Auf dem Herbert-Wehner-Platz wurde an Opfer der Nazi-Zeit erinnert
Harburg. Kein schöner Tag für Harburg. Frostig kalt war es am Sonnabend mit drei Grad unter Null. Und das dichte Grau des Himmels ließ keinen Sonnenstrahl zur Erde. Rund um die Innenstadt hatten mehrere Hundertschaften der Polizei schon zu früher Stunde wegen einer um 11 Uhr beginnenden NPD-Kundgebung auf dem Seeveplatz und einer Gegendemonstration am Eck von Harburger Ring und Moorstraße viele Zufahrten abgesperrt.
Auch der Haupteingang des Marktkaufcenters am Seeveplatz war vorsorglich geschlossen worden, bis zum Ende von Kundgebung und Demonstration gegen 14 Uhr. Marktkauf-Centermanager Volodymyr Kaczmyruk bedauerte das Geschehen vor der Haustür. Nicht zuletzt, weil nicht so viele Kunden durch die geöffneten Hintereingänge in sein Einkaufszentrum kamen. Und für einen Sonnabend am Ende des Monats, wo schon die meisten Leute wieder Geld zum Ausgeben in der Tasche haben, hätten seinen Worten nach eigentlich sehr viele Menschen im Haus sein müssen.
Und auch Thomas Krause, Manager des gegenüber an der Moorstraße gelegenen Phoenix Centers, sagte: "Die Kundenfrequenz ist diesmal deutlich niedriger als an anderen Sonnabenden." Eine niedrige Kundenfrequenz war letztlich in allen Geschäften der Innenstadt zu spüren, auch an den etwas entfernter gelegenen Einkaufszentren Harburg Arcaden und Karstadt. Karstadt-Geschäftsführer Thomas Diebold: "Das ist schon sehr bedauerlich, die Fußwege sind fast menschenleer, und es fahren kaum Autos und Busse auf der Straße."
Am Nachmittag, nach dem Ende der wegen starker Polizeipräsenz weitgehend friedlich verlaufenden Veranstaltungen, kehrte dann auch ins Harburger Geschäftsleben wieder Normalität ein.
Bereits vor Beginn der NPD-Kundgebung und der Gegendemonstration waren mehr als 70 Menschen dem Aufruf der Initiative "Gedenken in Harburg" und der DGB-Ortsgruppe Harburg gefolgt und hatten sich vor Karstadt auf dem Herbert-Wehner-Platz versammelt, wo ein vom Kölner Künstler Gunter Demnig installierter "Stolperstein" im Gehweg verankert ist und an den am 7. Februar 1933 dort von SA-Leuten erschossenen Metallarbeiter Martin Leuschel erinnert. "Harburg schaut hin - Kundgebung gegen Rechts", lautete der Aufruf, dem unter anderem Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg und viele Vertreter der Harburger Kommunalpolitik gefolgt waren.
Als Vertreter des Bischofs im Sprengel Hamburg der Nordelbischen Kirche betonte Propst Jürgen F. Bollmann in seiner Ansprache: "Nirgends darf mehr Platz für Neofaschisten sein, weder in Deutschland noch in Europa. Das muss für immer Vergangenheit bleiben. Wir Christen treten der Provokation mit Entschlossenheit entgegen." Claus Kollatsch, einer der Sprecher der im Kirchenkreis Hamburg tätigen Initiative "Gedenken in Harburg" erinnerte an den Spruch im St. Nicolai-Mahnmal: "Tue Deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind."
Kollatsch: "Wir dürfen nicht Schweigen, denn Schweigen bedeutet Zustimmung. Damals haben zu viele Menschen weggesehen und gesagt, es betrifft mich ja nicht und zu spät gemerkt, dass es sie doch auch traf. Diese Fehler dürfen heute nicht noch einmal begangen werden."
Kollatsch kniete abschließend, nach einer Gedenkminute zu Ehren Leuschels, vor dem im Laufe der Zeit matt gewordenen Stolperstein nieder und polierte das goldfarbene Messing wieder blank.
Die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung machten sich anschließend auf den Weg, um sich an der Gegendemonstration zu beteiligen