Anträge auf Zuschüsse für Nachhilfeunterricht, die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen für Sportvereine, Musikschulen die Übernahme der Kosten für Mensa-Essen in der Schule und für den Schulbus beantragen. Monika von der Heide, Leiterin der Abteilung Soziale Leistungen im Kreishaus, sagt: "Der Bürokratieaufwand, den wir da betreiben müssen, ist enorm. Jedes Kind kann theoretisch sechs einzelne Anträge stellen. Für jeden Antrag werden wir im Jobcenter einen gesonderten Bescheid ausstellen. Natürlich muss auch jeder einzelne Antrag von unseren Mitarbeitern geprüft werden, bevor er beschieden werden kann. Und jeder Antrag kann lediglich für die Dauer eines halben Jahres beschieden werden. Nach Ablauf dieser sechs Monate, muss das Kind einen neuen Antrag stellen."
Würden alle 7720 Kinder, die den Rechtsanspruch auf Bildungs- und Teilhabeleistungen haben, alle ihnen zustehenden Anträge stellen, müssten die Mitarbeiter 46 320 Anträge prüfen, bearbeiten und die jeweiligen Bescheide, ob der Antrag angenommen oder abgelehnt wird, ausstellen. Ein halbes Jahr später käme dieselbe Antragsflut auf die Mitarbeiter des Jobcenters des Landkreises Harburg zu. Dann müssen alle Anträge neu gestellt werden.
Im Fachbereich Soziales im Winsener Kreishaus ist klar, was mit diesen bürokratischen Hürden auf die Eltern dieser Kinder zukommt, deswegen "versuchen wir alles, um wenigstens die Antragsformulare so einfach wie möglich zu gestalten. Komplizierte Antragsformulare nutzen niemandem", so Kaminski. Aber seiner Meinung nach hätte das alles viel einfache rund unkomplizierter laufen können. Kaminski: "eine gangbare Alternative, um gezielt diesen Kindern einen besseren Start ins Leben und in die Berufswelt zu ermöglichen, hätte man ihnen geben können mit einem konsequenten Ausbau des Ganztagsangebotes.Das fängt die Förderziele auf, die hier mit komplizierten Regelwerken und viel Aufwand für die Kommunen und die Eltern umgesetzt werden sollen. Und mit einem gut ausgebauten Ganztagsangebot hätte man nicht nur bestimmte Zielgruppen, sondern alle Kinder gefördert."
Kaminski ist sicher, um diese Masse an Anträgen vernünftig bearbeiten zu können, kommen seine Kollegen in den Jobcentern sich nicht mit zwei Mitarbeitern aus. Um aber genau das planen zu können, müssten er und Monika von der Heide wissen, wie hoch die finanzielle Anteil des Bundes im Landkreis Harburg sein wird. Von der Heide: "Unser Problem ist auch, dass wir kaum Vorlaufzeit haben, um die praktische Lösungen für die für uns noch theoretischen Probleme zu erarbeiten. Es ist doch noch nicht einmal klar, wann genau die neue Regelung gilt. Wir wissen nur, dass sie auch rückwirkend gilt."